Die EU hat ihr Ziel erreicht, eine Eingreiftruppe mit 5000 Soldaten aufzubauen. Allerdings stellt sich die Frage, ob sie jemals entsandt wird. Es fehlt vor allem an Geld, aber auch an politischem Willen.
Die neue Einsatztruppe der Europäischen Union übt bereits gemeinsam für Missionen. Ob sie jedoch jemals zum Einsatz kommt, ist fraglich. Bislang sind in den EU-Töpfen nicht genügend Mittel eingeplant, um eine militärisch-strategische Kommandostruktur aufzubauen. Zudem müsste der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs einstimmig über einen Einsatz entscheiden. Und die Uneinigkeit im Rat sorgte bereits dafür, dass das Vorgängermodell der Eingreiftruppe, die sogenannten Battle Groups, nie entsendet wurde.
Für die Battle Groups beschlossen damals neun Länder, darunter Deutschland, 15 multinationale Kampftruppen mit einer Bataillonsstärke von 1500 Soldaten bis 2007 einsatzfähig zu machen. Aktiviert wurden diese Truppen kein einziges Mal. Der gemeinsame Beschluss des Rates fehlte - und damit auch der politische Wille.
Im März 2022, wenige Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, unternahm die EU einen neuen Anlauf. Sie veröffentlichte ein außenpolitisches Strategie-Papier, den "Strategischen Kompass", in dem sie sich den Aufbau einer bis zu 5000 Soldaten starken Eingreiftruppe bis 2025 zum Ziel setzte. Die damalige Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht feierte die "Rapid Deployment Capacity" (RDC) als das "militärische Herzstück" des Papiers. Nach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron pochte auch Bundeskanzler Olaf Scholz darauf, die Eingreiftruppe aufzubauen.
Nächste Übung der Eingreiftruppe findet in Ungarn statt
Da die Truppe nun tatsächlich auf Abruf bereitsteht, hat die EU die erste Etappe ihres Ziels erreicht. Zur Vorbereitung fanden 2023 in Spanien und 2024 in Deutschland gemeinsame Militärübungen (MILEX) statt. Die nächste Übung namens "MILEX 25/EU RDC Live Exercise" wird spätestens Anfang April dieses Jahres in Ungarn stattfinden. Der Zeitplan für die Eingreiftruppe ist auf einige Jahre im Voraus festgelegt und reicht derzeit bis Ende 2030. Die teilnehmenden Länder wechseln jährlich, ein Mitgliedstaat übernimmt jeweils die Führung.
Für einen Einsatz braucht die Eingreiftruppe aber nicht nur Soldaten, sondern auch eine militärisch-strategische Führung. Dafür ist eigentlich der sogenannte "Militärische Planungs - und Durchführungsstab" (MPCC) zuständig, der bereits 2017 ins Leben gerufen wurde. An den Fähigkeiten des MPCC in seiner aktuellen Form gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Der MPCC sei "ohne ein erhebliches Aufstocken des Personals und der Ressourcen" gar nicht in der Lage, "die Kommando- und Kontrollstruktur für die Schnelle Eingreiftruppe" zu übernehmen, sagt David McAllister, Vorsitzender des EU-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, ntv.de.
Erstens sei eine Aufstockung des Personals geplant, jedoch nicht im erforderlichen Umfang, kritisiert der CDU-Politiker. Interessanterweise decke sich die nun genehmigte Anzahl von Dienstposten genau mit der Anzahl der im vorgesehenen Gebäude verfügbaren Büros für den MPCC in Brüssel - möglicherweise ging es also nicht nach objektiven Notwendigkeiten, sondern mehr nach dem, was halt so geht. Zweitens stehe zwar ein Umzug von der Avenue Cortenbergh 150 in die Rue d'Arlon bevor, doch das neue Gebäude sei ebenfalls zu klein, um genügend Mitarbeitern Platz zu bieten. Und drittens verfüge der MPCC weder im alten noch im neuen Haus über eine sichere Kommunikationsinfrastruktur. Generell gebe es keine "sicheren Kommunikations- und Sicherheitssysteme zwischen den verschiedenen Führungsebenen, Streitkräften und zivilen Partnern sowie den truppenstellenden Staaten", so McAllister. Diese Systeme würden derzeit "auf Ad-hoc-Basis" bereitgestellt.
Truppe kommt nur für Missionen außerhalb Europas infrage
Um die Mängel zu beheben, müsste das Budget der Europäischen Friedensfazilität, einem Sonderetat für EU-Kriseneinsätze, durch die Mitgliedstaaten aufgestockt werden. Das steht allerdings bislang nicht zur Debatte. Zudem besteht erneut die Gefahr, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs sich nicht einmal darauf einigen können, wo und wie die Eingreiftruppe eingesetzt wird. Hier sieht McAllister einen Ausweg: Kooperationswillige Mitgliedstaaten könnten die Truppe außerhalb des EU-Rahmens einsetzen. Die Eingreiftruppe wäre dann ein rein zwischenstaatliches Projekt, bei dem die Länder mit den nötigen Kommandostrukturen die Führung übernehmen würden. Brüssel wäre bei der Planung außen vor, es gebe auch kein Geld aus der EU.
Zudem sind den Möglichkeiten für Missionen einer Truppe mit nur 5000 Mann enge Grenzen gesetzt. Ihre Entsendung macht nur für spezielle Missionen außerhalb Europas Sinn. "Es handelt sich bei der EU-Eingreiftruppe ausschließlich um leichte Infanterie, darunter Gebirgs- und Fallschirmjäger. Sie könnte etwa zum Einsatz kommen, falls in der wiedereröffneten deutschen Botschaft in Syrien Diplomaten entführt werden", sagt der Politologe Herfried Münkler ntv.de. Für die Landesverteidigung sei hingegen eine Panzerabwehr- und Feuerunterstützungskompanie vonnöten, die gemeinsam mit der Marine und der Luftabwehr arbeite.
Aufgrund ihrer beschränkten Einsatzmöglichkeiten gibt es innerhalb der EU auch heftige Kritiker, die den Sinn der Eingreiftruppe grundlegend anzweifeln. Riho Terras, ehemaliger estnischer General und Vize-Vorsitzender des EU-Verteidigungsausschusses, wittert Geldverschwendung. "Die Eingreiftruppe kann nur für spezielle Missionen genutzt werden und wird aufgrund des mangelnden politischen Willens im Rat vermutlich sowieso nicht eingesetzt, während die Verantwortlichen und Soldaten hohe Gehälter kassieren", sagt Terras ntv.de. Es sei sinnvoller, die Nato als bereits bestehende Plattform mit allen vorhandenen Strukturen zu nutzen, um darin die europäische Verteidigung eigenständiger zu organisieren. Lücken innerhalb der Nato könnten dann von Europa geschlossen werden, so Terras.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke