Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat am Dienstag seinen Rückzug erklärt und den bisherigen Wirtschaftsminister Olaf Lies als Nachfolger vorgeschlagen. Der 66-jährige Weil, der in Niederachsen seit 2013 regiert, begründete seinen Schritt mit seinem Alter, schwindender Energie und Schlafstörungen.

„Ich bin 66 Jahre alt – und ich merke das auch“, sagte der SPD-Politiker. Er spüre eine Veränderung bei sich im Vergleich zu den Vorjahren. Den jüngsten Bundestagswahlkampf etwa habe er als besonders kraftraubend empfunden. „Ich habe den Eindruck, es ist Zeit, kürzerzutreten.“ Außerdem wolle er ergänzen, dass er „leider eben wie viele andere Menschen auch unter Schlafstörungen leide“. Er habe den SPD-Gremien am Dienstag Lies als Nachfolger vorgeschlagen.

Weils Rückzug ist für die SPD in Niedersachsen eine Zäsur: Er ist bereits seit Anfang 2012 SPD-Landeschef und seit Anfang 2013 Ministerpräsident. Weil ist damit der drittdienstälteste Regierungschef hinter Reiner Haseloff (CDU/Sachsen-Anhalt) und Winfried Kretschmann (Grüne/Baden-Württemberg). Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover.

Spekulationen, Weil könnte das Amt als Regierungschef vorzeitig übergeben, um seinem Nachfolger vor der nächsten Landtagswahl einen Amtsbonus zu verschaffen, hatte es seit Jahren gegeben. Weil wies die Gerüchte aber lange zurück. Sollte seine Gesundheit es zulassen, wolle er bis zu den Landtagswahlen 2027 im Amt bleiben, hatte er mehrfach gesagt. Die CDU warf ihm deshalb vor einigen Tagen schon vorsorglich einen Wortbruch vor, sollte er sich trotzdem zurückziehen.

Weil müsse entweder zu seinem Wort stehen und bis 2027 im Amt bleiben – „oder aber Sie machen den Weg frei für Neuwahlen“, forderte Niedersachsens CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner im Landtag.

Lies: „Neuwahlen sind kein Thema“

Lies kündigte an, angesichts des Wechsels an der Regierungsspitze auf Kontinuität zu setzen. „Neuwahlen sind überhaupt kein Thema“, sagte der SPD-Politiker. Die aktuelle Legislaturperiode der rot-grünen Koalition werde fortgeführt.

Ein Wechsel an der Regierungsspitze sei in Ordnung, solange man demokratisch damit umgehe und den Wechsel erkläre, sagte Lies. Sein Ziel für die nächsten zweieinhalb Jahre sei: „Menschen wieder davon zu überzeugen, dass Demokratie etwas Gutes ist und bewegt.“ Er wolle die demokratischen Kräfte einen und gesellschaftliche Herausforderungen im Miteinander der Demokraten angehen – auch im Parlament. „Das ist mein großer Wunsch“, sagte Lies.

Der Führungswechsel in Hannover fällt für die Sozialdemokraten in eine Zeit des Umbruchs nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl 2025. Parteichef Lars Klingbeil hatte noch am Wahlabend einen Generationenwechsel angekündigt. Erstes Beispiel: die neue Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb, 38 Jahre alt.

Der niedersächsische Landesverband ist nach Nordrhein-Westfalen traditionell einer der mächtigsten in der SPD und prägt die Richtung der Partei maßgeblich mit. Mit Parteichef Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil, dem beliebten Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalsekretär Matthias Miersch sind gleich vier Spitzen-Sozialdemokraten hier groß geworden.

Auch bei Wahlen ist Niedersachsen für die SPD eine Bank: Sie schneidet dort regelmäßig besser ab als bundesweit. Bei der Landtagswahl 2022 fuhr sie mehr als 33 Prozent ein – Werte, von denen die SPD im Bund nur noch träumen kann. Weil agierte dabei häufig als Brückenbauer zwischen der Landes- und Bundespolitik, auch wenn er keine Führungsrolle in der Bundes-SPD hat.

Wer ist Olaf Lies?

Der 57-jährige Lies war bereits von 2010 bis 2012 Landeschef der SPD und hatte schon damals das Ziel, in die Staatskanzlei einzuziehen. Vor der Wahl 2013 musste er sich in einem Mitgliederentscheid über die SPD-Spitzenkandidatur aber knapp Weil geschlagen geben. Zwölf Jahre als Minister später könnte er nun doch noch Regierungschef werden.

In allen drei Regierungen von Weil war Lies ein wichtiger Teil des Kabinetts: erst als Wirtschaftsminister, dann als Umweltminister, und seit 2022 erneut als Wirtschaftsminister. Während der gesamten Zeit galt er als eine Art Kronprinz. Einmal wäre der ungeschriebene Plan vom Wechsel in die Staatskanzlei jedoch fast zerplatzt: Im Sommer 2019 hatte Lies ein hoch dotiertes Angebot des Energie-Lobbyverbands BDEW vorliegen, neuer Hauptgeschäftsführer zu werden – und kam ins Grübeln.

Weil sagte zu der Episode später, Lies habe sich „aus freien Stücken und aus guten Gründen“ für einen Verbleib in Niedersachsen entschieden. Möglich, dass Weil ihm damals die Amtsübergabe versprach. Lies behielt weiter großen Einfluss innerhalb der Partei. So war der mittlerweile 57-Jährige gerade erst an den laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund als Leiter der SPD-Arbeitsgruppe für Energie und Klima beteiligt.

Wäre Weil die gesamte Wahlperiode über Regierungschef geblieben, hätte er den Rekord von Ernst Albrecht (CDU) für die längste Amtszeit eines Ministerpräsidenten in Niedersachsen knapp überbieten können. Albrecht – der Vater von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – regierte das Land von 1976 bis 1990.

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