Sicherheit und Verteidigung waren bestimmende Themen bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union. Jetzt ist klar, wie die neue Regierung die Bundeswehr verteidigungsfähig machen will. Union und SPD wollen ein neues und "zunächst" auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen.
Die Bundeswehr muss wachsen. In dem Punkt waren sich die Union und die SPD eigentlich von Anfang an als Ziel für die Koalitionsverhandlungen einig. Uneins waren sich die Parteien jedoch darin, wie die Bundeswehr mehr Soldatinnen und Soldaten gewinnen kann. Die Union wollte die bisher ausgesetzte alte Wehrpflicht wieder einführen. Die SPD wollte eine neue Wehrpflicht auf Basis von Freiwilligkeit.
In ihrem Koalitionsvertrag haben die Parteien sich auf "einen neuen attraktiven Wehrdienst" geeinigt, "der zunächst auf Freiwilligkeit" basieren soll. Damit hat sich die SPD durchgesetzt, denn von einer Rückkehr zur alten Wehrpflicht ist im Koalitionsvertrag keine Rede. Auch das von der Union geforderte verpflichtende Gesellschaftsjahr findet sich dort nicht.
Die Stärke der Truppe liegt seit Jahren unter dem Soll von 203.300 Soldatinnen und Soldaten in Friedenszeiten. Derzeit sind es knapp 183.000. Zur Bündnisverteidigung innerhalb der Nato sind zwischen 370.000 und 460.000 Soldatinnen und Soldaten notwendig. Das Problem: Es melden sich einfach nicht genügend qualifizierte Freiwillige. Um mehr Freiwillige zu gewinnen, wollen Union und SPD die Bundeswehr "durch flexible Dienstzeit- und Laufbahnmodelle sowie in Fragen der sozialen Fürsorge attraktiver" machen.
"Wir hoffen, dass wir mit genügend Freiwilligen auch die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr hinbekommen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Was damit gemeint ist, dass der Wehrdienst "zunächst" auf Freiwilligkeit basieren soll, dazu sagte Merz nichts. Auch im Koalitionspapier ist dazu nichts zu finden. Die Parteien müssen dem Vertrag noch zustimmen. Anfang Mai soll Merz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.
Das "schwedische Modell" soll's richten
Das neue Wehrdienstmodell wird sich laut Koalitionsvertrag am schwedischen Wehrdienstmodell orientieren. In Schweden müssen jedes Jahr alle 18-Jährigen - in Schweden sind das pro Jahr etwa 100.000 junge Menschen - einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Abgefragt werden Gesundheit, Persönlichkeit und vor allem auch die Motivation, Wehrdienst abzuleisten. Auf Basis der Motivation wird dann gemustert.
Das "schwedische Modell" als Vorbild für den "neuen Wehrdienst" zu nehmen, ist keine große Überraschung. Bereits der alte und wahrscheinlich auch künftige Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD hatte es vorangetrieben. Sein Gesetzentwurf zu einem auf Freiwilligkeit basierenden "neuen Wehrdienst" wurde im November bereits vom Kabinett beschlossen, wegen der vorgezogenen Neuwahlen aber nicht mehr in den Bundestag eingebracht. Wie genau das "schwedische Modell" in Deutschland umgesetzt werden soll, dazu steht wenig im Koalitionsvertrag. "Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen", heißt es lediglich.
In Pistorius' Gesetzentwurf sollte die Wehrerfassung "von den Meldebehörden auf die Bundeswehrverwaltung übergehen". Demnach sollte es für Männer verpflichtende Befragungen über deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Ableistung des Wehrdienstes geben. Über einen QR-Code sollte ein Onlinefragebogen persönliche Daten, Motivation beziehungsweise Interesse, Verfügbarkeit, Bildungsabschlüsse und sonstige Qualifikationen erfragen. "Junge Männer sind verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Für Frauen und Personen anderen Geschlechts ist die Beantwortung der Fragen freiwillig", heißt es im Gesetzentwurf. Der Unterschied erklärt sich durch das Grundgesetz: Die Wehrpflicht für Männer ist dort noch immer verankert. Eine Regelung, die für beide Geschlechter gleich ist, bräuchte eine Grundgesetzänderung. Die ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag unwahrscheinlich.
Aber auch die neue Koalition will mehr Frauen in die Bundeswehr holen. "Wir wollen den Anteil der Frauen und von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundeswehr erhöhen", heißt es in dem Koalitionsvertrag. Heute leisten über 24.000 Soldatinnen ihren Dienst bei der Bundeswehr - Tendenz steigend. Damit sind über 13 Prozent aller militärischen Angehörigen der Bundeswehr Frauen. In Pistorius' Gesetzentwurf heißt es dazu: "Für Frauen und Personen anderen Geschlechts ist die Beantwortung der Fragen freiwillig." Ob Pistorius' Gesetzesentwurf auch Vorlage für den "neuen Wehrdienst" sein wird, ist unklar.
Kann das Prinzip der Freiwilligkeit funktionieren?
Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hält den Plan für sinnvoll. "Das Prinzip 'Freiwilligkeit zuerst' kann aufgehen", sagte der SPD-Politiker im Interview mit ntv.de. "Aber dafür müssen erst einmal alle verpflichtend angesprochen werden." Bartels war von 2015 bis 2020 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages. "Derzeit machen sich viele junge Menschen keine Gedanken über die Bundeswehr", so Bartels.
Wenig überraschend: Laut Koalitionsvertrag sollen die Verteidigungsausgaben weiter steigen. "Die Höhe unserer Verteidigungsausgaben richtet sich nach den in der Nato gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen", heißt es in dem Papier. 2024 hatte Deutschland zum ersten Mal überhaupt die Nato-Vorgabe von Ausgaben in der Höhe von zwei Prozent des BIP erreicht - ein "historischer Höchstwert", so Pistorius damals. Angesichts der aktuellen Sicherheitslage könnte sich diese Vorgabe in den kommenden Jahren noch erhöhen. Eine konkrete Höhe wird im Koalitionsvertrag nicht genannt.
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