Chinas Handelsministerium sprach von „Erpressung“ und warnte, man werde „bis zum Ende“ kämpfen. Am Montag hatte US-Präsident Donald Trump der Volksrepublik eine Frist bis Dienstag 12.00 Uhr gesetzt, um ihre Gegenzölle in Höhe von 34 Prozent wieder zurückzunehmen. Peking lehnte ab: Sollten die USA ihre Zollmaßnahmen weiter eskalieren, werde „China entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen, um seine eigenen Rechte und Interessen zu schützen“, so das Handelsministerium.
Bei einem Empfang für den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte Trump zuvor gedroht, er werde China mit zusätzlichen Zöllen von noch einmal 50 Prozent belegen, sollte die Volksrepublik nicht einlenken. Die neuen Zölle für China würden am Mittwoch verhängt, warnte er – an diesem Tag soll auch der zweite Teil des riesigen amerikanischen Zollpakets in Kraft treten.
Die USA hatten Waren aus China seit Januar zunächst mit zusätzlichen Zöllen von 20 Prozent belegt. Die neuen weltweiten Zölle sehen weitere 34 Prozent vor. Kommen dann noch die angedrohten Zusatzzölle von 50 Prozent hinzu, könnten die Zölle auf chinesische Waren über 100 Prozent liegen. Es wäre eine Eskalation, wie sie der 2018 begonnene Handelskrieg zwischen den USA und China nicht gesehen hat. Der bilaterale Handel käme praktisch zum Erliegen – mit enormen Folgen für die Weltwirtschaft.
Gleichzeitig nimmt der US-Präsident in Asien auch Länder ins Visier, die der Westen eigentlich als neue Partner im Wettbewerb mit China gewinnen wollte: Trump belegte Vietnam mit 46 Prozent Strafzoll, Thailand mit 36 Prozent, Indonesien mit 32 Prozent, Indien mit 26 Prozent, Japan mit 24 Prozent und Südkorea mit 25 Prozent. Die Liste liest sich wie das „Who’s who“ der sogenannten China-Plus-Eins-Strategie.
Ausgerechnet jene Länder, in die westliche Demokratien in den vergangenen Jahren Milliarden investiert haben, um sich unabhängiger von China zu machen, stehen nun am Zollpranger. Auch für die USA hat diese Strategie einen riskanten, geopolitischen Nebeneffekt: Trump untergräbt damit die Glaubwürdigkeit der US-geführten Indopazifik-Strategie. Profitieren dürfte davon ausgerechnet jene Macht, die man eigentlich eindämmen wollte: China.
Der Zeitpunkt ist brisant. Während Trump den Freihandel torpediert, zündelt China in der Taiwanstraße. Die G-7-Außenminister zeigten sich am Wochenende besorgt über die chinesischen Militärmanöver nahe der demokratisch regierten Insel. In Japan, Südkorea, auf den Philippinen und in Australien wächst die Angst vor einer Eskalation. Eigentlich wollten die USA den Indopazifik stabilisieren – als Gegengewicht zur chinesischen Dominanz in der Region. Doch Trumps Zollpolitik läuft diesem Ziel diametral entgegen.
Besonders hart trifft es Vietnam
Die Folgen könnten gravierend sein: Zum einen trifft Trump Länder, die in den letzten Jahren gezielt als alternative Produktionsstandorte zu „Made in China“ ausgebaut wurden. Apple lässt inzwischen AirPods und iPads in Vietnam fertigen. Indien soll als Halbleiterstandort wachsen. Thailand möchte sich im Chip-Sektor etablieren. Auch Japan und Südkorea stehen nun unter Druck – dabei gelten sie als engste Verbündete der USA in der Region. Beide Länder exportieren in großem Umfang Elektronik, Maschinen und Autos in die USA. All das braucht verlässliche Handelsbeziehungen und eben gerade keine Strafzölle.
