Trumps Vision einer Umsiedlung der Palästinenser aus dem zerstörten Gazastreifen, die wahrscheinlich einer Vertreibung gleichkäme, erschien Nahost-Experten zunächst wie ein schlechter Witz. Doch Israel und Washington sollen bereits sehr konkrete Gespräche mit drei ostafrikanischen Staaten führen.
Die arabischen Nachbarstaaten der Palästinenser lehnen die Idee von US-Präsident Donald Trump kategorisch ab, Menschen aus dem Gazastreifen auszusiedeln, während die USA dort eine "Riviera des Nahen Ostens" errichten würden. Zugleich signalisieren sie auch keinerlei Bereitschaft, Menschen aus dem Gazastreifen auf eigenem Gebiet aufzunehmen. Offiziell, weil sie die Vertreibung damit nicht legitimieren wollen. Die USA und Israel nehmen daher offenbar weiter entfernt liegende Länder ins Visier. Laut Angaben aus Regierungskreisen haben sie in den vergangenen Wochen im Osten Afrikas entsprechende Vorstöße unternommen. Die Reaktionen scheinen jedoch ebenfalls ablehnend gewesen zu sein.
Die diplomatischen Initiativen zeigen derweil, dass Trump seinen Vorschlag trotz aller Widerstände weiter vorantreibt. Dem erklärten Ziel, einen "schönen Ort" zu finden, an dem die Palästinenser besser aufgehoben wären als in ihrer zerstörten Heimat, würden die Vorstöße aber kaum dienen. Denn die kontaktierten Länder - Sudan, Somalia und die von Somalia abtrünnige Region Somaliland - sind allesamt sehr arm und teilweise von gewaltsamen Konflikten geprägt.
Vertreter der Behörden in Somalia und Somaliland sagten der Nachrichtenagentur AP, sie wüssten nichts von entsprechenden Kontaktaufnahmen. Vonseiten der Regierung des Sudans hieß es, die Vorstöße der Amerikaner seien zurückgewiesen worden. Vertreter der Regierungen der USA und Israels, die gegen Zusicherung von Anonymität mit der AP sprachen, bestätigten die Kontakte zu Somalia und Somaliland, von amerikanischer Seite wurden auch die mit dem Sudan bestätigt. Es sei jedoch unklar, auf welcher Ebene die Diskussionen stattgefunden hätten, fügten sie hinzu.
Israel übernimmt Federführung
Trumps Plan sieht vor, die etwa zwei Millionen Palästinenser, die im Gazastreifen leben, dauerhaft umzusiedeln. Die USA würden das Gebiet übernehmen, die Aufräumarbeiten koordinieren und es dann als großangelegtes Immobilien-Projekt entwickeln. In Israel galt eine Massenumsiedlung von Palästinensern einst nur als Fantasie-Vorstellung von Ultranationalisten am rechten Rand. Doch seit Trump seinen Plan im Februar vorgestellt hat, bezeichnet ihn auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als "mutige Vision".
Die betroffenen Palästinenser lehnen das Vorhaben ab und weisen auch israelische Behauptungen zurück, dass es sich um freiwillige Ausreisen handeln könnte. Die arabischen Nachbarstaaten stellen sich ebenfalls vehement dagegen und haben inzwischen einen eigenen Vorschlag für den Wiederaufbau im Gazastreifen vorgelegt. Laut Darstellung von Menschenrechtsgruppen wäre es ein Kriegsverbrechen, wenn die Palästinenser zur Ausreise gedrängt oder gar gezwungen würden.
Trotzdem: Trump "steht zu seiner Vision", heißt es vom Weißen Haus. Die amerikanischen und israelischen Vorstöße gegenüber den drei potenziellen Zielgebieten seien unabhängig voneinander erfolgt und hätten bereits wenige Tage nach der öffentlichen Vorstellung des Plans durch den US-Präsidenten begonnen, sagten Regierungsvertreter in Washington. Israel habe in dieser Debatte die Federführung übernommen.
Deal im Geiste des Abraham-Abkommens
Israel und die USA könnten den potenziellen Partnern durchaus auch einiges als Gegenleistung bieten - finanziell, diplomatisch oder sicherheitspolitisch. Irgendeine Form von Deal, der beiden Seiten Vorteile verschaffen würde, entspräche dem Geist des vor fünf Jahren von Trump initiierten Abraham-Abkommens, mit dem eine Annäherung zwischen Israel und vier arabischen Staaten erreicht wurde. Aktuell ist die Lage im Sudan, in Somalia und in Somaliland aber so kompliziert, dass eine Ansiedlung von Hunderttausenden Palästinensern kaum denkbar erscheint.
Der Sudan war einer der Staaten, die 2020 einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu Israel zustimmten. Dafür wurde das Land von den USA von einer Liste der Terrorunterstützer gestrichen. Zu einer echten Annäherung mit Israel kam es jedoch nicht, weil wenig später Kämpfe zwischen sudanesischen Regierungstruppen und der RSF-Miliz ausbrachen. Der Konflikt, der noch immer andauert, ist laut UN und unabhängigen Menschenrechtsorganisationen von Gräueltaten wie ethnisch motivierten Morden und Vergewaltigungen geprägt.
Unter diesen Umständen dürfte es schwer werden, Palästinenser zu einer Ausreise in den Sudan zu bewegen. Die stark unter Druck stehende Regierung in Khartum könnte aber von einer Kooperation mit Israel und den USA profitieren - insbesondere, wenn sie mit Unterstützung im Kampf gegen die RSF-Miliz verbunden wäre. Einer der Ansprechpartner der AP in Khartum sagte, es habe bereits vor Trumps Amtseinführung Angebote aus dessen Umfeld in diese Richtung gegeben.
Sudan, Somaliland und Somalia
Der Sudan gilt allerdings als energischer Unterstützer der Palästinenser. Schon deswegen ist eine derartige Zusammenarbeit mit Israel und den USA schwer vorstellbar. Armeechef Abdel Fattah al-Burhan, der Machthaber des Sudans, sagte vergangene Woche bei einem Treffen der arabischen Staaten in Kairo, sein Land würde jeden Plan, der eine Vertreibung "der Palästinenser aus ihrem Land" vorsehe, "kategorisch ablehnen".
Somaliland ist ein Gebiet am Horn von Afrika mit gut drei Millionen Einwohnern, das sich vor mehr als 30 Jahren von Somalia losgelöst hat, international aber nicht als eigener Staat anerkannt wird. Ein mit den aktuellen Bemühungen befasster US-Regierungsvertreter bestätigte der AP, dass Washington "vertrauliche Gespräche mit Somaliland über eine Reihe von Dingen" führe. Die Region, die seit 1991 eine eigene Regierung, eine eigene Währung und eigene Sicherheitskräfte hat, gilt als vergleichsweise stabil. Sie zählt aber zu den ärmsten der Welt. Die strategische Lage am Golf von Aden macht sie militärisch und wirtschaftlich zu einem potenziell interessanten Partner.
Somalia hat sich ebenfalls immer wieder als ausdrücklicher Unterstützer der palästinensischen Selbstbestimmung positioniert. Ähnlich wie im Falle des Sudans wäre es daher überraschend, wenn sich das Land an einer Initiative zur dauerhaften Umsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens beteiligen würde. Und auch in Somalia ist die Lage alles andere als friedlich. Immer wieder kommt es zu tödlichen Anschlägen einer örtlichen Miliz mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida.
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