Frank Luntz ist seit vielen Jahren einer der bekanntesten Demoskopen der USA. Früher arbeitete er für Republikaner wie Rudy Giuliani oder Newt Gingrich. Im Gespräch mit einer Gruppe europäischer Reporter erzählt Luntz, dass er eine Reise nach Deutschland plant und den Zug nehmen will. Die Deutsche Bahn sei nicht mehr das, was sie mal war, wird er gewarnt. Genau das sei der Punkt, sagt Luntz. Dinge, auf die man sich immer verlassen konnte, funktionieren plötzlich nicht mehr. Und so sei auch der Glaube sei weg, dass sich die Politiker auf dem Washingtoner Kapitolshügel um die Bürger kümmern.
WELT: Donald Trump behauptet, den US-Bürgern durch seine Zollpolitik Wohlstand und Wachstum zu bringen. Wie viel Geduld werden sie haben?
Frank Luntz: Seine Anhänger haben unendliche Geduld. Wenn er ihnen sagt, das funktionierte, dann glauben sie ihm. Aber die politische Mitte hat bereits keine Geduld mehr für Trumps Zölle. Sie kauft schnell Autos! Sie kauft die Bestände leer. Die Reaktion der Amerikaner spiegelt sich in ihrem Konsumverhalten wider. Sind es Muss-Käufe? Oder Kann-Käufe? Der Preis für Eier ist essenziell, für Fleisch. Wenn die Preise für Lebensmittel und Benzin nach oben gehen, betrifft das alle. Wenn sich die Leute Güter des täglichen Bedarfs nicht leisten können, dann werden sie die Verantwortlichen bestrafen.
WELT: Wie sind Trumps Umfragen derzeit?
Luntz: Mit Ausnahme der Zölle hat seine Politik nach wie vor Unterstützung. Aber es ist deren Umsetzung, die zunehmend Wut auslöst. Nicht von seiner Basis, sondern von unabhängigen Wählern. Um die öffentliche Meinung zu verstehen, muss man die politische Mitte betrachten. Das sind nicht viele, nur 25 Prozent des Landes. Diese politische Mitte bewegt sich gerade weg von Trump. Das belegen seine Zustimmungswerte, die Bewertung, wie Trump die Wirtschaft managt. Die Bürger sind nicht unbedingt gegen das, was er machen will. Sondern wie er es macht. Als Trump sein Amt im Januar antrat, war seine Zustimmung in der Bevölkerung um elf Prozentpunkte höher als die Ablehnung, so viel wie nie zuvor. Das ist jetzt komplett verschwunden.
WELT: Vereinzelt haben sich Republikaner im US-Senat gegen Trumps Zollpolitik aufgelehnt. Am Ende gibt es aber keine wirkliche Gegenwehr?
Luntz: Trump ist in der Republikanischen Partei unbesiegbar – durch seine Agenda, seine Rhetorik, durch Elon Musks Geld und die mangelnde Glaubwürdigkeit der Medien. Wenn Trump sagt, wählt diesen Senator oder jenen Abgeordneten ab, überlebt das kein Republikaner. In meinem ganzen Leben habe ich niemanden gesehen, der so viel Unterstützung seiner Anhänger hatte. Mehr als das, es ist ein fanatisches, emotionales Bekenntnis zu Trump. Donald Trump übt eine unglaubliche Anziehungskraft auf seine Leute aus. Er hat es geschafft, in wenigen Jahren die Ideologie der Partei zu verändern. Einst standen die Republikaner für Freihandel, für internationales Engagement, für Aids-Programme in Afrika.
WELT: Was ist mit den Demokraten?
Luntz: Cory Booker (der US-Senator brach diese Woche mit einer 25 Stunden lange Rede den Rekord für die längste ununterbrochene Rede im Senat, d. Red.) ist die erste effektive Opposition für diese Regierung. Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, ist nutzlos. Er ist aus einer alten Generation. Er fühlt es nicht. Der einzige Weg Trump zu besiegen ist es, etwas Besseres anzubieten. Trump nicht anzugreifen, weil das aus ihm nur ein Opfer macht. Trump nicht anzubrüllen, denn dann brüllt er zurück. Und das kann er viel besser.
WELT: Welche Rolle spielt Elon Musk mittlerweile?
Luntz: Es ist smart aus Trumps Sicht, dass Musk ins Kreuzfeuer gerät. Er kriegt den ganzen Druck ab. Musk ist ein weiterer Fall einer Figur, die vor fünf Jahren noch höchst respektiert und zelebriert wurde. Jetzt wird er zunehmend mehr gehasst als geliebt. In der Tat ist er nur noch bei Trump-Wählern beliebt. Er hätte der berühmteste Unternehmer des 21. Jahrhunderts sein können, ein Albert Einstein Amerikas. Aber er ist politisch geworden, parteiisch und vor allem in seiner Sprache spaltend.
WELT: Aber Musk macht genau das, was viele Bürger wollen: öffentliches Geld einzusparen.
Luntz: Wenn die Wähler denken, dass Politiker Niederträchtigkeit antreibt, werden sie das abstrafen. Sie wollen Einsparungen. Weniger Verschwendung. Aber sie wollen keine Kettensäge, sie wollen ein Skalpell.
WELT: Meint Trump es ernst mit einer dritten Amtszeit?
Luntz: Das ist ein politischer Trick, aber die Basis findet’s aufregend. Trump wollte nie eine Lame Duck sein, also spricht er von einer weiteren Amtszeit. Ich denke nicht, dass er es ernst meint. Aber wer weiß. Jedes Mal, wenn wir ihn unterschätzt haben, haben wir einen Preis dafür bezahlt.
WELT: Reagieren die US-Bürger empört auf Trumps Ansprüche auf Grönland?
Luntz: Das Thema ist nicht mal unter den Top Zwölf. Empört sind die Leute über die Preise für Eier. Oder die illegale Migration an der Südgrenze.
WELT: Und Trumps Affinität für Wladimir Putin?
Luntz: Interessanterweise ist Putin den Umfragen zufolge weiterhin generell verhasst. Trump mag daher versteckte Motive haben für das, was er zuletzt über Putin sagte. Aber gleichzeitig ist die Zustimmung für eine Unterstützung der Ukraine kollabiert. Zu Beginn der russischen Invasion lag sie bei mehr als 70 Prozent. Jetzt ist die Zustimmung irgendwo in den 30ern.
WELT: Schwindet Amerikas Unterstützung für die Alliierten generell?
Luntz: Wenn sich die Leute grundsätzliche Dinge des Lebens nicht mehr leisten können, dann wollen sie auch nicht mehr in globale Konflikte verflochten sein. Das Denken wandelt sich, und Trump treibt diese Entwicklung zusätzlich an. Wir überprüfen unsere Bündnisse, unsere Außenpolitik. Vor 15 Jahren war Osteuropa unser Partner, Russland der Gegner. Wir stürzen um, was 75 Jahre lang existiert hat. Die US-Bürger sind grundsätzlich immer noch für die Nato, für Bündnisse. Aber selbst mit Kanada gibt es jetzt politische Spannungen. Wir segeln in unbekannten Gewässern.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke