Es war eine historische Entscheidung: Der Bundestag hat am Dienstag einer Lockerung der Schuldenbremse und zwei Finanzpaketen in einer Gesamthöhe von einer Billion Euro zugestimmt. Am Dienstagabend diskutieren zwei Gäste bei Sandra Maischberger darüber, ob Schulden in dieser Höhe gut für Deutschland sind.

"Begeisterung sieht anders aus." So kommentiert Kabarettist Urban Priol bei Maischberger die Gesichter von CDU-Fraktionschef Friedrich Merz und seinem Kollegen Lars Klingbeil von der SPD. Beiden merkte man zwar die Erleichterung an, aber gejubelt haben sie nicht, nachdem die schwarz-roten Finanzpakete von etwa einer Billion Euro am Nachmittag vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen wurden. War das wirklich eine gute Idee? Christian Dürr, noch Fraktionschef der FDP, sagt nein. Der SPD-Politiker Ralf Stegner sieht das selbstverständlich anders. Am Dienstagabend treffen sich die beiden Politiker bei Sandra Maischberger, um darüber zu diskutieren.

Dürr macht sich große, große Sorgen. Das lässt er die Zuschauer in einer ansonsten recht lebendigen Diskussion wissen. "Meine Sorge ist: Wir reden jetzt von einer Billion Euro Schulden. Wir reden davon, dass in den kommenden Jahren 80 Milliarden im Haushalt an Zinsen dafür aufgewandt werden müssen. Der Eindruck, dass dies alles folgenlos sei, den muss man hinterfragen. Dass wir etwas für die Verteidigung tun müssen, unterschreibe ich sofort, und wir haben einen eigenen Vorschlag dazu gemacht. Spannend ist aber, ob wir etwas für Infrastruktur tun können. Und mein Zweifel ist, dass man so ziemlich alles machen wird, aber am wenigsten dafür." Dürrs Kritik: Das Programm für die Infrastruktur sei zu wenig zielgerichtet. So würde durch das Finanzpaket ein Betrag von knapp 270 Milliarden Euro frei, der noch nicht verplant sei. Dieser Betrag werde nicht in Verteidigung und Infrastruktur fließen, er stehe zur freien Verfügung, so Dürr. "Das hätte es mit uns nicht gegeben."

"Wir leben in besonderen Zeiten", verteidigt Ralf Stegner die Finanzpakete und die Lockerung der Schuldenbremse. Länder wie die USA investierten 750 Milliarden Euro in die Sanierung des Landes - wobei die USA allerdings auch ein bisschen größer als Deutschland sind. Stegner: "Wir müssen das auch tun." Und er fragt: "Was haben unsere Kinder und Enkel davon, wenn wir ihnen eine marode Infrastruktur, schlechte Bildung und keine Digitalisierung vererben? Wenn wir vernünftig investieren, kommt dabei ja auch raus, dass Wachstum entsteht, dass Arbeitsplätze da sind, dass Steuern und Beiträge gezahlt werden und keine Sozialtransfers." Am Ende rechne sich, wenn die Menschen mehr Geld verdienen und mehr Steuern zahlen würden, sagt Stegner.

Dürr benennt ein weiteres Problem der Finanzpakete: Irgendwer müsse das Geld auch wieder zurückzahlen, mit Zinsen. Und das seien die nächsten Generationen. "Ich habe selbst zwei Kinder, und es ist nicht gerecht, den Kindern all das zu überlassen, damit heute eine Koalition funktioniert."

"Wir müssen unsere Industriegesellschaft klimaneutral umbauen, weil wir unseren Kindern und Enkeln eine Welt vererben müssen, auf der sie leben können", ist die Ansicht von Stegner. "Dazu müssen wir in eine Industrie investieren, in der Arbeitsplätze existieren." Gleichzeitig fordere die SPD, dass das Rentenniveau stabil bleibe, die Erhöhung des Mindestlohns und eine Mietpreisbremse. "Das sind keine Wahlgeschenke. Und ich finde es übrigens auch merkwürdig, immer das Wahlgeschenke zu nennen, was den Menschen zugutekommt. Wenn ich aber Steuergeschenke für die Superreichen mache, sind das keine Wahlgeschenke, sondern dann ist das Wirtschaftsankurbelung."

Es sei aber falsch, eine klimaneutrale Infrastruktur aus Steuergeldern zu finanzieren, findet Dürr. Stattdessen müsse der Staat Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen. Die Finanzpakete sorgten für die höchste Staatsverschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg. "Meine Sorge ist: Wenn man jetzt so locker mit dem Geld der Steuerzahler umgeht, verabschiedet man sich von einer guten Wirtschaftspolitik, und ich glaube, nicht der Standort Deutschland wird besser, sondern der Staat wird einfach größer. Und das ist nicht die wirtschaftliche Dynamik, die sich die Menschen erhoffen. Die wollen einen guten Job, der gut bezahlt ist, der am Ende gute Renten garantiert, und keinen Staat, der alles einnimmt." Und etwas später: "Meine Sorge ist, dass ganz viel Geld ausgegeben wird, aber am Ende Reformpolitik nicht mehr stattfindet." Seine Sorge sei, sagt Dürr, dass sich dadurch in Wahrheit kein Wachstum einstelle. Von den Finanzpaketen würden Menschen mit viel Geld profitieren, die sich Staatsanleihen leisten könnten, für die es jetzt höhere Renditen geben werde. Zahlen würden Arbeitnehmer und Rentner, denn die Preise würden nun steigen. "Das ist eine Verteilung von unten nach oben."

Die Koalitionsverhandlungen

Seit vergangenem Donnerstag laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Am Ende könnte Friedrich Merz der neue Bundeskanzler sein. "Vertrauen Sie Friedrich Merz?" fragt Sandra Maischberger Ralf Stegner, der noch vor kurzem nichts von einer Kanzlerschaft des CDU-Vorsitzenden hielt. "Noch nicht so richtig", antwortet Stegner. Er nimmt Merz übel, dass er sich vor wenigen Wochen für den Beschluss eines Entschließungsantrages der Stimmen der AfD bediente. "Wir werden in das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen auch hineinschreiben müssen, dass nicht einmal damit gedroht werden kann, sonst ist das mit den Sozialdemokraten nicht zu machen." Man müsse dafür sorgen, dass die AfD wieder aus dem Bundestag verschwinde. Stegner: "Ich hätte lieber eine gute liberale Partei im Bundestag als diese Bagaluten, die da auf der anderen Seite sitzen."

"Meine Sorge beim kommenden Deutschen Bundestag ist, dass wir eine Gruppe aus Parteien haben, nämlich Union, SPD und Grüne, die jetzt den Staat geradezu umarmen und ihn zu überfordern drohen, weil die Menschen das alles bezahlen müssen. Und das merken Menschen auch. Und auf der anderen Seite haben sie eine Partei, die den Staat hasst, ablehnt und seine Institutionen lächerlich macht." Dürr will einen Staat, der funktioniert und wirtschaftlich erfolgreich sei. Sein Job sei es, sich in den kommenden vier Jahren dafür einzusetzen.

Die FDP soll in vier Jahren wieder im Bundestag vertreten sein, wünscht sich Dürr. Darum wolle er gemeinsam mit Politikern wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Wolfgang Kubicki ein Führungsteam bilden. Das solle auch die FDP auf den Weg zu "der modernsten Partei" führen, so Dürr.

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