Der ehemalige "Staatsfeind Nummer 1" galt nach seiner Haft als Aussteiger aus der salafistischen Szene und als Musterbeispiel für Deradikalisierung. Recherchen von RTL und ntv zeigen jedoch, dass Lau längst wieder in Szenekreisen verkehrt.

Es ist ein sonniger Vormittag am Rande von Düsseldorf. Reporter von RTL und ntv betreten einen Parkplatz, der zu einem großen, grauen Mehrparteienhaus führt. Die Markierungen des Parkplatzes sind schon größtenteils abgebröckelt und auch das Gebäude hat schon bessere Tage gesehen. Dann fährt ein dunkler Kleinwagen auf den Parkplatz. Ein Mann steigt aus. Dunkle Sonnenbrille, sportliche Kleidung, langer Vollbart. Der gleiche Bart, den er trug, bevor er vor Jahren verhaftet wurde. Es ist Sven Lau.

Der einstige salafistische Prediger, verurteilt wegen Unterstützung einer syrischen Terrororganisation, geht zu seiner Wohnungstür. Zu einem Gespräch mit den Reportern ist er nicht bereit. Dabei ist Lau seit Kurzem wieder sehr gesprächig. Denn er predigt wieder - in einem Podcast. Zugleich sucht er den Kontakt zu führenden Akteuren in der salafistischen Szene.

Vom Feuerwehrmann zum Scharia-Polizisten

Einst war Sven Lau eine der einflussreichsten Figuren dieser Szene in Deutschland. Der ehemalige Feuerwehrmann aus Mönchengladbach stieg in den 2000er-Jahren zu einem der bekanntesten Gesichter des deutschen Salafismus auf. Er propagierte eine radikale Interpretation des Islam, hielt Predigten in einschlägigen Moscheen und trieb maßgeblich die "Lies!"-Koranverteilungsaktion voran.

2014 sorgte er bundesweit für Aufsehen, als er mit einer "Scharia-Polizei" in Wuppertal auf inszenierte Streife ging. Der Vorwurf gegen ihn: ideologische und logistische Unterstützung dschihadistischer Gruppen - allen voran der syrischen Terrororganisation Jamwa. Der "Focus" bezeichnete ihn im selben Jahr als "Staatsfeind Nummer 1".

Seine salafistische Karriere fand 2017 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ein jähes Ende. Wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wurde Lau zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Entlassung 2019 schien es, als habe er sich von der extremistischen Szene losgesagt. Er betonte öffentlich seine Abkehr: "Ich kann mir gar nicht erklären, wie verblendet ich war und wie lange", sagte er damals in einem Youtube-Interview.

Nun jedoch wecken Recherchen von RTL und ntv erhebliche Zweifel an seiner angeblichen Resozialisierung. Den Reportern liegen Fotos, Videos und Tonaufnahmen vor, die belegen: Lau ist zurück in salafistischen Kreisen - und distanziert sich sogar öffentlich von seiner eigenen Resozialisierung.

Neuer Name, altes Umfeld

Nach seiner Freilassung legte Lau seinen Namen ab - ein Schritt, der Teil seines Aussteigerprogramms war. Offiziell heißt der 44-jährige Familienvater nun Sven J. und lebt in dem mehrstöckigen Mehrfamilienhaus im Süden Düsseldorfs. Auf der Türklingel steht sein alter, auf dem Briefkasten der neue Name.

Seine Rückkehr in die Zivilgesellschaft sollte nach der Haft durch intensive Betreuung und eine neue berufliche Perspektive gelingen. Er fand eine Anstellung in einem Café. Doch das Arbeitsverhältnis scheiterte.

Über seinen weiteren Werdegang gibt Lau selbst Auskunft - in einem Podcast, den er auf Spotify veröffentlicht. Dort schildert er sein Leben in den vergangenen Jahren und gibt zu: Bereits vor rund zwei Jahren flog er aus dem Resozialisierungsprogramm. Der Grund: eine Polizeikontrolle.

Er wurde dabei in einem Auto mit dem radikal-islamischen Prediger Abu Alia (bürgerlich Efstathios Tsiounis) angetroffen, einem Mann, den er im Podcast als seinen "besten Freund" bezeichnet. Abu Alia steht seit Jahren im Visier des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Im aktuellen Bericht der Behörde heißt es über Abu Alia: "Er gilt gegenwärtig weiterhin als einflussreicher Akteur der extremistisch-salafistischen Szene."

