Nach mehreren offenbar rechtsextremistisch motivierten Gewaltvorfällen in Berlin muss sich einer der mutmaßlichen Rädelsführer einer Neonazi-Gruppe namens „Deutsche Jugend voran“ ab Dienstag vor dem Berliner Landgericht verantworten. Laut Anklage beteiligte sich der mittlerweile 24 Jahre alte Julian M. im September und Oktober vergangenen Jahres an insgesamt drei Angriffen. Außerdem soll er eine Aussteigerin mit dem Tode bedroht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bedrohung, räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und versuchten schweren Raub vor.
Das Ergebnis der Ermittlungen gegen Julian M. ist WELT bekannt. Am 13. September versuchten er und sechs mutmaßliche Mitstreiter im Berliner Ortsteil Marzahn demnach zunächst erfolglos, einem Mann ein T-Shirt mit einem Emblem der sogenannten Antifa vom Leib zu reißen. Nach zwei Faustschlägen soll der Angegriffene das T-Shirt aus Angst vor weiteren Attacken den Neonazis übergeben haben. Diese posierten den Ermittlungen zufolge wenig später in einer Kneipe mit dem T-Shirt und präsentierten es als Trophäe. Das Bild wurde in den sozialen Medien veröffentlicht.
Eine Woche nach dem mutmaßlichen Angriff schlug der angeschuldigte Julian M. laut Anklage einem weiteren Opfer, ebenfalls in Marzahn, drei- bis viermal mit der Faust gegen den Kiefer. Zwei in separaten Verfahren verfolgte mutmaßliche Mitstreiter sollen das Opfer zu Boden geschubst haben. Julian M. habe dem Mann daraufhin aufs Auge geschlagen. Einer oder mehrere Angreifer hätten ihrem Opfer zudem in den Bauch getreten, heißt es in der Anklage.
Nach Informationen von WELT ergaben die Ermittlungen, dass Julian M. sich mit diesem zweiten in der Anklage genannten Angriff nach einer privaten Auseinandersetzung an dem Opfer rächen wollte. In einer Chatgruppe soll er den später verprügelten Mann vor der Attacke für „vogelfrei“ erklärt haben. Bei der Attacke zielte M. den Ermittlungen zufolge mit einer Luftdruckwaffe auf seinen Widersacher – und drohte ihm mit den Worten: „Ich knall dich ab“.
Bei dem dritten in der Anklage aufgeführten Angriff am 19. Oktober wollten Julian M. und seine mutmaßlichen Mittäter ihrem Opfer den Ermittlungen zufolge erneut eine Jacke rauben. Auf dieser habe sich ein Aufnäher mit der Aufschrift „Antifaschistische Aktion“ befunden. Julian M. soll den Jackenträger mit der Faust zu Boden gestreckt haben. Einer seiner Mitstreiter habe dem darniederliegenden Mann mit dem Fuß ins Gesicht getreten.
Aufgrund eines Haftbefehls befindet sich Julian M. seit dem 24. Oktober in Untersuchungshaft. Nach Informationen von WELT aus den Sicherheitsbehörden ging er vor seiner Festnahme keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezog Arbeitslosengeld. Bei seiner kaufmännischen Ausbildung fiel er demnach durch die Prüfungen.
Die Gruppierung „Deutsche Jugend voran“, der Julian M. angehören soll, ist seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahres in mehreren deutschen Regionen aktiv. In den sozialen Medien inszenieren sich ihre oft sehr jungen Anhänger mit Symbolen und Parolen der Neonazi-Szene. In Berlin gehören dem harten Kern nach Informationen aus den Sicherheitsbehörden etwa zehn Personen an, der Kreis der Mitläufer und Sympathisanten sei deutlich größer, heißt es.
Julian M. gilt in der Hauptstadt-Sektion als eine Art Rädelsführer. Bei den polizeilichen Vernehmungen soll er die Vorwürfe in Teilen bestritten haben. Im Fall einer Verurteilung könnte ihm eine Haftstrafe drohen. Das Landgericht hat für den am Dienstag startenden Prozess zunächst vier Verhandlungstage angesetzt.
Mitstreiter aus der Neonazi-Szene solidarisierten sich mit Julian M.. Bei einer Demonstration am Bahnhof Ostkreuz im Berliner Stadtteil Friedrichshain zeigten sie am vergangenen Samstag ein Plakat, auf dem stand: „Freiheit für Julian“.
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