Der Satz im studentischen Sitzungsprotokoll liest sich krude und enthält eine beträchtliche Fehlerdichte: „Bei öffentlichkeit wird vermutet das die ‚opferrolle' durch gefragte proffesoren eingenommen wird“. Bei den „gefragten proffesoren“ handelt es sich um den Historik-Professor Peter Hoeres und seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn. Die Aussage des kruden Satzes ist freilich eindeutig: Hoeres und Hasselhorn sollten wegen „neurechter Tendenzen“ an den Pranger gestellt werden, aber die Öffentlichkeit solle davon vorab nichts mitbekommen.

Das klappte auch ein paar Wochen, nämlich bis zu einer Resolution des Studentenparlaments. Die sorgt seit Ende März bundesweit und vor allem in Uni-Kreisen für erregte Debatten. Für diesen Dienstag hat das bayerische Wissenschaftsministerium Hoeres und den Universitätspräsidenten Paul Pauli zum Gespräch nach München geladen. Hoeres und Hasselhorn erfahren derweil überraschend viel Solidarität. Insofern ist etwas dran an der Befürchtung der Studenten, sie könnten als Opfer angesehen werden.

Der Zuspruch kommt nicht nur von Konservativen. So schreibt der Hamburger Historiker und Afrikaforscher Jürgen Zimmerer auf X: „Ich denke, politisch verbindet mich kaum etwas mit Peter Hoeres, und auch nicht unseren Blick auf die Geschichte und die dazugehörige Wissenschaft. Aber Drohungen und Einschüchterungen gehen gar nicht. Es sind Sargnägel unser politischen Kultur und auch der Wissenschaft …“

Zimmerer reagierte damit auf einen Post von Hoeres, in dem er mitteilte, er habe „einen anonymen Drohbrief an meine Privatadresse erhalten“. Hoeres übte in dem Eintrag auch massive Kritik an der Leitung der Uni Würzburg. Die tue „nichts, um uns Wissenschaftler zu schützen“.

Der Kölner Psychoanalytiker und Professor Andreas Sobottka, als Hochschullehrer unter anderem an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, der Kölner Uni und der Hochschule Fresenius, meldete sich ebenfalls auf X zu Wort: Hoeres habe sich für jüdische Studenten an der Uni Würzburg eingesetzt. „Ich möchte meine Hochachtung zum Ausdruck bringen – und meine Unterstützung.“

Der Berliner Historiker Hubertus Knabe – derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch in Würzburg tätig – postete mit Blick auf Hoeres’ Mitarbeiter Hasselhorn: „Man hat sich einen gerade zum Vater gewordenen jungen Wissenschaftler in einer sensiblen Karrierephase ausgesucht, den man meint, fertig machen zu können“.

Knabe bezieht sich dabei auf einen Passus in einem Protokoll des Studentenparlaments. „Hasselhorn ist Akademischer Rat auf Zeit“, heißt es darin. Sollte er sich weigern, eine von den Gremien geforderte „eidesstattliche Erklärung“ über frühere Veröffentlichungen abzugeben, könne das „dazu führen, dass der Vertrag nicht verlängert wird und er keinen Ruf von anderen Unis bekommt“.

„Nicht greifbar und wissenschaftlich unbrauchbar“

Eine lange und scharfe Stellungnahme verfasste der Würzburger Professor Thomas Kestler, der bis vergangenene Woche den Lehrstuhl für Politologie und Soziologie vertrat und jetzt an einem Projekt der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) arbeitet. „Der Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit an der Uni Würzburg nimmt immer bizarrere Wendungen“, schreibt er. Zu Hasselhorn und einen von ihm vor elf Jahren verfassten Artikel in der Zeitschrift „Sezession“ meint Kestler: „Über den Inhalt des Textes kann man streiten, aber das haben gute Texte so an sich. Worüber man nicht streiten kann, ist die Tatsache, dass dieser Text unzweifelhaft von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und einen legitimen Diskussionsbeitrag darstellt.“

„Jenseits des besagten Textes beschränken sich die Vorwürfe der linken Studierendenvertreter auf diffuses Geraune von einer ‚neurechten Diskursverschiebung‘ und ‚rechten Netzwerken‘.“ Kestler weiter: „Diese Begriffe fallen in die von Harry Frankfurt beschriebene Kategorie des Bullshit – sie sind nicht greifbar und deshalb wissenschaftlich unbrauchbar.“

Kestler attackiert auch die Universitätsleitung. „Wenn man nun als Wissenschaftler jederzeit damit rechnen muss, von politischen Aktivisten diffamiert zu werden, wenn man ebenso damit rechnen muss, dass sich die Presse zu willigen Vollstreckern solcher Kampagnen macht und von der Universitätsleitung kein Rückhalt erwartet werden kann, dann ist wissenschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich.“ Der Politikwissenschaftler forderte das bayerische Wissenschaftsministerium und die Universitätsleitung auf, „schnellstmöglich für eine Rehabilitierung der Betroffenen und eine Klarstellung“ zu sorgen.

Genau das dürften die linken studentischen Gremien gefürchtet haben, als sie in einem ihrer Protokolle formulierten, wiederum krude buchstabiert, dass die „Opferrolle“ von Hoeres und Hasselhorn „sowohl im kontext der wissenschaftsfreiheit behandelt wird auch öffentlich inhaltlich behandelt was auch problematisch ist“.

Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die Politik in Bayern.

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