Erdogan herrscht seit mehr als 20 Jahren über die Türkei. An der Staatsspitze könnte ihn der Oppositionspolitiker Imamoglu bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 beerben. Der 53-Jährige ist für viele Hoffnungsträger für einen politischen Wandel. Nun sitzt er suspendiert von seinem Amt in Untersuchungshaft.
Ekrem Imamoglu ist der größte politische Rivale des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Doch der Langzeitpräsident scheint alles daran zu setzen, dass ihm der beliebte Bürgermeister von Istanbul nicht noch gefährlicher wird. Nach seiner Festnahme am Mittwoch wurde Imamoglu am Morgen wegen angeblicher "Korruption" in Untersuchungshaft genommen, er sitzt im Silivri-Gefängnis hinter Gittern. Zudem wurde er am Nachmittag vom Bürgermeisteramt suspendiert. Die Opposition spricht von einem "Putsch", seit Tagen gibt es Massenproteste. Der Ausgang des Machtkampfes ist offen.
Das Vorgehen der Behörden ist der vorläufige Höhepunkt einer Flut juristischer Verfahren gegen den beliebten Oppositionspolitiker der linksnationalistischen Partei CHP. Imamoglu hatte 2019 überraschend die Bürgermeisterwahl in der Metropole am Bosporus gewonnen. Die Wahl wurde annulliert, doch bei der Wiederholung drei Monate später gewann Imamoglu mit noch deutlicherem Vorsprung.
Der Sieg des CHP-Politikers war eine der schwersten politischen Niederlagen für Präsident Erdogan. Dessen islamisch-konservative AKP hatte zuvor 25 Jahre lang die Millionenstadt regiert. Und auch bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr gelang es Erdogans Regierungspartei nicht, die Stadt zurückzuerobern - Imamoglu gewann erneut.
"Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei"
Nach diesen Erfolgen bescheinigten Beobachter dem CHP-Politiker gute Chancen, Erdogan an der Staatsspitze zu beerben. "Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei", hatte Erdogan selbst einmal gesagt. Auch er hatte seine Karriere als Bürgermeister von Istanbul begonnen. Jetzt herrscht Erdogan seit mehr als 20 Jahren auf nationaler Ebene.
Für viele Türken ist Imamoglu der Hoffnungsträger für einen politischen Wandel. Der 53-Jährige tritt oft mit hochgekrempelten Ärmeln auf, er ist charismatisch, ein geschickter Redner und einer der beliebtesten Politiker des Landes.
Doch seit Jahren bremsen immer neue Strafverfahren Imamoglus politische Karriere. Bei der Präsidentschaftswahl 2023 konnte er aufgrund eines Gerichtsverfahrens wegen angeblicher Beamtenbeleidigung nicht antreten. Für Imamoglu ist der immer noch laufende Prozess nichts als "Schikane auf höchster Ebene".
Die nächste Präsidentschaftswahl steht erst 2028 an - doch schon jetzt werden Imamoglu neue Steine in den Weg gelegt. Am Dienstag erkannte die Universität Istanbul ihm den Hochschulabschluss ab, der in der Türkei Voraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur ist. Nur einen Tag später wurde der Bürgermeister bei einer morgendlichen Razzia festgenommen, jetzt kam er in U-Haft.
"Staatsstreich gegen Oppositionspartei"
Imamoglu und seine Partei verurteilen dies als politisch motivierten Versuch, den Erdogan-Rivalen kaltzustellen. Auch der Politikwissenschaftler Berk Esen von der Sabanci-Universität in Istanbul sagt, das Vorgehen sei "nichts anderes als ein Staatsstreich gegen die wichtigste Oppositionspartei, mit weitreichenden Folgen für den politischen Kurs der Türkei". Auch das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, Imamoglus Inhaftierung sei "ein schwerer Rückschlag für die Demokratie" in der Türkei. "Politischer Wettbewerb darf nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden."
Imamoglu wurde in Akcaabat an der Schwarzmeerküste geboren, als Teenager zog er nach Istanbul. Er studierte Betriebswirtschaft und arbeitete in der Bauindustrie. Bis zu seinem Überraschungssieg 2019 bei der Bürgermeisterwahl war er politisch ein Unbekannter. "Ihr habt die Tür zu einer neuen Zukunft geöffnet. Von nun an wird die Türkei ein anderes Land sein", rief er damals der jubelnden Menge zu.
"Imamoglu ist einer der wenigen Hoffnungsschimmer für Wähler, die Erdogan und die AKP ablehnen", sagt Anthony Skinner, Forschungsleiter des Beratungsunternehmens Marlow Global. Der praktizierende Muslim kann auf ein breites Spektrum von Wählern zählen. "Er kann alle Segmente der Opposition ansprechen, ob türkische, kurdische, sunnitische, alevitische, junge oder ältere Wähler", sagt Politologe Esen. Auch außerhalb Istanbuls genieße er "ein hohes Maß an Unterstützung".
Doch die nützt Imamoglu nichts, wenn er im Gefängnis sitzt. Der 53-Jährige gab sich aber nach seiner Inhaftierung kämpferisch - und optimistisch. "Ich werde mich niemals beugen", erklärte er über seine Anwälte. "Alles wird gut."
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