Im neuen Trendbarometer von RTL und ntv steht die Union nur noch einen Punkt vor der AfD. Letztere ist so stark wie nie zuvor. Es ist ein Alarmsignal für die künftige Regierung - aber wie immer machen Fußballvergleiche Hoffnung.
Eine große Überraschung sind diese Umfragewerte nicht. Schon in den vergangenen Wochen deutete sich der Trend an: Für die Unionsparteien geht es abwärts, für die AfD aufwärts. Dennoch ist das neue Trendbarometer von RTL und ntv ein Schock für alle, die eine starke Mitte der demokratischen Parteien wollen. CDU und CSU stehen nur noch bei 25 Prozent und nur einen Punkt dahinter folgt schon die AfD. Mehr noch: Union und SPD hätten keine Mehrheit mehr, wenn an diesem Sonntag gewählt würde.
Angaben zur Wählerwanderung macht das Meinungsforschungsinstitut Forsa nicht, doch viele Wähler dürften von CDU/CSU zur AfD und den Nichtwählern gewechselt sein. Denn abgesehen vom Minus bei der Union und dem Plus bei der AfD gab es keine Bewegung bei den anderen Parteien. Lediglich die Zahl der Unentschlossenen und Nichtwähler wuchs ebenfalls leicht an.
Die Gründe für die Unzufriedenheit mit der Union liegen ebenso nahe. Vor der Wahl gaben Friedrich Merz und Markus Söder leidenschaftliche Bekenntnisse zur Schuldenbremse ab und beteuerten, Deutschland habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Dann verschwanden sie in einem Raum mit Lars Klingbeil und Saskia Esken und kamen mit einer gelockerten Schuldenbremse und einem Sondervermögen für Infrastruktur über 500 Milliarden Euro wieder heraus.
Wenig überzeugende Begründung
Die Begründungen von CDU und CSU überzeugen allenfalls halbwegs. Sie führen den Vorfall im Weißen Haus an, als Präsident Donald Trump den Ukrainer Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras herunterputzte. Ebenso nennen sie die atemberaubende Rede von Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Zweifellos waren das Schockmomente. Dass die Trump-Präsidentschaft schlimmer gestartet ist, als befürchtet - das kann man schon sagen. Zumal er auch mit seinen Zoll-Drohungen ernst macht.
Aber dass es in diese Richtung gehen würde, das musste allen klar gewesen sein, auch Merz und Söder. Ebenso war klar, dass im Verteidigungshaushalt ab 2027, wenn das bisherige Sondervermögen ausgegeben sein wird, rund 30 Milliarden Euro pro Jahr fehlen würden, um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erreichen. Ebenso klar war, dass das Zwei-Prozent-Ziel bald durch ein Drei-Prozent-Ziel ersetzt werden könnte. Was die Verteidigungsausgaben noch einmal in die Höhe schießen lassen würde.
Ebenso klar war vor der Wahl, mit wem die Union regieren würde: mit SPD oder Grünen. Dass mit denen keine Brachial-Einsparungen möglich sein würden, war ebenso klar. Ehrlicher wäre gewesen, der Bevölkerung zumindest in Sachen Verteidigung reinen Wein einzuschenken. Also anzukündigen, dass da etwas passieren muss. Zum Beispiel ein erweitertes Sondervermögen für die Bundeswehr oder eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse.
Das hätte zwei Vorteile gehabt: Die Wende, die Merz hinlegte, hätte nicht so gewirkt, als ob man Friedrich Merz gewählt, aber Saskia Esken bekommen hat, wie FDP-Chef Christian Lindner in seiner letzten Bundestagsrede ätzte. Die Wählerinnen und Wähler hätten geahnt, wo die Reise hingeht.
Der zweite Vorteil: Man hätte sich nicht komplett ans Messer von Alice Weidel geliefert. Die tönte vor der Wahl stets: Wer CDU wählt, bekommt Rot oder Grün. Dieser Eindruck drängt sich nun auf, auch wenn das frühestens nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen zu beurteilen ist. Aber die großen Grundgesetzänderungen sind nun einmal gewaltige Entscheidungen, und die entsprechen im Wesentlichen dem, was SPD und Grüne forderten - und dem, was Merz aufs Schärfste ablehnte: im großen Stil neue Schulden machen. Die lassen sich zwar gut begründen, aber wer den CDU-Botschaften im Wahlkampf geglaubt hatte, muss sich einfach wundern. Die Strategie "Im Wahlkampf ist die Botschaft Union pur und nachher schauen wir mal" hat jedenfalls nicht funktioniert.
Hoffnungsmoment Fußball
Auf einer Pressekonferenz Anfang vergangener Woche hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann einen Fußball-Vergleich bemüht: Er erinnerte an die WM 2014, als Deutschland das Achtelfinale gegen Algerien nur mit Mühe und Not gewann. Am Ende wurde Deutschland trotzdem Weltmeister. Was er sagen wollte: Auch wenn der Start mies war, kann ein Turnier noch richtig gut enden. Was für Weltmeisterschaften gilt, kann genauso für Legislaturperioden stimmen. Insofern ist es gut, dass diese Rückschläge am Anfang der Regierungszeit kommen. Ein frühes Gegentor ist nicht das Ende der Welt und der damals vielbeschworene Zauber des Neuanfangs zu Beginn der Ampel hat die Koalition auch nicht lange getragen.
Erkennbar wollen die Unionsvertreter nun nachweisen, dass sie sich eben nicht von der SPD an die Wand verhandeln lassen. Beim Thema Migration und Steuersenkungen machen sie Druck. Doch, auch das zeigte das Trendbarometer, am meisten treibt die Menschen in Deutschland die Wirtschaft um.
Die gute Nachricht: Mit dem Sondervermögen Infrastruktur hat die Regierung noch immer die Chance, die Wirtschaft anzuschieben - die Energiepreise runterzubringen, die Bahn pünktlicher zu machen und nicht nur die Bautätigkeit auf Trab zu bringen. Folgen die wichtigen Bürokratie-Reformen, kann daraus etwas Großes werden. Zumal selbst die große Mehrheit der Unionsanhänger laut Trendbarometer nichts gegen das Sondervermögen hat. Da kann man ganz weit hinten Licht am Ende des Tunnels erkennen. Doch die Zeit drängt. Merz möchte sicher nicht der Kanzler werden, in desen Regierungszeit die AfD stärkste Kraft wurde.
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