Union und SPD verfolgen mit ihrem Koalitionsvertrag viele Ziele - Klimaschutz steht aber nicht im Zentrum. Umweltverbände und die Grünen üben Kritik. Doch ganz so eindeutig ist das Bild nicht.
Umweltverbände und die Grünen sind sich einig: Beim Klimaschutz bleibt der Koalitionsvertrag von Union und SPD hinter ihren Erwartungen zurück. "Union und SPD haben einen Hochrisiko-Vertrag für das Klima und den Naturschutz abgeschlossen", teilte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) mit. "Ich glaube, dass der ökologische Sachverstand bei Friedrich Merz nicht ausreichend Schutz bietet vor den Herausforderungen, die wir hier vor uns haben", sagte Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke bei RTL und ntv. Sie forderte Nachbesserungen.
Mit Vorhaben wie dem Aufweichen der Flächenziele bei Windkraft und der beabsichtigten Abkehr vom Heizungsgesetz würden die Koalitionsparteien das nationale Klimaziel für 2030 de facto aufgeben, sagte Grünen-Politikerin Katharina Dröge. Dies aber wäre ein "Bruch des deutschen Klimaschutzgesetzes". Die Initiative Fridays for Future rief für Freitag zu Protesten gegen die schwarz-rote Klimapolitik auf.
Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser kommentiert: "Die neue Koalition will die Marktkräfte entfesseln, die in den letzten Jahrzehnten Klima und Natur zerstört haben. Sie plant, in nie dagewesenen Umfang Gelder zu verteilen, aber verliert dabei Effizienz und Klimagerechtigkeit in vielen Bereichen aus dem Blick." Matthias Meißner vom WWF kritisierte, dass Union und SPD "Mut und Weitsicht" fehlten, die richtigen Impulse in Richtung Klimaneutralität und Naturschutz zu setzen.
Doch was steckt wirklich drin im schwarz-roten Regierungsprogramm? Einige Beispiele im Gebäude- und Verkehrssektor zeigen Licht und Schatten. In beiden Bereichen gibt es großen Nachholbedarf: Sie hatten 2024 ihre Ziele bei der Verringerung von Treibhausgasen erneut verfehlt.
Heizungsgesetz und Neubauförderung:
"Wir schaffen das Heizungsgesetz ab", heißt es im Koalitionsvertrag. Damit ist die Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gemeint, das während der Ampelkoalition große Verunsicherung und teils Empörung ausgelöst hatte. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte damit den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen wie Wärmepumpen zur Pflicht machen wollen. Es sieht unter anderem vor, dass spätestens ab Mitte 2028 die Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie für alle neuen Heizungen in Deutschland verpflichtend sein soll. Verschwinden wird das GEG aber nicht. Union und SPD versichern: "Die Sanierungs- und Heizungsförderung werden wir fortsetzen."
Jedes Jahr fördert der Bund die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden mit Milliardenbeträgen. Was sich daran ändern könnte, ist offen. Die Förderung der Wärmewende in Gebäuden müsse "investitionssicher und unterbrechungsfrei" fortgeführt werden, mahnt Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien.
Die "Abschaffung" des Heizungsgesetzes war ein Wahlkampfversprechen der Union. In den Koalitionsverhandlungen hatten Mitglieder der Arbeitsgruppe für Klimaschutz dagegen protestiert. Die Wohnungswirtschaft reagiert hingegen hochzufrieden. Auch, weil im neuen Heizungsgesetz die Einsparung von CO2-Emissionen anstelle der Energieeffizienz im Vordergrund stehen soll. "Beim Klimaschutz im Bestand durchschlägt der Koalitionsvertrag einen gordischen Knoten, indem er den Fokus von der Energieeffizienz nimmt und die CO2-Reduktion zur zentralen Steuerungsgröße erklärt", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Für Mieter und Vermieter würden die Kosten drastisch reduziert. Das könnte Sanierungen beschleunigen. Die Wirkung für den Klimaschutz ist ungewiss.
Bei RTL Direkt versprach CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz eine Förderung beim Einbau von klimafreundlichen Heizungen. Der steigende CO2-Preis solle Haus- und Wohnungsbesitzer dazu veranlassen, die Heizungen auszutauschen, sagte er.
