Schlag gegen die Organisierte Kriminalität in der Hauptstadt: Um 13.30 Uhr rückte die Polizei in eine Cocktailbar in Schöneberg an, durchsuchte den Laden und beschlagnahmte zwei Glücksspielautomaten. Mehrere Beamte verluden sie in einen Lkw der Polizei.
Der Grund: Der Vermieter der Automaten hatte mehrere Bußgeldbescheide ignoriert, keine Steuern abgeführt. Trotzdem waren die Geräte weiter betrieben worden. Insgesamt ging es um 160 Automaten, die die Polizei an mehreren Orten einzog. Den Einsatz hatten die Berliner Bezirke sowie die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz im Verbund mit der Amtsanwaltschaft organisiert.
Am Tatort beobachtete Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg die Aktion. Die promovierte Juristin, früher Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, steht unter Polizeischutz. Sie will die organisierte Kriminalität jetzt effektiver bekämpfen. In Polizeikreisen heißt es zwar, dass der Kampf gegen die Clans und Banden in der Hauptstadt längst verloren sei. Doch die CDU-Politikerin möchte sie genau dort treffen, „wo es weh tut.“ Bei den exorbitant hohen Gewinnen. „Denn Geld ist der Motor der organisierten Kriminalität“, sagte Badenberg WELT.
Deshalb erhöht sie den Verfolgungsdruck auf die Clans und Banden. Ihr Ziel: Mafiöse Strukturen bei Gewerbekontrollen schneller erkennen, illegale Gewinne erfolgreicher abschöpfen. „Ein Schwerpunkt liegt beim Verkauf illegaler E-Zigaretten, bei Lieferdiensten und dem Aufstellen von Spielautomaten“, erklärte Badenberg. Damit würden Clans und Banden ihre „klassischen Geschäftsfelder“ wie Drogen-, Waffen- und Menschenhandel sowie Überfälle auf Geldtransporter, Juweliere und Einbrüche in Museen erweitern. Neuerdings verkauften die Clans auch E-Zigaretten im Umfeld von Schulen.
Badenbergs neuer Hebel zur Bekämpfung der „OK“: Sie hat ein Modellprojekt gestartet, um Ordnungswidrigkeiten besser zu ahnden und mehr illegal erzielte Gewinne einkassieren zu können. Statt Bußgeldbescheiden sollen nun die Ordnungsämter verstärkt sogenannte Einziehungsbescheide erlassen. Mit diesem Instrument, das laut Badenberg bislang noch zu selten zum Tragen kommt, soll das gesamte illegal erlangte Vermögen erfasst werden. Bei Bußgeldbescheiden hingegen können sich die Straftäter diverse Kosten anrechnen lassen.
In ihrem Amtszimmer nennt Badenberg ein Beispiel: Für einen illegal aufgestellten Spielautomaten werde ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro fällig. Denn die Automatenbetreiber könnten Mietzahlungen für die Geräte, den Standplatz, Wartungs- und Energiekosten abziehen. Nach Angaben der Senatorin gelingt es dem Staat mithilfe eines Einziehungsbescheids hingegen den gesamten Umsatz einzuziehen, der mit dem Automaten illegal erwirtschaftet werde. Für ein Jahr seien das rund 100.000 Euro.
Seit dem Start des Modellprojekts wurde laut Badenberg durch rechtskräftige „Einziehungsbescheide“ bei Ordnungswidrigkeiten Vermögen in Höhe von 172.500 Euro rechtskräftig eingezogen. Weitere solche Bescheide in Höhe von 310.000 Euro befänden sich im „Gerichtsgang“ und die Ordnungsämter würden noch Bescheide mit einem Volumen von zwei Millionen Euro vorbereiten. „Das ist der richtige Weg, den wir weiter beschreiten müssen", sagte Badenberg. Alle zwölf Bezirke der Hauptstadt wollen mitwirken.
Landgericht ordnete im Fall Remmo Einziehung von Immobilien an
Wie schwer sich der Staat damit tut, Immobilien einzuziehen, zeigt das Beispiel der 77 Immobilien, die dem Remmo-Clan zugerechnet werden. Denn Eigentum ist in Deutschland besonders geschützt. Im Juli 2018 hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Immobilien beschlagnahmt. Doch die Mühlen des Rechtsstaats mahlen langsam: Seitdem laufen mehrere Prozesse. Nun gibt es eine vorläufige Entscheidung für 58 der Immobilien. Das Landgericht Berlin ordnete deren Einziehung in Berlin und Brandenburg an. Die Grundstücke liegen in den Berliner Bezirken Mitte und Neukölln sowie in Großbeeren und Mahlow im Brandenburger Landkreis Teltow-Fläming. Rechtskräftig ist laut Badenberg bislang aber erst die Einziehung von zwei Immobilien. Für den Rest laufen momentan noch Rechtsmittelverfahren der Betroffenen.
Anfang Februar nahm unterdessen die „Kooperationsplattform“ zur Bekämpfung der OK mit Fokus auf die „gewinnabschöpfungsrelevante Kriminalität“ im Berliner Gewerbe ihre Arbeit auf. Ziel ist eine ressortübergreifende Zusammenarbeit aller relevanten Akteure – Bezirksbürgermeister, Vertreter der Ordnungsämter sowie der Staats- und Amtsanwaltschaft. Bei Bedarf sollen auch das Landeskriminalamt, das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg, das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen sowie die Senatsverwaltungen für Inneres und Wirtschaft beteiligt werden. Künftige Razzien sollen so operativ abgestimmt werden.
„In meiner Verwaltung ist jetzt eine Geschäftsstelle als Teil eines neu geschaffenen Referats eingerichtet, die als Ansprechpartner für die Bezirke fungiert, rechtliche Bewertungen vornimmt und die Treffen der Behördenvertreter organisiert“, sagte Badenberg. Damit hofft sie, dass sie die finanziellen Strukturen von Clans und Banden schwächen kann. Die Senatorin sieht darin einen „ersten Schritt“, weitere sollen folgen.
Organisierte Kriminalität verursacht in Deutschland Milliardenschäden – mit steigender Tendenz
Badenberg zufolge haben sich die festgestellten wirtschaftlichen Schäden mittlerweile von 540 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2023 verfünffacht, vor allem durch nicht entrichtete Steuern und Abgaben. In Berlin summierte sich der wirtschaftliche Schaden durch die „OK“ im Jahr 2023 auf etwa 57 Millionen Euro. Clans und Banden streichen dabei offenbar immer mehr Gewinne ein. Laut Badenberg haben sich diese durch kriminelle Aktivitäten bundesweit zwischen 2014 und 2023 von 335 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro gesteigert. In Berlin betrug der festgestellte Ertrag 86,4 Millionen Euro im Jahr 2023.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schaut mit großer Sorge auf die Entwicklung der Zahlen in der Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Danach stiegen die erfassten Fälle beim unerlaubten Glückspiel in Deutschland von 555 Fällen im Jahr 2016 auf 5281 Fälle in 2023 – das war eine Verzehnfachung.
„Häufig werden lediglich Geldstrafen verhängt, die die Täter innerhalb weniger Tage wieder ausgleichen können“, kritisiert der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz. Er plädiert auch für ein effektives Mittel gegen die Veranstalter von Glücksspielen: Künftig solle man die „TKÜ“ stärker in Betracht ziehen – Telefon-Überwachungsmaßnahmen. Um sie effektiv zu machen, müsste illegales Glücksspiel als sogenannte „Katalogstraftat“ ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden.
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