Nach mehr als drei Jahren Krieg sitzt Russland endlich am Verhandlungstisch - allerdings mit den USA, nicht mit der Ukraine. Das Ergebnis dürfte wenig zufriedenstellend sein, da sind sich Strack-Zimmermann und van Aken weitgehend einig. Über die Konsequenzen für Europa allerdings nicht.
Ein europäisches Land könnte ein nächstes Ziel für das russische Großmachtstreben werden. Ob in einem solchen Fall die USA Europa beistehen wird, ist unklar. In Deutschland gibt es sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich Europa vor einem zu erwartenden russischen Angriff schützen wird. Darüber diskutieren bei Sandra Maischberger in der ARD die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die inzwischen im Europäischen Parlament ist, und der Linken-Vorsitzende Jan van Aken. Die FDP-Politikerin ist klar in ihrer Ansicht: Diplomatische Verhandlungen mit Russland hat sie bislang abgelehnt, weil Russlands Präsident Putin dazu nicht bereit war. Diese Bereitschaft kann auch van Aken nicht erkennen. Dennoch lehnt er eine deutliche Erhöhung des europäischen Verteidigungshaushalts ab.
Strack-Zimmermann ist für eine Wiederbewaffnung und für eine europäische Aufrüstung. Das Ziel müsse jedoch sein, irgendwann auch wieder abzurüsten. In einem Punkt sind sich beide Politiker einig: Sie trauen der aktuellen US-Politik weniger als vor Donald Trump. Der wolle die Welt unter den drei Supermächten USA, Russland und China aufteilen, so van Aken. Darum beunruhigen Strack-Zimmermann auch die im Moment laufenden Verhandlungen für ein Ende des Ukrainekrieges. Dort würden nur die Unterhändler von Trump und Putin am Verhandlungstisch sitzen, wobei die Administration Russlands deutlich intelligenter, klüger und raffinierter handele. "Es läuft darauf hinaus, dass sich die die Welt schon aufteilen wollen. Und diese Aufteilung betrifft nicht nur die Ukraine, sondern auch unseren europäischen Kontinent, über den beide weggehen. Insofern ist das schon sehr, sehr ernst, was da passiert."
China zu spät eingebunden
Van Aken gehörte zu denen, die sich jahrelang für Friedensverhandlungen für die Ukraine eingesetzt haben. Trump verhandelt jetzt. "Aber wie er das macht, ist natürlich überhaupt nicht richtig", kritisiert der Linken-Chef. Am Dienstag sei keine Waffenruhe im Schwarzen Meer verhandelt worden. "Das ist eine Waffenruhe im Schwarzen Meer - wenn die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden." Zudem solle die Waffenruhe nur für dreißig Tage gelten. "Russland würde eine Sanktionsaufhebung bekommen für dreißig Tage Waffenruhe. Das ist keine Verhandlung, sondern das ist: 'Nehmt Euch, was Ihr wollt, wir nehmen uns, was wir wollen.' Das ist etwas ganz anderes als das, was wir immer gefordert haben."
Strack-Zimmermann befürwortet Friedensverhandlungen grundsätzlich. "Dagegen kann und sollte man nicht sein", so die FDP-Spitzenpolitikerin. Allerdings habe Trump Putins Bedingungen schon angenommen, bevor er in die Verhandlungen eingestiegen sei: "Die Krim ist weg, die Ostukraine auch, und die Sicherheitsgarantien für die Ukraine wie einen Nato-Beitritt hat Trump abgeräumt." Putin sei der Stratege, der die amerikanischen Marionetten am Faden habe. "Das ist schon schrecklich."
Europa habe in den letzten Jahren einen entscheidenden Fehler gemacht, indem man nie auf die Friedensvorschläge von Russlands wichtigstem Verbündeten eingegangen sei, und das sei China gewesen, kritisiert van Aken. Strack-Zimmermann sieht das anders. China habe in der Frage möglicher atomarer Angriffe Russlands auf europäische Ziele zwar eine konstruktive Rolle gespielt, als es Russland diese Angriffe quasi untersagt habe. "Ich glaube allerdings, diese friedenstheoretischen Ansätze lassen eines außer Acht: Putin will die Ukraine von der Landkarte streichen. Das hat er immer gesagt, das ist immer noch Status quo. Das heißt: Wenn ein Land ein anderes überfällt, im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen verschiebt, dann bin ich der Meinung, dass man die Ukraine unterstützen sollte, wirtschaftlich, humanitär, auch militärisch. Da sind wir unterschiedlicher Meinung."
Aufrüstung für Europa?
Die möglichen Ergebnisse bei den aktuellen Friedensverhandlungen könnten Europa militärisch zu einem neuen russischen Opfer machen, befürchten Militärstrategen. So könne Russland 2028 oder 2029 in der Lage sein, ein europäisches Land militärisch anzugreifen. "Das ist Voodoo", sagt van Aken, der diese Jahreszahl in Zweifel zieht: "Nur, weil das Militär das erzählt, muss man das nicht glauben."
Strack-Zimmermann stellt fest, dass Russlands Armee durch den Krieg gegen die Ukraine gebunden sei. Russland habe seine gesamte Wirtschaft auf Kriegswirtschaft ausgerichtet. "Insofern kann man auch militärisch berechnen, wann so etwas stattfindet, und außerdem haben wir auch Geheimdienste", so Strack-Zimmermann.
Unterschiedlicher Ansicht sind die beiden Kontrahenten auch in der Frage, wie viel Geld Europa für seine Verteidigung braucht. Van Aken möchte, dass die Kosten dafür aus dem Bundeshaushalt getragen werden, was Deutschland betrifft. "Es geht nicht um die Landesverteidigung", antwortet Strack-Zimmermann. "Wir wären nicht in der Lage, die Bundesrepublik selbst zu verteidigen, wie in Europa kein Land in der Lage ist, sich selbst zu schützen." Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten alle europäischen Länder wichtige Waffensysteme verkauft, veräußert und verschenkt. Europa müsse mehr Geld für die Rüstung in die Hand nehmen, um erst einmal eine Basis zu schaffen. "Das haben wir in den letzten Jahren nicht geschafft."
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