Im Zweiten Weltkrieg ist es das blutigste Gefecht auf deutschem Boden: die Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren. Doch das Gedenken wird vom erbarmungslosen russischen Eroberungskrieg in der Ukraine überschattet. Der russische Botschaft nimmt teil - ohne Einladung.
Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat an einem Gedenken an die Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren teilgenommen. Das Auswärtige Amt hatte davor in einer Handreichung an Länder, Kommunen und Gedenkstätten davon abgeraten, dass Vertreter von Russland und Belarus bei Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs dabei sind. Netschajew wurde nicht aktiv von den Veranstaltern eingeladen, aber auch nicht an der Teilnahme gehindert, sondern freundlich begrüßt. Die Schlacht um die Seelower Höhen war die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden.
Der russische Botschafter äußerte sein Bedauern über den Ausschluss Moskauer Vertreter bei deutschen Gedenkfeiern zum Kriegsende. Das gereiche den Initiatoren nicht zur Ehre, sagte Netschajew der kremlnahen Moskauer Zeitung "Iswestija". "Die Erwägungen der unmittelbaren politischen Konjunktur dürfen nicht Vorrang vor den Fragen der historischen Erinnerung und der historischen Versöhnung der Völker unserer Länder haben." Allerdings begründet Russland seinen Überfall auf die benachbarte Ukraine damit, angeblich erneut gegen Faschismus zu kämpfen. Diese Darstellung wird von der Ukraine und der Bundesregierung strikt zurückgewiesen.
Bei der Schlacht auf den Seelower Höhen kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs fielen laut Landkreis Märkisch-Oderland 33.000 Soldaten der Roten Armee, 16.000 deutsche und 2000 polnische Soldaten.
Außenamt will Instrumentalisierung verhindern
In der Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts heißt es, im Inland solle es grundsätzlich keine Teilnahme offizieller Stellen an Veranstaltungen auf Einladung von Russland und Belarus sowie keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen geben. Dabei soll auch vom Hausrecht Gebrauch gemacht werden können. Auch der Gesandte Botschaftsrat von Belarus in Deutschland, Andrej Schupljak, nahm an dem Gedenken in Seelow teil.
Das Außenministerium will eine Instrumentalisierung des Zweiten Weltkriegs durch Russland zur Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhindern und verteidigt die Empfehlung. "Von russischer Seite steht eben zu erwarten, dass es instrumentalisiert wird und für die Rechtfertigung seines Angriffskriegs gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung gebracht wird", sagte ein Sprecher. Das Ministerium wird noch geschäftsführend von Annalena Baerbock von den Grünen geführt.
Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird in Deutschland darüber diskutiert, wie die Rolle Moskaus bei der Befreiung Deutschlands von der Diktatur unter Adolf Hitler gewürdigt werden soll. Netschajew sagte, dass etwa auf kommunaler Ebene vielerorts russische Vertreter zum Beispiel zu Kranzniederlegungen eingeladen seien.
Kritik an der Handreichung
Zum stillen Gedenken in Seelow waren die Vertreter von Russland und Belarus nicht aktiv eingeladen. Der Kreis Märkisch-Oderland und die Stadt Seelow legten ihnen aber auch nicht nahe, den Ort zu verlassen. Russische Vertreter nehmen traditionell am dortigen Gedenken teil. Als Moskaus Botschafter in Seelow eintraf, sagte er zu Vize-Landrat Friedemann Hanke von der CDU: "Ich bin bei Ihnen wie zu Hause."
Der stellvertretende Landrat von Märkisch-Oderland kritisierte, den höchsten Vertreter eines Landes von einem Gedenken an die eigenen Landsleute auszuschließen. "Das ist ja absurd", sagte Hanke vor der Veranstaltung. "Wenn es Störungen gibt, werden wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen."
"Der Angriffskrieg von (Russlands Präsident Wladimir) Putin ist zu verurteilen, ganz klar", sagte die brandenburgische SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn Reuters TV. "Aber wir gedenken hier, wir haben hier eine Erinnerungskultur und die ist ganz wichtig aufrechtzuerhalten." Die Veranstaltung finde jedes Jahr statt. Man könne nicht vom Hausrecht Gebrauch machen, wenn jemand seiner gefallenen Landsleute gedenken wolle.
Die Brandenburger SPD/BSW-Koalition hält die Handreichung ebenfalls für falsch. "Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen, finde ich absolut unakzeptabel", sagte BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, kritisierte, dass in Seelow keine Vertreter der Bundes- und Landesregierung an der Gedenkfeier teilgenommen hätten. Dies widerspreche dem Gedanken der Völkerverständigung. Man wisse, wieviel Leid das NS-Regime über andere Länder gebracht habe. Es sei wichtig, sich "über den Gräbern die Hand zu reichen und zu sagen 'Nie wieder'".
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