Schon bald nach Amtsantritt der nächsten Regierung dürfte immerhin ein Aufreger-Thema entschärft werden: der Umgang mit Wölfen. Es ist davon auszugehen, dass noch in der ersten Jahreshälfte 2025 die bisher sehr strengen Vorschriften zum Abschuss dieser Tiere in Deutschland gelockert werden. Offen aber ist, wie stark gelockert wird.
Relativ weit soll es nach dem Willen einiger Bundesländer gehen. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben eine entsprechende Bundesratsinitiative schon für die Länderkammer-Sitzung an diesem Freitag eingebracht. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, nach einer Lockerung des Wolfsschutzes auf europäischer Ebene „die erforderlichen nationalen Rechtsänderungen vorzubereiten“, wie es in dem Text heißt. Damit sollen „dringend die Voraussetzungen für ein verantwortungsbewusstes Management des Wolfes auf nationaler Ebene geschaffen werden“.
In Brandenburg als dem wolfsreichsten Bundesland gibt es derzeit 58 Rudel – von deutschlandweit etwas mehr als 200. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte in dieser Woche laut einer Mitteilung der Potsdamer Staatskanzlei, dass „der sprunghafte Anstieg der Zahl für erhebliche Schäden bei der Weidetierhaltung“ verantwortlich sei.
Allein in Brandenburg seien 2023 insgesamt 1465 Nutztiere (meist Schafe und Ziegen) bei 358 Übergriffen getötet oder verletzt worden. Aber „die aktuellen Möglichkeiten zum Abschuss von Wölfen“, so Woidke, seien „bürokratisch“ und hätten sich „als weitestgehend untauglich herausgestellt“. Nötig sei eine „effiziente Kontrolle über die Entwicklung des Wolfsbestandes“, und dazu würden „natürlich auch Abschüsse unter klaren Regeln“ gehören. „Nur so können wir auch Akzeptanz für den Schutz des Wolfes schaffen“, sagte Woidke.
Andere Bundesländer mit vielen Wölfen signalisieren Zustimmung. In Sachsen teilte ein Sprecher des CDU-geführten Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums auf WELT-Anfrage mit: „Minister Georg-Ludwig von Breitenbuch unterstützt die Initiative aus Brandenburg ausdrücklich.“
In Bayern sagte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die Politik sei „es den Weidetierhaltern schuldig, zum Schutz ihrer Tiere schnell voranzukommen“. Dazu gehöre, „für ganz Deutschland den günstigen Erhaltungszustand des Wolfs festzustellen“. Und damit, so Kaniber weiter, „kommen wir dann auch an den Punkt, den Wolf in das Bundesjagdgesetz aufzunehmen“.
Doch wenn diese oder andere Lockerungsmaßnahmen tatsächlich kommen, könnten sich das auch andere Akteure zugutehalten. Nicht zuletzt die beiden amtierenden Bundesminister für Umwelt und für Landwirtschaft, Steffi Lemke und Cem Özdemir (beide Grüne). Die nämlich erteilten in Brüssel 2024 die deutsche Zustimmung dazu, dass die EU sich dafür einsetzte, in der Berner Konvention zur Erhaltung europäische Wildpflanzen und -tiere den Status der Wölfe von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken.
Als das geschehen war und danach die Brüsseler Kommission ankündigte, bei der Anpassung der EU-Naturschutzrichtlinie den Schutzstatus der Wölfe ebenfalls herabzustufen, begrüßte Özdemir dies ausdrücklich: „Dass der Schutzstatus des Wolfes nun auch offiziell angepasst ist, ist eine gute Nachricht für alle Weidetierhaltenden“, sagte Özdemir.
Es sei auch keine schlechte Nachricht für den Artenschutz, betonte Özdemir, denn „Schafe, Ziegen und Rinder auf der Weide“ würden „die Artenvielfalt und den Erhalt wertvoller Kulturlandschaften stärken“. Als sollten auch alle mitkriegen, wer an der Änderung des Schutzstatus beteiligt war, betonte Özdemir, dass er und Lemke sich dafür „ausdrücklich eingesetzt“ hätten.
Zunächst aber hat nun die EU-Kommission Gelegenheit, bei Kritikern der Wölfe-Ausbreitung zu punkten: Die Kommission muss jetzt eine entsprechende Änderung der Richtlinie vorlegen. Erst wenn das geschehen ist und vom Ministerrat und dem Europaparlament genehmigt wurde, ist wiederum die Bundesregierung am Zug, um nationales Recht daran anzupassen. Dann werden Özdemir und Lemke wohl nicht mehr im Amt sein.
