Der Lotse geht von Bord: Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil tritt zurück. Freiwillig. Ohne von Skandalen zu getrieben zu sein. Nicht, weil er im Machtkampf in der eigenen Partei unterlegen wäre. Nicht aus Krankheitsgründen. Vielleicht war er in seiner dritten Legislaturperiode als Ministerpräsident ein wenig amtsmüde.
Für die SPD ist das ein schwerer Schlag. Weil ist ein erfahrener Politikprofi. Er zählt zu den dienstältesten Regierungschefs in den Bundesländern nach Reiner Haseloff (CDU) in Sachsen-Anhalt und Winfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg. Weil hat ohne großes Aufsehen in Niedersachsen regiert und die SPD-geführten Länder in den Verhandlungen mit dem Bund koordiniert. Er plädierte stets für Maß und Mitte – erdverwachsen und seiner Partei stets feste Burg und Wehr, wie die Niedersachsenhymne das Land im Norden beschreibt.
Weils Wort hat in der Partei Gewicht, obwohl oder gerade weil er nicht nach Einfluss und Ämtern in der Bundesregierung drängte. Der 66-Jährige war und ist ein beruhigendes Gegengewicht zu irrlichternden, nach Wokeness und dem Zeitgeist schielenden Parteifreunden. Die die SPD zu einer Mischung aus Grünen und Fridays for Future machen wollen und damit von einer Wahlniederlage zur nächsten taumeln, um zuletzt bei der Bundestagswahl bei kläglichen 16,4 Prozent aufzuschlagen – dem schlechtesten Ergebnis der SPD bei einer solchen Wahl.
Weil wird fehlen – und trotzdem hat sein Abgang zum jetzigen Zeitpunkt einen schalen Beigeschmack. Denn er ist von Parteitaktik getrieben.
Eigentlich dauert Weils Amtszeit noch bis 2027, aber er macht den Weg vorzeitig frei, um einem SPD-Mann einen Startvorteil für die kommende Landtagswahl zu verschaffen. Mitte Mai soll der bisherige Landeswirtschaftsminister Olaf Lies als Ministerpräsidentenkandidat nominiert werden.
Der 57-jährige Lies könnten so mit einem Amtsbonus in die Landtagswahl 2027 gehen. Erst die Partei, dann das Land also.
Ist eine vorzeitige Staffelübergabe wie diese legal? Sicher.
Ist sie legitim? Darüber kann man streiten.
Weils Auftrag vom Wähler ist bis 2027 gültig
Es gibt eine ganze Reihe vorzeitiger Rücktritte von Ministerpräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik. Es gibt die Fälle, in denen nachvollziehbar die Kraft zu Ende war, wie bei der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Eine andere Kategorie ist die Personalie Erwin Teufel (CDU). Der ging 2005 als Ministerpräsident von Baden-Württemberg, weil er in seiner Partei erheblich in der Kritik stand. Bei Weil trifft das nicht zu. Und am Ende seiner Kraft ist er auch nicht, wie sein übervoller Kalender für Delegationsreisen zeigt.
Weil reiht sich ein in die Riege damaliger Ministerpräsidenten wie Johannes Rau (SPD) in Nordrhein-Westfalen und Manfred Stolpe (SPD) in Brandenburg, die vorfristig Platz machten, weil sie nicht mehr kandidieren, aber der eigenen Partei mit einem innerparteilichen Nachfolger bei der kommenden Wahl einen Vorteil durch Amtsbonus verschaffen wollten.
Nun wählen die Bürger bei einer Landtagswahl nicht direkt ihren Ministerpräsidenten. Das tut der Landtag. Aber die Niedersachsen, die SPD gewählt haben, werden das in vielen Fällen auch oder gerade wegen des Amtsinhabers getan haben, wie das in anderen Bundesländern auch oft der Fall sein dürfte. Landtagswahlen sind Personenwahlen. Auch für die Landesebene gilt: Regierungen werden nicht gewählt, sondern abgewählt. Wer sich im Amt keine wirklich großen Fehler leistet, wer bekannt ist im Land, hat einen kostbaren Vorteil.
Nun hatte Weil aber einen Wählerauftrag bei 2027. Und den sollte er erfüllen. Nur dann treten alle Kandidaten, die neu antreten, mit vergleichbaren Chancen an.
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