Zurück in der salafistischen Szene

Abu Alia ist nicht der einzige Kontakt, den Lau in die radikal-islamische Szene pflegt. Anfang 2023 besuchte er eine Veranstaltung des salafistischen Predigers Abdelhamid in Düsseldorf, gemeinsam mit weiteren bekannten Salafisten und einem als Gefährder eingestuften Islamisten. Darüber berichtete zuerst die "Neue Westfälische". Abdelhamid, der vor allem auf Tiktok eine große Anhängerschaft hat, sitzt inzwischen in Untersuchungshaft - gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Veruntreuung von Spendengeldern.

Im Dezember 2024 tauchten neue Beweise für Laus Verbindungen zur Szene auf. Auf Instagram veröffentlicht er Fotos von einer Pilgerreise nach Mekka. Nach Informationen von RTL und ntv reiste Lau mit seinem minderjährigen Sohn nach Saudi-Arabien.

Rein rechtlich war diese Reise für ihn möglich - obwohl er auf der "No Fly"-Liste der USA steht. Diese Liste soll verhindern, dass potenzielle Terroristen Flugzeuge bestimmter Airlines betreten. Innerhalb Europas und nach Saudi-Arabien kann Lau jedoch weiterhin reisen.

Treffen mit radikaler Reisegruppe in Mekka

In Mekka traf Lau auf eine Gruppe deutscher Muslime aus der salafistischen Szene. Organisiert wurde die Reise vom Unternehmen Hidaya Tours, das sich auf geführte Pilgerfahrten mit prominenten Salafisten aus Deutschland spezialisiert hat. Die deutschen Behörden befürchten, dass junge Muslime dort an die Szene gebunden und radikalisiert werden könnten. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht von Nordrhein-Westfalen wird diesen Reisen ein eigenes Kapitel gewidmet. Dort heißt es: "Außerhalb der Reichweite der Sicherheitsbehörden können sich Akteure aus dem Bundesgebiet dort ungestört untereinander austauschen, aber auch den Kontakt zu Salafisten aus anderen Ländern suchen."

Zu den Teilnehmern der Reisegruppe gehörte auch Cenk Celen, ein Bochumer Gastronom und Kampfsportler, der sich öffentlich als "Abu Xudaifa" bezeichnet. Celen ist mit Lau befreundet und unterhält Verbindungen zur extremistisch-salafistischen Szene sowie zum Clan-Milieu in Nordrhein-Westfalen. Seine Restaurant-Kette Burger Brothers tritt zudem als Sponsor für Laus Sohn bei Leichtathletik-Wettkämpfen auf.

Mitte März taucht ein Foto auf Instagram auf, das Lau in Mannheim zeigt. Er besucht dort das salafistische Zentrum Bildung im Quadrat (BIQ). Laut dem Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg gilt das BIQ als Schwerpunkt für salafistische Aktivitäten in der Region. Lau besuchte dort offenbar einen Vortrag seines Freundes Abu Alia.

Dass Lau sich in salafistischen Kreisen wieder wohlfühlt, ist nicht selbstverständlich. Nach seiner Haft distanzierte er sich öffentlich von der Szene - ein Schritt, der viele seiner früheren Weggefährten irritierte. Besonders deutlich wurde die Kritik von Pierre Vogel, einem der bekanntesten salafistischen Prediger Deutschlands und einst engem Freund Laus. Nach dessen Freilassung machte Vogel in sozialen Netzwerken keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über Lau.

"Ich habe nie einen Bruder verraten"

Doch inzwischen scheint Lau gezielt nach alter Verbundenheit zu suchen. In seinem Podcast bat er offen um Vergebung: "Es tut mir leid, wenn ich jemanden verletzt habe. Wenn ich jemanden enttäuscht habe. Wenn ich mal was Falsches gesprochen habe. Wenn ich nicht immer stark war."

Seine Botschaft an die Szene ist unmissverständlich: "Ich habe nie irgendeinen Bruder in irgendeiner Form verraten." Er sei "einfach schwach geworden", so Lau weiter. Damit meint er offenbar das Aussteigerprogramm, an dem er nach der Haft teilgenommen hatte. Durch das Programm konnte er das Gefängnis nach zwei Dritteln seiner ursprünglichen Strafe verlassen.

Sigrid Herrmann, Autorin und Expertin für Islamismus, besorgen diese Aussagen: "Diese Aussagen in seinem Podcast lassen befürchten, dass Sven Lau in Gänze bei seinen Haltungen geblieben ist und seinen früheren Lebenswandel wieder aufnimmt." Herrmann beobachtet Laus Werdegang seit vielen Jahren. Für sie ist klar, dass Sven Laus Rückkehr in die salafistische Szene längst in vollem Gang ist.

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