In den vergangenen Tagen wurde klar, dass China seinen Einfluss immer weiter nach Süden ausdehnt. Während drei chinesische Kriegsschiffe kürzlich Manöver in Gewässern zwischen Australien und Neuseeland abhielten, hat China mit den Cookinseln eine neue strategische Allianz im Pazifik geschmiedet – rund 11.000 Kilometer von Peking entfernt. Zum Vergleich: Von Chinas Hauptstadt nach Berlin sind es nur gut 7000 Kilometer.
Beide Regierungen haben Mitte Februar eine Absichtserklärung unterzeichnet, die eine engere Zusammenarbeit in der maritimen Infrastruktur und der Wirtschaft vorsieht. Die Annäherung des kleinen Inselstaats mit seinen rund 14.000 Einwohnern an China löst in Neuseeland und unter Sicherheitsexperten Besorgnis aus. Sie sehen die Gefahr, dass Peking in der Region auch militärisch stärker werden und einen Brückenkopf einrichten könnte.
Der Premierminister der Cookinseln Mark Brown besiegelte die strategische Allianz am 14. Februar in China. Die Volksrepublik will in den Ausbau von Hafenanlagen, den Schiffbau und die Fischerei investieren. Die Zusammenarbeit umfasst auch die Erforschung von Meeresmineralien – ein besonders heikles Thema, da Neuseeland mehrere Pazifikstaaten den Tiefseebergbau aus Umweltschutzgründen ablehnen.
In den Gewässern der Cookinseln im Südpazifik lagern riesige Mengen an mineralhaltigen Knollen, die wertvolle Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und Seltene Erden enthalten – Materialien, die für die globale Technologie- und Energiebranche von strategischer Bedeutung sind. Offiziell enthält das Abkommen keine Zusagen für Bergbaulizenzen, sondern nur für Forschungskooperationen. Kritiker fürchten jedoch, dass dies nur ein erster Schritt ist, um langfristig die wirtschaftliche Kontrolle über die Ressourcen der Inselgruppe zu gewinnen.
Dennoch treiben die Cookinseln Pläne zur Erkundung und später möglicherweise auch zum Abbau voran. Die Regierung argumentiert, dass dies zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Inselgruppe beitragen könnte. Das Abkommen „ersetzt nicht unsere langjährigen Beziehungen mit Neuseeland, Australien und anderen, sondern ergänzt sie vielmehr und stellt sicher, dass wir ein diversifiziertes Portfolio an Partnerschaften haben“, sagte Brown.
Nicht alle auf den Cookinseln teilen diese Einschätzung. In der Hauptstadt Avarua gab es Proteste gegen das China-Abkommen, und Oppositionspolitiker fordern eine transparentere Debatte über die strategische Annäherung an Peking. Kritiker warnen, dass die Cookinseln langfristig in wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von China geraten könnten.
Die Vereinbarung löst auch in Neuseeland Verärgerung aus, denn Wellington wurde nicht konsultiert. Die Cookinseln stehen in freier Assoziation mit Neuseeland. Ihre Bürger besitzen neuseeländische Pässe und genießen weitreichende Privilegien, darunter Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.
Zudem verpflichten sich beide Länder gemäß einer Vereinbarung von 2001 zur Konsultation in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik – ein Prozess, der in diesem Fall offenbar umgangen wurde. Wellington kritisierte die fehlende Transparenz des Deals. Die Absichtserklärung wurde nicht in vollem Umfang öffentlich gemacht, was Spekulationen über mögliche versteckte Klauseln anheizt.
Häfen können auch militärisch genutzt werden
Hinzu kommt eine geopolitische Dimension. China baut seit Jahren seine Präsenz im Pazifik aus, mit Hafenprojekten und Sicherheitskooperationen in Ländern wie den Salomonen, Kiribati und Vanuatu. Experten warnen, dass China Hafeninfrastrukturen für sogenannte Dual-Use-Zwecke nutzen könnte – also sowohl kommerziell als auch militärisch.
Ähnliche Entwicklungen sind bereits in Gwadar (Pakistan) und der Ream Naval Base (Kambodscha) zu beobachten. Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) sieht in über 50 chinesischen Hafenprojekten weltweit potenzielle militärische Nutzungsmöglichkeiten.
Das neue Abkommen fügt sich in Chinas Strategie ein, seine geopolitische Stellung im Pazifik zu stärken. Schon in anderen Inselstaaten der Region hat Peking Investitionen in Infrastruktur als Türöffner für politischen Einfluss genutzt. Neuseeland, Australien und die USA sehen Chinas wachsende Aktivitäten im Pazifik schon seit Langem als Bedrohung.
Bisher konnte der Westen wenig entgegensetzen. Während China große Summen in Infrastruktur und Rohstoffe investiert, fehlen den westlichen Staaten oft die finanziellen Mittel, um attraktive Gegenangebote zu machen. Mihai Sora, Direktor des Pacific Islands Program am Lowy Institute, einer australischen Denkfabrik, sagte der Nachrichtenagentur AP, die Kontroverse spiegele „einen intensiven geopolitischen Wettbewerb um Einfluss“ wider.
Der Pazifik war lange eine Domäne der USA und ihrer Verbündeten Australien und Neuseeland. Mit seinen wachsenden Verbindungen in der Region könnte China die strategische Balance verschieben. Besonders Neuseeland steht vor einer schwierigen Herausforderung: Es hat zwar enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu China, sieht dessen Einfluss im Pazifik jedoch zunehmend kritisch.
Es wird sich zeigen, ob die Vereinbarung mit den Cookinseln tatsächlich nur ein rein wirtschaftliche Partnerschaft ist, oder ob Peking seine neuen Möglichkeiten nutzt, um seine geopolitische Position weiter auszubauen. Die fehlende Transparenz und die Parallelen zu anderen chinesischen Engagements im Pazifik lassen Zweifel an rein ökonomischen Absichten aufkommen.
Der Westen steht vor der Herausforderung, eine Strategie zu entwickeln, um Chinas wachsenden Einfluss in der Region zu begegnen. Ohne eine kohärente Antwort könnte Peking seine Position im Pazifik weiter festigen und den geopolitischen Status quo dauerhaft verändern.
Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.
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