Besonders hart trifft es Vietnam. Das Land hat in den letzten Jahren stark von der westlichen Derisking-Strategie profitiert – mit zweistelligen Wachstumsraten im Export und hohen Direktinvestitionen westlicher Firmen. Zugleich ist Vietnam auch ein Transitland: Rund 15 Prozent der vietnamesischen Exporte in die USA bestehen laut amerikanischer Daten aus chinesischen Vorprodukten oder sind sogar Re-Exporte chinesischer Waren. Trump will mit diesem Zoll also nicht nur Vietnam treffen, sondern indirekt auch China. In Washington ist die Sorge groß, dass Peking seine Waren über Drittländer wie Vietnam in die USA einschleust, um Strafmaßnahmen zu umgehen.
Hanoi reagierte prompt: Die Regierung bot Washington an, alle Zölle auf US-Produkte zu streichen und mehr amerikanische Waren zu importieren, um die Zölle doch noch zu stoppen. Doch Trumps Berater lehnten das Angebot ab. Vietnam, bislang als Musterpartner in Asien gehandelt, wird damit de facto wie ein unfairer Wettbewerber behandelt.
Trump argumentiert, die Zölle seien „reziprok“ – also ein Ausgleich für Handelsdefizite. Doch Handelsbeziehungen lassen sich nicht von der Politik abkoppeln, sind längst Teil geopolitischer Strategie. Die Vorgängerregierung von US-Präsident Joe Biden hatte das erkannt und wirtschaftliche Partnerschaften in Asien ausgebaut, ohne neue Freihandelsabkommen aufzulegen. Stattdessen setzte man auf gezielte Industriekooperationen, etwa im Chip- oder Energiebereich. Der Fokus: Resilienz statt Abhängigkeit. Trump hingegen verfolgt eine Nullsummen-Strategie, die zwar in amerikanischen Rust-Belt-Staaten populär sein mag, aber außenpolitisch kontraproduktiv ist.
Wer sich von China emanzipiert, wird nicht belohnt
Die Ironie: Die Strafzölle gegen Asiens neue Werkbänke könnten am Ende Chinas Position stärken – nicht schwächen. Denn sie zwingen Länder wie Vietnam oder Indonesien, wirtschaftlich wieder stärker mit Peking zu kooperieren. Und Xi Jinping ergreift die Gelegenheit erfreut: Der chinesische Präsident plant bereits Staatsbesuche in Vietnam, Malaysia und Kambodscha – alles Länder, die von den US-Zöllen betroffen sind. In öffentlichen Erklärungen präsentiert sich Peking als verlässlicher Partner mit stabilen Rahmenbedingungen und langfristigem Engagement.
Ende März bekräftigte Xi bei einem Treffen mit internationalen Wirtschaftsvertretern in Peking, dass China ein „idealer, sicherer und vielversprechender Investitionsstandort“ sei – eine klare Botschaft an asiatische Nachbarn ebenso wie an westliche Unternehmen. In Asien, so das unausgesprochene Signal aus Peking, gibt es eine Alternative zur US-Führung.
Auch politisch sendet Trump ein heikles Signal: Wer sich vom chinesischen Einfluss emanzipiert, wird nicht belohnt – sondern bestraft, sobald sich das Handelsbilanzargument gegen ihn verwenden lässt. Dass Peking dies ausnutzen wird, ist sicher. Die chinesische Führung weiß, dass sie in Asien nicht nur mit militärischer Drohkulisse punktet, sondern auch mit wirtschaftlicher Berechenbarkeit. Wenn die USA dieses Feld freiwillig räumen, wächst Chinas geopolitischer Spielraum.
Gleichzeitig denken Länder in Ostasien und auch in Europa über Alternativen nach. In Tokio, Brüssel und Peking wird eine engere wirtschaftliche Verflechtung in Betracht gezogen – etwa im Rahmen des Freihandelspakts CPTPP. China hat bereits einen Beitrittsantrag gestellt, auch Südkorea prüft den Schritt, während in der EU über eine Beteiligung diskutiert wird.
Eine stärkere Integration Ostasiens – etwa durch die jüngste trilaterale Initiative Chinas, Japans und Südkoreas – könnte langfristig ein Gegengewicht zur US-geführten Weltwirtschaft bilden. Trumps Zollkurs liefert jenen Kräften Auftrieb, die sich ein post-amerikanisches Asien wünschen.
Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.
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