Schwarz-Rot will auch Förderungen wieder einführen, die Habeck wegen ausufernder Kosten und fragwürdiger Wirkung gestrichen hatte. Der Grünen-Politiker hatte Anfang 2022 die Förderung für Neubauten nach dem Energieeffizienzstandard EH55 beendet. Dies sei ohnehin der Neubaustandard, die Förderung bringe damit für den Klimaschutz keinen zusätzlichen Nutzen, hieß es zur Begründung. Schwarz-Rot dreht dies nun zurück, ohne die Kosten zu beziffern: "Die Förderfähigkeit des EH55-Standards wollen wir zeitlich befristet zur Aktivierung des Bauüberhangs wiederherstellen."
Deutschlandticket, Pendlerpauschale, Elektroautos:
Union und SPD wollen das Deutschlandticket als Monatsabo für den öffentlichen Nahverkehr fortsetzen und damit auch den Verzicht aufs Auto fördern. Umweltverbände begrüßen das. Allerdings dürfte der Preis von 58 Euro steigen. Union und SPD wollen ab 2029 den "Anteil der Nutzerfinanzierung schrittweise und sozialverträglich" erhöhen. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnte vor einem Anstieg auf 70 bis 80 Euro. "Wichtig ist, dass es Tickets geben wird, die dann günstiger sind", sagte Ehrenpräsident Karl-Peter Naumann der "Rheinischen Post".
Wenig halten Klimaschützer von der Pendlerpauschale, die - unabhängig vom Verkehrsmittel - die Steuern durch die Kosten für Fahrten zum Arbeitsplatz verringert. Die Pauschale belohne nicht klimafreundliche Verkehrsmittel, sondern lange Autofahrten. Union und SPD möchten sie deutlich anheben. Vom 1. Januar des kommenden Jahres an soll sie von 30 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer steigen. Bisher gibt es 38 Cent erst ab dem 21. Kilometer.
Zugleich wollen Union und SPD den Erwerb von E-Autos wieder stärker unterstützen. "Wir werden die E-Mobilität mit Kaufanreizen fördern", heißt es im Entwurf. Geplant sind auch Sonderabschreibungen und eine stärkere steuerliche Begünstigung von Dienstwagen. Das nützt hauptsächlich Firmenkunden. Eine Kaufprämie wird nicht genannt. Das frühere staatliche Förderprogramm, der "Umweltbonus", war im Dezember 2023 abrupt beendet worden, weil das Geld ausging. Insgesamt waren seit 2016 rund zehn Milliarden Euro für 2,1 Millionen E-Fahrzeuge ausgezahlt worden.
Klimageld und CO2-Verringerung im Ausland:
Den CO2-Emissionshandel wollen auch Union und SPD auf den Gebäude- und Verkehrssektor (ETS-2) ausweiten - ab 2027. Das ist positiv, meint das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Bisher werden über ETS-1 nur Treibhausgasemissionen von großen Industrieanlagen und Energieversorgern mit einem Preis versehen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wollen Union und SPD an Bürger und Wirtschaft zurückgeben, "durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität". Damit rücken sie von einer direkten Auszahlung der CO2-Einnahmen etwa in Form eines Klimageldes ab, wie es in der Ampel vereinbart, aber nie umgesetzt worden war. Ein Klimageld galt bislang als wichtiges Element, die Akzeptanz für Klimaschutzkosten zu erhöhen.
Kritisch sieht das PIK, dass Union und SPD die Verringerung von Treibhausgasen teilweise ins Ausland verlagern wollen. Von "CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern" in einem "begrenzten Umfang" ist die Rede, die bis zu "drei Prozentpunkte des 2040-Zwischenziels" einer Treibhausgasverringerung um 90 Prozent ausmachen dürften. "Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen muss das EU-Zwischenziel vollständig innerhalb der eigenen Grenzen erbracht werden", kritisierte das PIK. Klimaschutz-Anstrengungen im Globalen Süden seien "sinnvoll, aber sie müssen zusätzlich erbracht werden".
Handlungsdruck:
Die neue Bundesregierung steht unter gesetzlichem Handlungsdruck. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet sie, innerhalb des ersten Jahres nach Regierungsantritt in einem Klimaschutzprogramm konkrete Maßnahmen festzulegen, wie Deutschland sein Klimaziel erreicht. Bis 2030 muss der Ausstoß von Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 gesunken sein. Laut Umweltbundesamt sind 48,2 Prozent geschafft. Der Expertenrat für Klimafragen wird im Frühjahr sein jährliches Gutachten vorlegen, ob sich Deutschland auf dem richtigen Weg befindet. Zuletzt fanden die Experten die Fortschritte nicht ausreichend - die Zielerreichung 2030 sei gefährdet.
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