Der israelische Premier vertraut seinem Geheimdienstchef nicht mehr und sägt ihn kurzerhand ab. Von den andauernden Proteste lässt sich Netanjahu nicht beirren. Kritiker warnen, Shin Bet könne nun zum Instrument der Regierung werden.
Die israelische Regierung hat die Entlassung von Inlandsgeheimdienstchef Ronen Bar beschlossen. Die Regierung sei dem Vorschlag von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu "die Amtszeit (Bars) zu beenden" einstimmig gefolgt, teilte Netanjahus Büro mit. Bar werde als Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet spätestens am 10. April zurücktreten oder sobald ein Nachfolger nominiert sei. Netanjahu hatte seine Entscheidung für die Entlassung Bars bereits am Sonntag mit einem "fortwährenden Misstrauen" gegenüber dem Geheimdienstchef begründet. Es ist laut Medien das erste Mal in der Geschichte Israels, dass eine Regierung den Leiter des Schin Bet entlässt.
In einem Brief des Regierungschefs an die Kabinettsmitglieder hieß es, aufgrund des Vertrauensverlustes in Bar könnten "die Regierung und der Ministerpräsident ihre Aufgaben nicht mehr effizient ausüben". Dies behindere die "operationellen Fähigkeiten" des Geheimdienstes "und die Führung des Staates". Der Vertrauensverlust habe sich im Laufe des Krieges im Gazastreifen verstetigt, hieß es weiter.
Bar warf Netanjahu in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief "persönliche Gründe" für seine Entlassung vor. Der Regierungschef wolle damit Shin Bets "Ermittlungen zu den Ereignissen, die zum 7. Oktober und anderen ernsthaften Angelegenheiten führten, verhindern". In dem Bericht war auch Netanjahu kritisiert worden; es hieß, eine verfehlte Regierungspolitik habe das Klima geschaffen, das zu dem Angriff führte.
Der Geheimdienstchef hatte jedoch bereits angedeutet, dass er seinen Posten bald verlassen könnte. Anfang März räumt er das Versagen seines Geheimdienstes in Bezug auf den Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 ein. "Hätte der Shin Bet anders gehandelt, (...) hätte das Massaker verhindert werden können", hatte Bar bei der Vorstellung eines Untersuchungsberichts gesagt.
Die interne Untersuchung habe ergeben, dass der Shin Bet sich sowohl in der Nacht des Angriffs als auch in den Jahren davor falsch verhalten habe, hatte der Geheimdienstchef erklärt. "Wir sind gescheitert", hatte Bar die Ergebnisse des Berichts zusammengefasst.
Tausende Menschen protestieren
Bar war 2021 von der Vorgängerregierung ins Amt berufen worden. Seine Beziehung zu Netanjahu war bereits vor dem Hamas-Angriff angespannt. Am Donnerstag gingen in Jerusalem trotz Kälte und Regen tausende Menschen auf die Straße, auch um gegen die Entlassung Bars zu protestieren. Sie zogen vor Netanjahus Privatwohnung und vor das Parlament.
Bereits in den Tagen zuvor hatten tausende Menschen demonstriert. Die Proteste richten sich insbesondere gegen die Entscheidung, die Kampfhandlungen gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen wiederaufzunehmen, obwohl sich immer noch Geiseln dort befinden.
Auch Präsident Isaac Herzog äußerte sich ungewöhlich kritisch zum Vorgehen der Regierung. "Es ist undenkbar, die Kämpfe wieder aufzunehmen, während wir noch die heilige Mission verfolgen, unsere Geiseln nach Hause zu bringen", sagte er in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft.
"Leider sind wir Zeugen einer Reihe einseitiger Maßnahmen, und ich bin zutiefst besorgt über ihre Auswirkungen auf unsere nationale Widerstandsfähigkeit", fügte Herzog hinzu. Die Regierung forderte er auf, die Proteste mit tausenden Teilnehmern zur Kenntnis zu nehmen.
Israel hatte am Dienstag massive Luftangriffe im Gazastreifen geflogen, am Mittwoch hatte die Armee den Beginn eines neuen Bodeneinsatzes in dem Gebiet verkündet. Die israelische Regierung hatte die Wiederaufnahme der Angriffe am Dienstag als eine Reaktion auf "die wiederholte Weigerung der Hamas" bezeichnet, "unsere Geiseln freizulassen". Angaben der Hamas-Behörden im Gazastreifen zufolge wurden durch die israelischen Angriffe in den vergangenen Tagen über 500 Menschen getötet.
Die Hamas feuerte daraufhin wieder Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel. Zuvor war eine seit dem 19. Januar geltende Waffenruhe weitestgehend eingehalten worden. In der ersten Phase der Feuerpause hatte die Hamas 33 von ihr als Geiseln verschleppte Menschen an Israel zurückgegeben, darunter acht Leichen. 58 Geiseln befinden sich noch in Gefangenschaft. 34 von ihnen sollen nach Angaben der israelischen Armee tot sein.
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