Die Grünen wollen die massiven Schuldenpläne von Union und SPD nicht einfach durchwinken. Das ist verständlich und in der Sache richtig. Aber nach ihrem großen Auftritt im Bundestag ist nun die Zeit für Zugeständnisse gekommen.
Als US-Präsident Donald Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus zusammenfaltete, prägte er einen Begriff: "Sie haben die Karten nicht", blaffte er ihn an. Ein Bild, das jeder versteht, der schon einmal Karten gespielt hat. Meist denkt man dabei an Poker. Nur passt das gar nicht - denn im Poker ist ja gerade der Witz, dass unklar ist, welche Karten die anderen am Tisch haben.
In der Politik ist das anders. Meist ist es weitgehend klar, wie die Karten verteilt sind. So auch gerade in den Verhandlungen von Union, SPD und Grünen über Lockerung der Schuldenbremse und Sondervermögen. Ohne die Grünen können die Grundgesetzänderungen nicht beschlossen werden. Das sind ziemlich gute Karten, und jeder weiß es. Auch wenn Friedrich Merz es wohl erst diese Woche begriffen hat.
Die Grünen wollten sich nicht dafür hergeben, einfach nur die gewaltigen Pläne von Schwarz-Rot durchzuwinken. Jede Partei mit Selbstachtung würde so verfahren. Wenn die eigenen Stimmen gebraucht werden, möchte man auch nach der eigenen Meinung gefragt werden. Merz beließ es dagegen beim Prinzip Gut Glück. Was Union und SPD beschlossen, hätten die Grünen in der ein oder anderen Form ja selbst schon vorgetragen, sagte er in einer Pressekonferenz. Frei nach dem Motto: Die werden schon zustimmen. Tun sie aber nicht. Ernsthafte Gespräche laufen erst seit Montag.
Vergleich mit "Schatzkiste" nicht weit hergeholt
In der Sache haben die Grünen gute Argumente. So gute, dass es Applaus von ungewohnter Seite gibt. Sich erst ein Sondervermögen genehmigen und dann im Sondierungspapier mehr Mütterrente, mehr Pendlerpauschale, mehr Agrardieselhilfe und weniger Steuern für Gastronomen anzukündigen, wie es CDU, CSU und SPD getan haben: Das wirkte unverschämt. Auch die Union hätte den Finger in diese Wunde gelegt, wenn die Rollen vertauscht gewesen wären. Nach echten Sparanstrengungen sieht das alles jedenfalls nicht aus. Eher schon nach einer "Schatzkiste", wie Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge konstatierte.
Dröge beklagte auch zu Recht, dass Union und SPD den Klimaschutz komplett vernachlässigt hatten. Auch der Gedanke, dass die Grünen den ja später noch ins Paket hineinverhandeln könnten, kann sich wie eine Ohrfeige anfühlen. Die Union tue so, als ob der Klimawandel nur ein Problem der Grünen sei, klagte Dröge. Und auch diese Kritik saß - auch wenn Merz auch vor der Wahl sich stets zu den Klimazielen bekannt hatte. Im Zentrum oder auch nur in der Nähe des Zentrums des Wahlkampfs stand der Klimaschutz aber wirklich nicht.
Die Grünen hatten allen Grund, sauer zu sein und sich querzustellen. Höhepunkt: Im Bundestag las Dröge Merz mal so richtig die Leviten, fast so wie Merz es selbst immer mit den Grünen und der SPD tat. Aber jetzt ist es langsam mal gut. Merz musste diese Kröte nach seiner 180-Grad-Wende schlucken, dass ihm diese im höchsten deutschen Parlament und vor den Augen der Öffentlichkeit um die Ohren gehauen wird. Er hatte aber recht, als er fragte, ob ein Scheitern jetzt wirklich eine Option sei.
Denn das ist es nicht. Merz muss natürlich die Weltlage besonders dramatisieren, damit er seinen atemberaubenden Kurswechsel rechtfertigen kann. Aber ihm widerspricht ja in der Sache niemand. Außer jene, die Putin für einen freundlichen Onkel im Kreml halten, der eigentlich nur billiges Gas verkaufen möchte. Putin, Trump, Ukraine, wirtschaftliche Stagnation, Klimawandel: Die Probleme sind real. Und in Europa richten sich die Augen auf Deutschland, das größte und wirtschaftlich stärkste Land, das anders als Frankreich, Großbritannien und Italien nicht am Rand der Staatspleite entlangschliddert.
Das große Ganze könnte wackeln
Die Führungskraft Deutschland wird gebraucht in Europa. Die nächste Bundesregierung muss daher jetzt etwas bewegen. Wenn die künftige Regierung Merz es nicht schafft, die großen Ankündigungen in die Tat umzusetzen, ist gleich wieder die Luft raus. Dann wäre der Anflug von Aufbruchstimmung verpufft, die neue Regierung hätte einen Fehlstart hingelegt. Statt eines kraftvollen Neubeginns gäbe es ein lahmes Loshumpeln. Das aber hat das Land nicht verdient. Das alles hinzubekommen, ist nun einmal Merz' Job, würden die Grünen sagen. Aber wenn sie ihm noch mehr Steine in den Weg legen, wackelt irgendwann das große Ganze.
Aus dem Sondervermögen für Infrastruktur dürfen natürlich nur zusätzliche Projekte finanziert werden. Alles andere wäre ein Etikettenschwindel. Union und SPD beteuern, sie wollten nichts anderes. Es muss also möglich sein, das auch so in die Verfassung zu schreiben. Die Ausnahme bei der Schuldenbremse für Verteidigung wollen auch die Grünen. Ob es Verteidigungsausgaben im Umfang von 1 Prozent oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind, die aus dem regulären Haushalt gestemmt werden müssen, macht finanziell einen riesigen Unterschied. Aber politisch nicht unbedingt. Da steht das Prinzip im Vordergrund. Ob es dann 1,0 oder 1,3 sind, daran darf eine Einigung nicht scheitern.
Die Grünen haben mit dem Fuß aufgestampft und Berlin erzittern lassen. Sie haben massive Zugeständnisse bekommen. Jetzt ist es Zeit, Druck aus dem Kessel zu nehmen und sich zum Sieger zu erklären. Es steht viel auf dem Spiel.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke