Der Virologe Hendrik Streeck wurde während der Corona-Pandemie zum Promi, nun sitzt er für die CDU im Bundestag. Dort fordert er eine Aufarbeitung der Corona-Zeit - vielleicht direkt als Gesundheitsminister?

Es gibt so Tage, an denen möchte man wieder Kind sein. Der erste Tag als Berufspolitiker ist für Hendrik Streeck so einer. Obwohl sich die konstituierende Sitzung des neugewählten Bundestags und damit auch Streecks Premiere als Abgeordneter für ihn "ein bisschen" wie der erste Schultag anfühlt, hat er zum Start keine Schultüte bekommen. "Leider nicht. Auch keinen Apfel, wie das ja bei Lehrern eigentlich üblich ist", so der CDU-Politiker im Frühstart von RTL und ntv.

Vor fünf Jahren ging Deutschland in den ersten Lockdown. Für Streeck, Hochschullehrer und Leiter der Virologie in Bonn, war es der Moment, in dem er zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden ist. Und gleichzeitig sein Werdegang als Politiker begann. "Die Corona-Pandemie hat mich politisch gemacht", sagt er heute. "Ich hatte das Gefühl, dass in vielen Bereichen Menschen nicht mehr zugehört wurde", kritisiert er und spricht von einer "schlechten Debattenkultur". Auch gegenüber seiner eigenen Person. "Ich stand da ganz häufig an der Abbruchkante unserer gesellschaftlichen Debatte und habe dagegengehalten."

Streeck war, anders als Virologie-Kollegen wie Christian Drosten aus Berlin, nicht der Meinung, dass die flächendeckenden Schulschließungen der richtige Weg sind. Dass er jetzt in den Bundestag eingezogen ist, sei auch ein Zeichen dafür, dass man in Deutschland Debatten führen und sich in die Demokratie einbringen könne, sagt er. Streeck gewann seinen Wahlkreis in Bonn direkt. 33 Prozent der Bonnerinnen und Bonner gaben dem Professor ihre Erststimme.

Streeck: "Ich konnte aus der Klinik direkt berichten"

Doch für ihn heißt das auch, von vorne anzufangen. Seine Fraktion bereitet Frischlinge wie Streeck intensiv auf die Zeit im Parlament vor. "Wir haben ab Mittwoch drei Tage Bootcamp, in dem wir den Bundestag beigebracht bekommen", erzählt er. Auf dem Programm steht unter anderem ein Social-Media-Training mit dem Unionspolitiker Philipp Amthor und eine Unterrichtung durch den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Thorsten Frei über den parlamentarischen Betrieb. Streeck gibt zu: "Es sind ja schon ein paar Dinge, in die man sich so ein bisschen reinfinden muss." Alleine die Orte und die Computersysteme kennenzulernen, nehme Zeit in Anspruch.

Teil der Regierungsbildung ist er aber bereits. Streeck wirkte in der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege mit. Er habe sich geehrt gefühlt, dabei zu sein. Die Stimmung beschreibt der Virologe als "insgesamt sehr konstruktiv und pragmatisch". Man habe sich gut verstanden. Streeck sagt von sich selbst, er habe in die Gespräche "einen ganz anderen Blick reingebracht".

"Ich konnte aus der Klinik direkt berichten, wie bestimmte Dinge laufen, und daran dann auch Lösungen erarbeiten", so Streeck.

Personalfragen sollen erst am Ende geklärt werden, trotzdem spekuliert das politische Berlin bereits darüber, wer als Minister der zukünftigen Regierung angehören wird. Bei Streecks Ehrgeiz und der Prominenz ist eigentlich kaum denkbar, dass er sich mit der Rolle als kleiner Hinterbänkler zufriedengibt. Greift er also direkt nach den ganz großen Posten - als künftiger Gesundheitsminister Hendrik Streeck? Das stehe überhaupt nicht zur Debatte. "Ich kann ja noch nicht mal sagen, in welchen Ausschuss ich kommen würde", beschwichtigt er. Und trotzdem ist für ihn klar, dass er sich für Gesundheit einsetzen möchte.

Man müsse aus der Pandemie "Lehren ziehen"

Doch was wäre, wenn sich Friedrich Merz melden und ihm den Posten anbieten würde? Streeck lächelt. Und bleibt diplomatisch: "Ja, wenn er fragt ..." Ein Dementi ist das nicht. Er gehe aber davon aus, dass die SPD Interesse hat, das Gesundheitsministerium weiterzuführen. Gleichzeitig kritisiert er den amtierenden Gesundheitsminister: "Herr Lauterbach hat häufig gute Ideen. Aber eine gute Diagnose ist noch keine gute Therapie." Und daran hapere es meistens.

Streeck wurde durch Corona bekannt - und will mehr über die Corona-Krise im Parlament sprechen. Auf die Frage, ob es einen U-Ausschuss im Bundestag geben müsse, antwortete er: "Ja, ich glaube, wir brauchen eine Aufarbeitung der Pandemie." Dabei gehe es nicht unbedingt darum, mit dem Finger auf einzelne Personen zeigen und ein Anklageverfahren zu haben. Man müsse aus der Pandemie "Lehren ziehen".

Dafür sei es notwendig, diese Pandemie auch als Stellvertreter für alle möglichen Arten von Krisen verstehen, die zu einer gesellschaftlichen Spaltung führen können. "Die Wissenschaft spielt eine wichtige Rolle in der Beratung der Politik", so Streeck. Dafür fordert er einen wissenschaftlichen Chefberater im Kanzleramt.

Für die Aufarbeitung kann er sich aber auch andere Wege vorstellen. Hier nennt er als Beispiel eine Enquete-Kommission oder eine wissenschaftliche Aufarbeitung direkt im Gesundheitsministerium. "Es gibt viele Wege, wie man eine Aufarbeitung machen kann", so Streeck.

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