Die „New York Times“ berichtete vor einigen Tagen: „In Mexiko schließen die ersten Fentanyl-Küchen – aus Angst vor Trumps Repression“. Kolumbiens neue Außenministerin Laura Sarabia meldete, dass die Migration durch den Darién in die USA um 60 Prozent zurückgegangen sei. Der gefährliche Dschungel war in den vergangenen Jahren zur wichtigsten Verbindungsroute zwischen Süd- und Mittelamerika geworden; im Jahr 2023 durchquerten ihn 500.000 Flüchtlinge gen Norden.
Inzwischen ist zudem mit mittelamerikanischen Ländern wie Guatemala, Costa Rica oder Panama eine „Abschiebebrücke“ aufgebaut worden, die helfen soll, die aus den USA zurückgewiesenen Migranten vor allem nach Südamerika und Asien zurückzubringen – auch um den Preis von Menschenrechtsverletzungen, wie lokale Organisationen berichten.
Die US-Administration feiert das alles als politische Erfolge. Die basieren allerdings nicht auf Überzeugung durch Argumente oder kluge Diplomatie, sondern auf massivem Druck durch Strafzölle und einem meist brachialen und demütigenden Umgangston mit den Regierungen südlich des Rio Bravo – dem Grenzfluss zwischen den USA und Mexiko.
Dass Trump dabei keine Unterschiede macht, ob eine Regierung eher USA-freundlich oder -kritisch ist, führt dazu, dass sich immer mehr lateinamerikanische Länder für eine stärkere Vernetzung untereinander aussprechen, um künftig besser gegen das Vorgehen aus dem Norden gewappnet zu sein. Anders ausgedrückt: Im politisch divers aufgestellte Lateinamerika ist eine neue Anti-Trump-Front in Sichtweite.
Linker Kandidat als Opposition zu Trump
Deutlich macht das nun auch eine Personalie: Voraussichtlich am Montag wählt die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einen neuen Generalsekretär als Nachfolger für den Uruguayer Luis Almargo, der seit 2015 das Amt ausfüllt. Die OAS formuliert zwar keine bindende Entschlüsse, aber symbolisch bedeutsame Resolutionen insbesondere in Menschenrechtsfragen.
Almargo galt als scharfer Kritiker der Linksdiktaturen in Venezuela, Kuba und Nicaragua mit guten Verbindungen zur US-Administration. Bislang galt es als ausgemacht, dass der Außenminister Paraguays, Ruben Ramirez, dessen Nachfolger werden würde. Eine Kandidatur, mit der offenbar auch die neue US-Administration leben konnte. Genau das aber wurde Ramirez nun zum Verhängnis.
Einflussreiche Länder wie Brasilien oder Uruguay zogen ihre zuvor gegebene Zusage zurück und wechselten kurz vor der Abstimmung die Pferde. Auch Mexiko, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Costa Rica oder die Dominikanische Republik erklärten daraufhin ihre Unterstützung für Surinams Außenminister Albert Ramdin, der als Kandidat der links regierten Länder gilt und gegen Trump in Position gebracht werden soll.
Paraguays Präsident Santiago Peña reagierte erbost: „In den letzten Tagen wurde Paraguay auf plötzliche und unerklärliche Weise von befreundeten Ländern in der Region, mit denen wir einen gemeinsamen Raum und eine gemeinsame Geschichte teilen, darüber informiert, dass sie ihr ursprüngliches Engagement für unser Land geändert und beschlossen haben, den Vorschlag Paraguays nicht zu unterstützen“, wird Peña in paraguayischen Medien zitiert.
In Asunción wittert man Verrat und zog den eigenen Vorschlag zurück, um die Blamage eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden. Der Hintergrund der Personalie ist klar: Die bevölkerungsreichen Länder wie Brasilien, Kolumbien oder Mexiko – allesamt links regiert – erwarten von Albert Ramdin künftig eine Trump-kritische Position in der OAS, die ihren Sitz in Washington hat.
Die Veränderung der bisherigen Haltung Brasiliens und Uruguays sei eine Reaktion auf die „Haltung des US-Präsidenten Donald Trump mit seiner protektionistischen Politik“, sagte Ex-Senator und Politik-Analyst Mario Paz Castaing der Zeitung La Nacion; „Das hat wahrscheinlich zu einer Änderung der Position geführt.“
In diplomatischen Kreisen arbeiten inzwischen zahlreiche Länder daran, in Lateinamerika ein stärkeres Gegengewicht zu den USA aufzubauen. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lud vor wenigen Tagen Mexiko, Kolumbien und Uruguay zur Teilnahme am nächsten BRICS-Gipfel im Juli nach Rio de Janeiro ein. Ein klares Signal, dass er dem Bündnis, zu dem auch Russland und China gehören, noch mehr Gewicht im sogenannten Globalen Süden verleihen will.
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro will das vor allem von Linksdiktaturen und Linkspopulisten ins Leben gerufene südamerikanische Staatenbündnis UNASUR wiederbeleben. Entscheidend für die mittel- und langfristige Ausrichtung Lateinamerikas sind aber mehrere anstehende Wahlen im kommenden Jahr. Sowohl Brasilien als auch Kolumbien wählen einen neuen Präsidenten.
Neue Verbündete für Trump in Sicht
In den beiden Ländern leben zusammen rund 260 Millionen Menschen. Sie haben mit Petro und Lula da Silva starke Trump-Kritiker in den Präsidentenpalästen. Petro kann wegen einer in der Verfassung festgeschriebenen Amtszeitbegrenzung nicht wiedergewählt werden, seine linkspopulistische Regierung steht allerdings nach internen Machtkämpfen und einem in der Abwärtsspirale befindlichen Friedensprozess ohnehin vor einem Scherbenhaufen. Eine Rückkehr einer konservativen oder Mitte-Rechts-Regierung ist wahrscheinlich.
In Brasilien – dem Schlüsselstaat Lateinamerikas – kämpft Lula da Silva derzeit mit schlechten Umfragewerten. Wer 2026 gegen Lula antreten wird, ist noch völlig offen. Sein aussichtsreicher Rivale Jair Bolsonaro muss sich derzeit wegen Putschvorwürfen vor der Justiz verantworten, die als regierungsnah gilt.
Sollte auch in Brasilien eine rechte Regierung an die Macht zurückkehren, würden die Karten im Machtpoker südlich des Rio Bravo ganz neu gemischt. Dann hätte die Trump Regierung mit Javier Milei in Argentinien und auch in Bogota und Brasilia ab Ende 2026 neue Verbündete.
Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.
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