Die nächste Bundesregierung darf sich verschulden wie keine vor ihr - das gibt dem künftigen Kanzler Merz die Chance für kraftvolles Regieren. Damit der Schuss nicht nach hinten losgeht, muss er jetzt aber sein zweites großes Versprechen einhalten.

Den Vorwurf des Wortbruchs wird Friedrich Merz erstmal nicht mehr los. Im Wahlkampf beteuerte der Kanzlerkandidat, er brauche keine neuen Schulden, um die Bundeswehr zu stärken, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und der Ukraine zu helfen. Nach der Wahl reifte blitzschnell die Erkenntnis heran, dass es doch nicht anders geht. Auch wenn Merz Grüne und SPD monatelang genau dafür attackiert hatte und auch sein Generalsekretär Carsten Linnemann glühende Bekenntnisse zur Schuldenbremse abgab. Möglicherweise wäre es schlauer gewesen, vor der Wahl keine Versprechungen abzugeben, die man nicht einhalten konnte. Dann hätte man sich die Wortbruch-Vorwürfe erspart.

Jetzt heißt es nach vorne schauen - aber für die nahe Zukunft hat Merz allerdings schon das nächste große Versprechen abgegeben: Er will den Staat umfassend reformieren und auch vor schmerzhaften Schritten nicht zurückschrecken. "Geld allein löst noch kein Problem", sagte Merz an diesem Dienstag im Bundestag. Die möglich gewordenen Investitionen verringerten nicht den Bedarf an Einsparungen im Haushalt, sagte er sinngemäß. "Das Gegenteil ist richtig", sagte Merz: "Wir stehen, ob wir wollen oder nicht, auch vor einer umfassenden Modernisierung unseres Gemeinwesens."

Deutschland brauche einen Technologieschub, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, einen Rückbau der "überbordenden Bürokratie". Der Staat solle wieder handlungsfähig werden. Darüber besteht Einigkeit über Parteigrenzen hinweg und das seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Für die kommende Regierung, im Angesicht der neuen Geldquelle, werden entsprechende Reformen noch wichtiger. Auch damit nicht das eintritt, wovor CDU-Generalsekretär Linnemann im Wahlkampf immer wieder warnte: Wenn der Spardruck wegfalle, falle auch der Reformwille weg.

Inflationsgefahr

Das wäre gefährlich. Experten warnen seit Wochen vor den Gefahren des hemmungslosen Geldausgebens. Das Zinsniveau könnte weiter steigen, Kredite für Unternehmen und Privatleute teurer werden. Die Inflation könnte zurückkommen. Der Staat wird jetzt Geld ins System pumpen und wird massenhaft Aufträge vergeben. In vielen Branchen fehlen aber Fachkräfte. Die Nachfrage steigt also massiv, das Angebot an Arbeitskräften bleibt hingegen gleich. Das könnte zu steigenden Preisen führen.

Anders sieht es aus, wenn der Aufwand für Bürokratie sinkt. Unternehmer klagen regelmäßig darüber, wie viele Leute sie beschäftigen, nur um Formulare auszufüllen. Können sich diese Angestellten um etwas anderes kümmern, arbeitet das ganze Unternehmen schneller. Das Gleiche gilt für die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wird der Staat schneller, können die Unternehmen auch schneller mit der Arbeit beginnen - Brücken sanieren, Schultoiletten erneuern oder Panzer bauen.

Mittel effizient ausgeben

Zugleich schwächen sich die Gefahren des nahezu hemmungslosen Geldausgebens ab, wenn die Regierung im regulären Haushalt spart. Merz kündigte das im Wahlkampf an und blieb auch jetzt dabei. Er sieht Einsparpotenzial beim Bürgergeld, beispielsweise durch Sanktionen für Arbeitslose, die arbeiten könnten. Zugleich will er die Steuern senken und so mehr Wachstum generieren. Die Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz dürften ebenfalls die Konjunktur und damit letztlich die Steuereinnahmen ankurbeln.

Die große Reform, die Merz vorschwebt, ist notwendig, um die neuen Mittel effizient auszugeben. Doch er hat sich viel vorgenommen. Bürokratieabbau ist keine leichte Aufgabe - viele Regierungen haben sich daran die Zähne ausgebissen. Konkret bedeutet Bürokratieabbau auch Lockerungen beim Verbraucherschutz, beim Datenschutz, beim Umweltschutz oder bei der Arbeitssicherheit.

Wenn es so konkret wird, gehen die Meinungen schnell auseinander, welche Regeln tatsächlich abgeschafft werden sollten. Auch die Meinungen zwischen Union und SPD. Merz muss also Verhandlungsgeschick beweisen und die Wünsche der Koalitionspartner zu einem Paket zusammenschnüren. Leicht wird das nicht. Doch Merz steht jetzt im Wort. Nach der 180-Grad-Wende in Sachen Schuldenbremse sollte er es diesmal halten.

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