Änderung im Bundesjagdgesetz nötig?
Wie die Ressorts künftig besetzt werden, ist offen, aber die CSU steht schon in den Startlöchern, um beim Wolfsthema im Agraressort zu punkten. Für dieses hat die CSU auch schon einen Mann aus ihren Reihen benannt: „Ich will, dass der Günther Felßner Bundeslandwirtschaftsminister wird“, sagte CSU-Chef Markus Söder kürzlich beim Politischen Aschermittwoch in Passau und meinte damit den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbands.
Felßner hatte schon 2023 in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ über Wölfe gesagt: „Ohne eine Bejagung funktioniert es nicht.“ Zwar läuft derzeit auf dem Portal „Campact“ die Petition „Kein Lobbyist als Agrarminister!“, wo sich schon mehr als 370.000 Unterzeichner gegen Felßner als Bundeslandwirtschaftsminister aussprechen. Aber so wie Söder und die CSU gestrickt sind, könnten sie das sogar als Ansporn empfinden, Felßner umso heftiger zu pushen.
Doch wer auch immer das Agrarressort dann bekommt – und wer das Umweltministerium –, hat eine rechtliche Frage noch zu klären: Müssen für eine Regulierung oder Reduzierung der Wolfsbestände wirklich Bundesgesetze geändert werden?
Dieser Ansicht sind unter anderem Brandenburg und Bayern. Aber andere Länder, etwa Niedersachsen, gehen davon aus, dass eine Änderung der EU-Naturschutzrichtlinie schon ausreichen würde. Tatsächlich haben Sachsen und Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen sowie Mecklenburg-Vorpommern ihr betreffenden Landesgesetze schon vor einigen Jahren so geändert, dass sie nach einer Änderung der EU-Richtlinie direkt damit beginnen könnten, die Wolfsbestände in besonders stark betroffenen Regionen stärker zu regulieren und gegebenenfalls zu reduzieren.
Niedersachsen hat laut einem Sprecher des dortigen Umweltministers Christian Meyer (Grüne) „bereits ein Dutzend Entnahmen von Wölfen erlaubt“, aber scheitern würden „solche Abschussgenehmigungen nicht am Bundesnaturschutzgesetz“, sondern am strengen Schutzstatus in der EU-Richtlinie. Daher sei aus niedersächsischer Sicht „vor allem das EU-Recht zu ändern, um zu einem wirksamen regionalen Wolfsmanagement zu kommen“. Der Sprecher weiter: „Eine Rechtsänderung auf Bundesebene ist dafür nicht erforderlich.“
Ausdrücklich gegen die brandenburgische Initiative wendet sich Sachsen-Anhalt, wo es mehr als 250 Wölfe in 32 Rudeln gibt. „Die Initiative weckt Erwartungen, die nach aktueller Rechtslage nicht erfüllt werden können. Deshalb wird sich Sachsen-Anhalt daran nicht beteiligen“, sagte der Umweltminister von Sachsen-Anhalt, Armin Willingmann (SPD), WELT.
Das Bundesland habe im Dezember 2024 „eine Erlasslage geschaffen, die bei Wolfsübergriffen mit Überwindung eines wolfsabweisenden Zaunes eine sofortige Einleitung einer beschleunigten Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Wolfs innerhalb von 21 Tagen im Umkreis von 1000 Metern um den auslösenden Riss ermöglicht“. Dies sei „derzeit die schnellste Reaktionsmöglichkeit bei Wolfsübergriffen mit verursachten oder vermuteten ernsten Schäden“.
Hingegen versprächen Initiativen zur Änderung des Schutzstatus „kaum schnelle Handlungsfähigkeit“, ebenso wenig eine Aufnahme der Tiere ins Jagdrecht. Willingmann: „Das wäre reine Symbolpolitik“. Auch deshalb, weil erst einmal wissenschaftlich nachgewiesen werden müsste, dass es um die Gesamtpopulation der Wölfe in Deutschland so günstig bestellt sei, dass man Bestandsregulierungen in Gang setzen könne.
Die Union im Bund aber will weitergehen: „Wölfe müssen – regional unterschiedlich – bejagt werden können“, heißt es jedenfalls im Wahlprogramm von CDU und CSU. „Dafür passen wir den Schutzstatus des Wolfs an und nehmen ihn in das Bundesjagdgesetz auf.“
Politikredakteur Matthias Kamann schreibt für WELT seit vielen Jahren über Landwirtschafts- und Umweltthemen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke