Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), befürwortet das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagene Wehrdienst-Modell. Dieses nennt sie in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2024 einen „guten und richtigen Vorschlag“. Auf Grundlage eines Fragebogens, der von Männern verpflichtend und von Frauen freiwillig ausgefüllt wird, könnten dann die Musterung und Auswahl der geeignetsten und motiviertesten Bewerber erfolgen, schreibt Högl weiter.

Högl wünscht sich mehr Tempo beim Wiederaufbau einer solchen Wehrerfassung. Es sei „dringend erforderlich, die im Wehrpflichtgesetz verankerte Erfassung – unabhängig vom Spannungs- und Verteidigungsfall – zu reaktivieren“, schreibt sie. „Ein Land, das auf einen möglichen Angriff mit einer hervorragend ausgebildeten und ausgestatteten Armee antworten könnte, schreckt potenzielle Aggressoren ab.“ Grundlegend seien Daten, „wer im Spannungs- und Verteidigungsfall herangezogen werden kann, wie geeignet die Personen sind und welche Qualifikationen sie haben“.

Die Ampel-Regierung hatte Pläne von Minister Pistorius für einen neuen Wehrdienst per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht. Eine Befassung damit im Bundestag fand wegen der Neuwahlen jedoch nicht mehr statt. Die Pläne von Pistorius sehen vor allem vor, alle jungen Männer und Frauen anzuschreiben, um sie nach ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst bei der Bundeswehr zu befragen. Hauptziel ist, mehr Personal für die Bundeswehr zu rekrutieren. Eine Dienstpflicht lehnt Pistorius vorerst ab.

Högl betonte, sie befürworte „bereits seit Beginn ihrer Amtszeit ein sogenanntes Gesellschaftsjahr – also ein verpflichtendes Jahr für junge Frauen und Männer etwa im Umweltschutz, im sozialen Bereich oder bei der Bundeswehr.“ Die SPD-Politikerin mahnte bei der Ausrüstung und personellen Aufstockung der Truppe mehr Tempo an. Sie bescheinigte der Bundeswehr einen massiven Personalmangel.

Massive Personalprobleme in der Bundeswehr

„Leider weiterhin verschlechtert hat sich die sehr hohe Anzahl unbesetzter Dienstposten“, heißt es in ihrem Jahresbericht. Im Jahr 2020 – dem Beginn ihrer Amtszeit – seien rund 18 Prozent des militärischen Personals in den Laufbahnen oberhalb der Mannschaften unbesetzt gewesen. Ende 2024 seien es sogar knapp 20 Prozent gewesen. Bei den Mannschaften waren im vergangenen Jahr rund 28 Prozent aller Dienstposten unbesetzt gewesen.

Ursachen seien neben dem allgemeinen Personalmangel auch Vakanzen – wie durch Ausbildung, Elternzeit, Krankheit oder Freistellung. Die Streitkräfte liefen aber Gefahr, dass die personelle Einsatzbereitschaft erheblich leide, wenn fast jede fünfte Kraft bei Unteroffizieren und Offizieren und mehr als jede vierte Kraft bei den Mannschaften fehle.

„Genügend und vollständig einsatzbereites Personal ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit. Dem ursprünglich bis zum Jahr 2025 gesteckten, jedoch später zeitlich angepassten Ziel, eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 zu erreichen, ist die Bundeswehr im Berichtsjahr erneut nicht nähergekommen“, stellt Högl fest.

Die Zahl der Männer und Frauen in der Bundeswehr sei auf 181.174 sogar leicht gesunken. Högl warnt: „Gleichzeitig wird die Bundeswehr immer älter. Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen.“ Die personelle, materielle und infrastrukturelle Ausstattung müsse schnell besser werden. „Ungeduld ist geboten und Erwartungen sind gerechtfertigt.“ Die Bundeswehr müsse „vollständig einsatzbereit sein“.

Die Bundeswehr brauche lange Zeit für einen Kurswechsel

Högl sieht aber, dass es „überall (...) endlich Bewegung“ gebe. Die Bundeswehr erhalte mehr Geld und Waffen, auch gebe es Initiativen für Personalgewinne und Strukturreformen zur Fokussierung auf den Kernauftrag. „Diese Anstrengungen waren enorm, die Ergebnisse jedoch (noch) nicht überall sichtbar, spürbar oder messbar“, schreibt Högl. Sie verglich die Bundeswehr mit einem Tankschiff, das lange Zeit zum Kurswechsel braucht. „Zeit, die wir nicht haben“, mahnte Högl.

In den zurückliegenden fünf Jahren habe sich der Kernauftrag der Bundeswehr vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hin zur Landes- und Bündnisverteidigung verändert. Damit die deutschen Streitkräfte ihre „vielfältigen neuen Aufgaben“ erfüllen können, mahnt Högl eine „auskömmliche finanzielle Grundlage“ der Bundeswehr an.

Im vergangenen Jahr seien nur 50,3 Milliarden Euro aus dem insgesamt 52 Milliarden Euro umfassenden regulären Verteidigungshaushalts genutzt worden. „Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden“, schreibt Högl. Zudem seien rund 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitgestellt worden.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke