Die Lagekarten der ukrainischen Armee zeigen es: Sudscha, zentrale Verteilstelle für die Soldaten im Kursker Kessel, ist verloren. Damit scheint das nahe Ende der Kursker Offensive besiegelt. Denn ohne Nachschub können sich die Streitkräfte dort nicht mehr halten.

Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte veröffentlicht eine Karte, die den vollständigen Abzug der ukrainischen Truppen aus der Stadt Sudscha in der russischen Region Kursk zeigt. Auf Facebook präsentiert die Armeeführung lediglich die Schlachtfeldkarten mit neuen ukrainischen Positionen und ohne einen weiteren Kommentar. Doch in den Redaktionen der führenden ukrainischen Medien legt man die Kursker Positionskarte und einen Google Maps-Ausschnitt nebeneinander. Ergebnis: Sudscha ist verloren. Das zentrale Logistikzentrum für die gesamte Kursk-Offensive der Truppe musste die Ukraine aufgeben.

Damit bestätigt der Generalstab laut Berichten der Zeitungen "Ukrainska Pravda" und "Kyiv Independent" auch ohne Worte den Rückzug der Armee, drei Tage nachdem Russland bereits die Einnahme der Stadt meldete. Bislang versicherte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seinen Videobotschaften der vergangenen Tage wiederholt, in der Kursk-Region, also auf russischem Territorium, werde noch gekämpft.

Doch der vollständige Verlust von Sudscha lässt erahnen, dass die Tage der ukrainischen Gegenoffensive auf russischem Territorium gezählt sind, die Schlacht dort verloren ist.

Schon vor etwa vier Wochen war es den Russen gelungen, die wichtigste Versorgungsroute nach Sudscha hinein mit First-Person-View-Drohnen unter Feuer zu nehmen. Doch aus Sicht des Militärexperten Markus Reisner ist "Sudscha nicht irgendeine Stadt, sondern der zentrale Logistik-Knotenpunkt, von dem aus die Ukrainer in den letzten Monaten die Versorgungsgüter im Kursker Kessel verteilt haben". Die Kämpfenden waren damit vom Nachschub abgeschnitten - Wenn nichts mehr aus der Ukraine nach Sudscha hineingelangte, konnte auch nichts mehr von Sudscha aus weiter transportiert werden, in Richtung der Stellungen an der Front.

Mit der Unterbrechung der Versorgung war für Reisner schon im Februar klar: "Wenn die Ukrainer die unterbrochene Route nicht über einen anderen Versorgungsweg ersetzen können, werden die Truppen im Kessel nicht mehr lange fähig sein, den Feind aufzuhalten." Denn ohne Nachschub an Munition, Gerät, Ausrüstung, ohne die Möglichkeit, Soldaten rotieren zu lassen, Verwundete abzutransportieren, "hält man an der Front nicht lange durch".

Wenn Sudscha fällt, scheint der Kampf um Kursk verloren

Parallel zur Nachschub-Blockade brachten die Russen den Kessel in Kursk wie in einem Zangengriff weiter unter Druck. Von Nordwesten her durch russische Fallschirmjägerverbände und aus dem Raum südostwärts mit Marineinfanterieeinheiten. Anzeichen eines erneuten ukrainischen Gegenangriffs waren nicht zu sehen, die Situation deutete auf eine bald erfolgende Einnahme durch die Russen hin. Für die Ukrainer gehe es jetzt nur noch darum, das eigene Leben zu retten, so Reisner, Experte des österreichischen Bundesheeres.

Videos aus den vergangenen Tagen zeigten, dass ein strukturierter Rückzug der Ukrainer nur zum Teil gelang. Reisner mutmaßte, die Ukrainer würden versuchen, "den Raum zumindest so lange zu halten, bis die Gespräche zwischen den USA und der Ukraine in Saudi-Arabien vorbei sind". Das immerhin hätten die Ukrainer nun geschafft. Mit dem zu erwartenden Verlust Sudschas sah Reisner jedoch keine Chance mehr, weiteres Gebiet auf russischem Territorium noch länger zu halten. "Wenn Sudscha fällt, ist der Kampf um Kursk aus meiner Sicht verloren", sagte der Militärexperte am vergangenen Montag voraus. Das scheint sich nun zu bewahrheiten.

Im vergangenen August hatte die ukrainische Armee für den Gegner in Moskau, aber auch für die westlichen Unterstützer überraschend einen Vorstoß hinein in die russische Grenzregion im Norden der Ukraine gewagt. Zunächst brauchte die russische Armee einige Zeit, um mit eigenen Truppen ein weiteres Vormarschieren der Ukrainer abzuwehren. Im Laufe der vergangenen Wochen war es den Kreml-Truppen jedoch immer besser gelungen, russisches Gebiet zurückzuerobern. Eine Strategie der Ukrainer hinter der Überraschungsoffensive war, das feindliche Gebiet als Faustpfand und Verhandlungsmasse in möglichen Verhandlungen rund um einen Waffenstillstand zu halten.

Russlands Präsident Wladimir Putin versucht nun offenbar, den Rückzug der Ukrainer auch diplomatisch für sich zu nutzen: Seine Truppen hätten auf Kursker Gebiet eine große Zahl ukrainischer Kämpfer eingeschlossen und ihnen den Rückzugsweg versperrt, behauptete Putin öffentlich. Daraufhin forderte US-Präsident Donald Trump den Kreml-Chef auf, die umzingelten ukrainischen Soldaten zu verschonen. Putin wiederum reagierte sehr schnell mit der Zusage, die Kämpfer am Leben zu lassen und anständig zu behandeln.

Jedoch sprechen Lagebilder auch russischer Militärblogger dafür, dass die komplette Einkesselung der Ukrainer eine Finte des Kremls war. Geodaten und Frontberichte zeigten keine Hinweise auf einen Einschluss ukrainischer Truppen. Vielmehr verbreitete sich unter Lagebeobachtern der Verdacht, Putin wolle sich mit der Gnadenzusage als konstruktiver Verhandlungspartner darstellen.

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