Im neuen Bundestag ist der Frauenanteil geschrumpft. Von den 630 Abgeordneten sind nur 204 weiblich. Das hat vor allem mit der AfD und der Union zu tun, denn nicht einmal ein Viertel ihrer Abgeordneten sind Frauen. Wie können wieder mehr Frauen in den Bundestag einziehen? Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin der CDU und zweifache Mutter, spricht mit ntv.de darüber, wie ihre Partei frauenfreundlicher werden kann.
ntv.de: Kurz nach den Wahlen postete Markus Söder auf Instagram ein Bild aus dem Konrad-Adenauer-Haus mit dem Untertitel: "Wir sind bereit für einen Politikwechsel in Deutschland." Am Tisch saßen nur Männer. Sind Frauen unsichtbar in der Union?
Christina Stumpp: Wir sind startklar für den Politikwechsel in Deutschland. Dabei werden Frauen maßgeblich mitgestalten und sichtbar sein. Deshalb würde ich diesem Bild nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Sie saßen bei den Koalitionsverhandlungen mit am Tisch - wie war das für Sie?
Im Team Deutschland wieder nach vorne bringen, das ist unser gemeinsames Ziel. Teil dieses Teams zu sein, ist mir eine große Freude und Ehre zugleich. Dabei war ich CDU-Vorsitzende für die Arbeitsgruppe Kommunales, Sport und Ehrenamt. Der Staat beginnt auf kommunaler Ebene. Gerade deshalb ist es mir als stellvertretende Generalsekretärin und Leiterin des Kommunalbüros der CDU Deutschlands ein zentrales Anliegen, kommunale Themen entschlossen voranzubringen. Friedrich Merz ist es dabei ein besonderes Anliegen, dass Frauen am Verhandlungstisch vertreten sind - und dass wir unsere Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in ihrer täglichen Arbeit gezielt unterstützen und weiter stärken.
Die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Mechthild Heil, hat schwere Vorwürfe gegen die Parteiführung erhoben. Sie sei in die Verhandlungsgruppe für Familienpolitik gesteckt worden, obwohl sie eigentlich Baupolitikerin sei. Dabei sei nicht gefragt worden, welche Erfahrungen sie als Person mitbringe, stattdessen würden Frauen mit dem Thema Familie gleichgesetzt. Können Sie das nachvollziehen?
Natürlich wäre Mechthild Heil genauso gut für die Arbeitsgruppe geeignet gewesen, in der Themen rund um das wichtige Thema Bauen diskutiert wurden. Sie ist aber auch unsere Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, weshalb sie auch für die Arbeitsgruppe Familie, Frauen und Senioren prädestiniert ist.
Bei der Vergabe der Ämter will die SPD paritätisch besetzen. Wie ist das bei Ihnen in der Union?
Für die Besetzung des Bundestagspräsidiums haben wir zwei Frauen aus der Union gewählt: Mit Julia Klöckner haben wir eine starke neue Bundestagspräsidentin, mit Andrea Lindholz von der CSU eine starke Bundestagsvizepräsidentin.
Und im Kabinett?
Friedrich Merz wird die Kabinettsposten nach Qualifikation besetzen. Es geht nicht in erster Linie um Mann oder Frau. Es geht um Inhalte. Dabei müssen Macherinnen und Macher im Kabinett dabei sein, die anpacken und Deutschland wieder nach vorne bringen. Dafür haben die Menschen den Politikwechsel gewählt. Trotzdem sage ich auch, je mehr Frauen, desto besser. Wir haben viele sehr gut qualifizierte Frauen in den Reihen der Union. Daher mache ich mir da wenig Sorgen.
Wird man Sie im Kabinett sehen?
Wir haben diese Woche unseren Koalitionsvertrag mit klarer CDU-Handschrift verabschiedet. Was zukünftig kommt, werden wir sehen.
Wie reagieren Sie, wenn jemand zu Ihnen sagt, Sie seien eine Quotenfrau?
Ich sehe das gelassen, weil ich weiß, dass ich eine fundierte Ausbildung und Studium sowie 16 Jahre Berufserfahrung habe. Danach sollte es in der Politik gehen. Menschen aus der Gesellschaft, die wissen, wie das Leben läuft.
Der Bundestag wird männlicher: Der Frauenanteil im neuen Bundestag liegt bei knapp einem Drittel. Von den 630 Bundestagsabgeordneten sind 204 weiblich. Der Rückgang ist auf das Erstarken von Union und AfD zurückzuführen, die besonders niedrige Frauenanteile haben. Wie gehen Sie damit um?
Wir hätten gerne insgesamt mehr Frauen im Bundestag, auch in der Union. Fünf Frauen der CDU haben das Direktmandat in ihrem Wahlkreis geholt, sind aber wegen des Wahlrechts nicht in den Bundestag eingezogen. Die Besonderheit bei uns ist, dass ein Bundestagseinzug oft nur über das Direktmandat geht. Das heißt, die Frauen müssen vor Ort nominiert werden und dann den Wahlkreis gewinnen. Einige Landesverbände haben ihre Listen jetzt schon paritätisch besetzt. Davon unabhängig muss es unser Ziel sein, durch gezielte Förderung und strukturelle Verbesserungen mehr Frauen zu motivieren, sich politisch zu engagieren und auch in Wahlkreisen direkt anzutreten.
