Union und SPD haben es geschafft: Sie präsentierten am Mittwoch ihren Koalitionsvertrag. Dies fiel ausgerechnet auf einen Tag, an dem Donald Trump in einer spektakulären Wende seine drastischen Zollerhöhungen für einen Großteil der Welt wieder für 90 Tage auf Eis legte. Daher waren die Schlagzeilen der Presse weltweit meist hierauf gemünzt. Dennoch beschäftigen sich auch viele Zeitungen mit dem entscheidenden Schritt zur Regierungsbildung in der größten Volkswirtschaft Europas.

So heißt es in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Schweiz): „Der Koalitionsvertrag trägt die Handschrift der Roten. Und angesichts seines Umfangs von mehr als 140 Seiten wurde dabei eine Menge Holz verbraucht. Der angekündigte große Wurf ist es nicht. Zwar mussten die Christlichdemokraten am Ende nicht so viele Positionen aufgeben, wie es zeitweilig den Anschein hatte. Doch von der Dringlichkeit, mit der noch vor einigen Wochen das Schuldenpaket durch den Bundestag gepeitscht wurde, von den viel bemühten ‚Wenden‘ oder einem epochalen Wandel ist wenig zu spüren. Eher atmet das Papier das Klein-Klein und die Detailversessenheit früherer Koalitionen. Sogar an die Möglichkeit, Verhütungsmittel kostenlos an Frauen abzugeben, hat man gedacht.“

„El País“ (Spanien) kommentiert: „Die Notwendigkeit eines Kompromisses hat Christdemokraten und Sozialdemokraten dazu gebracht, sich auf verwässerte Lösungen zu einigen, ein Programm mit wenigen mutigen Vorschlägen oder Antworten in einer Ära autoritärer Führer und des Bruchs von Regeln, die dieses Land nach dem Zweiten Weltkrieg florieren ließen. (...) Die Tatsache, dass der Koalitionsvertrag fast per definitionem bescheiden ausfällt, sollte Europas größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land nicht daran hindern, die ihm zustehende Rolle in der Union in vollem Umfang wahrzunehmen. In der Welt von Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping ist dies notwendiger denn je.

„Die Presse“ (Österreich) schreibt: „Merz muss liefern. Ihm sitzt die AfD im Nacken. Es handelt sich vielleicht um die letzte Chance der Mitte in Deutschland. Innenpolitisch wird die Koalition den Rechtspopulisten nur das Wasser abgraben können, wenn sie die irreguläre Migration in den Griff bekommt. (...) Für die EU ist Merz nach den kleinmütigen Phantomjahren unter Olaf Scholz eine Bereicherung. Der Rechtsanwalt aus dem Sauerland ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. (...) Mit 69 Jahren betritt Merz die Bühne als Hoffnungsträger für Deutschland, Europa und die Welt. Er strahlt Selbstvertrauen aus, hat jedoch keinerlei Regierungserfahrung. Ob er dem Amt, von dem er seit Dekaden träumt, gewachsen ist, wird sich weisen.“

Bei La Repubblica (Italien) ist zu lesen: „Klar ist, dass die Hauptbotschaft der gestern erzielten Einigung darin besteht, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt und die Einwanderung wieder unter Kontrolle gebracht wird. Tatsächlich ist die anfängliche Ausstattung kolossal: 150 Milliarden des 500 Milliarden schweren „Sonderbudgetfonds“ für Infrastruktur werden bereits in dieser Legislaturperiode ausgegeben. Und der künftige Chef Merz könnte zur Finanzierung der Verteidigung auch die Schuldenbremse umgehen.“

Und das „Wall Street Journal“ (USA) meint: „Wie andere europäische Staats- und Regierungschefs – vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis zum britischen Präsidenten Keir Starmer – steht Merz vor einem Rätsel: Wie kann er die tief greifenden und schmerzhaften Veränderungen, die ein zunehmend turbulentes wirtschaftliches und geopolitisches Umfeld erfordert, umsetzen, ohne das zunehmend fragile Vertrauen der Wähler zu verlieren? (...) Der konservative Parteichef muss sich in den nächsten vier Jahren keiner Wahl stellen, doch in den nächsten zwei Jahren könnte seine Partei bei einer Reihe wichtiger Wahlen auf Landesebene Verluste einfahren. Eine Reihe von Niederlagen könnte die Unterstützung für die künftige Regierung untergraben und den Zusammenhalt der Koalition auf die Probe stellen. Der rapide Rückgang der Unterstützung in der Bevölkerung war einer der Gründe für den Zusammenbruch der letzten deutschen Regierung – ein Jahr früher als geplant.“

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