Wo setzen Sie da an? Was würde helfen?
Ich möchte keine Hilfestellung geben oder Nachhilfe erteilen - das hat keine Frau nötig. Worum es geht, sind Rahmenbedingungen, die motivieren, statt auszubremsen. Viele Frauen zweifeln, wenn sie den Schritt in die Politik wagen. Sie fragen sich, ob sie das - bei all den erschwerten Bedingungen - wirklich schaffen können. Denn die Realität zeigt: Die Politik stellt Frauen in der Praxis noch immer vor viele Hürden.
Welche meinen Sie?
Ich rede von unnötigen Hürden. Für Frauen und vor allem für Mütter ist der Zugang zur Politik immer noch erschwert. Zum Beispiel hat der Deutsche Bundestag teilweise Sitzungszeiten bis nachts um drei. Das ist für Frauen mit kleinen Kindern schlicht unattraktiv. Hinzu kommt: Mütter dürfen Neugeborene und Säuglinge nicht mit in den Sitzungssaal nehmen. Dass Julia Klöckner dieses Thema in ihrer Antrittsrede angesprochen hat, dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Was war für Sie schwierig?
Ich habe zwei kleine Kinder - und ich bin sehr dankbar, dass ich sie manchmal mit nach Berlin nehmen kann. Denn zwischen meinem Wahlkreis und der Hauptstadt liegen sieben Stunden Fahrt. Ab dem ersten Geburtstag dürfen Kinder von Abgeordneten in die Bundestags-Kita - eine großartige Möglichkeit für Mütter und Väter, Politik und Familie besser zu vereinbaren. Doch die Zeit zwischen dem Ende des Mutterschutzes - acht Wochen nach der Geburt - und dem ersten Geburtstag mussten wir irgendwie überbrücken. Und wenn die Hammelsprünge nachts um eins stattfinden, frage ich mich jedes Mal: Wie soll das mit Kind eigentlich gehen? Frauen können Politik. Frauen wollen Politik. Aber wir müssen ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Wir gehen auf Frauen zu, wir ermutigen sie - und wir wollen den Einstieg in die Politik einfacher machen. Denn wer Politik verändern will, muss sie auch leben können.
Wie?
In der vergangenen Legislaturperiode haben wir den Runden Tisch "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" initiiert. Den führen wir fort. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Einführung der elektronischen Fernabstimmung im Deutschen Bundestag. Im Europaparlament ist das längst gelebte Praxis. Auch die Entzerrung der Doppelsitzungswochen - die für alle fordernd sind, für Menschen mit Familie aber besonders - wäre eine spürbare Entlastung. Klar ist: Das sind keine Veränderungen, die sich über Nacht umsetzen lassen. Aber es sind notwendige Schritte - und eine Gemeinschaftsaufgabe. Da gibt es - für uns als CDU, aber auch für alle anderen Parteien - noch viel Luft nach oben.
Wo schafft ihre Partei Möglichkeiten für Frauen?
Friedrich Merz und ich haben das Netzwerk WOMEN@CDU gegründet: Damit wollen wir Frauen in ihrem politischen Engagement auf kommunaler Ebene unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen. Viele Frauen und Männer machen die ersten Schritte in der Kommunalpolitik und gehen dann weiter in die Landes-, Bundes- oder Europapolitik. Es braucht neue Formate, um die Frauen für Politik zu begeistern.
Welche?
Der CDU-Landesverband Niedersachsen bietet zum Beispiel gezielt Mentoring- und Patenschaftsprogramme für Frauen an. Wir versuchen, die Rahmenbedingungen in der Politik weiter zu verbessern. Während der Parteitage bieten wir beispielsweise Kinderbetreuung an. Friedrich Merz hat eingeführt, dass wir sonntags keine Sitzungen machen. Zudem haben wir die Möglichkeit von hybriden Sitzungsformaten und festen Beginn- und Endzeiten. Das gab es vorher nicht. Und wir haben die Frauenquote eingeführt.
Und löst die Quote das Problem?
Zum 1. Juli 2025 erhöhen wir die Frauenquote auf 50 Prozent. Das heißt, wir werden in allen Gremien ab Kreisvorstandsebene eine Besetzung mit 50 Prozent Frauen bekommen. 2029 werden wir die Frauenquote evaluieren, um zu schauen, ob es reicht oder auch dann noch Bedarf besteht. Das ist für mich der richtige Weg. Aber allein die Quote löst unser Problem nicht. Da haben wir noch Luft nach oben. Das wissen wir.
Warum begrenzen Sie die Quote zeitlich?
Wir halten es für sinnvoll, eine solche Maßnahme nach einiger Zeit zu evaluieren, um zu sehen, ob die gewünschte Wirkung tatsächlich erzielt wird oder ob mit weiteren Instrumenten nachgesteuert werden muss.
Mit Christina Stumpp sprach Rebecca Wegmann
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