Zwischen Union und SPD ist ein Streit über die Auslegung der gemeinsamen Sondierungsvereinbarung zur Migrationspolitik entbrannt. SPD-Chefin Saskia Esken widersprach am Montag vehement Äußerungen aus der CDU, wonach Deutschland unter der künftigen Regierung Asylbewerber an den Grenzen auch ohne Einverständnis der betroffenen Nachbarländer zurückweisen könne. Ein solches Vorgehen wäre „brandgefährlich“, weil es europäischen Vereinbarungen widerspräche, sagte Esken im Deutschlandfunk. „Wir haben etwas anderes vereinbart, und dabei bleiben wir auch.“
Der Streit dreht sich um den Passus in dem gemeinsamen Sondierungspapier, wonach Zurückweisungen künftig „in Abstimmung“ mit den Nachbarländern vorgenommen werden könnten. CDU-Vizechef Jens Spahn hatte dies so gedeutet, dass Zurückweisungen von Asylbewerbern notfalls auch gegen den Willen der europäischen Partner erfolgen könnten. „Da steht nicht zustimmen, sondern in Abstimmung“, sagte Spahn dem Portal Table.Briefings. „Wir machen uns nicht abhängig von der Zustimmung der anderen Länder.“
Esken widersprach der Lesart von Spahn in dem Deutschlandfunk-Interview ausdrücklich. Sie warnte die Union vor dem Versuch, in der Migrationspolitik „mit dem Kopf durch die Wand zu gehen“. Sie selbst werde „ganz klar dagegen halten, wenn es weiter debattiert wird“. Das Thema müsse beim nächsten Treffen von Union und SPD, für das es noch keinen Termin gebe, geklärt werden. Die SPD fühle sich dabei von den Formulierungen zur Migrationspolitik in den Sondierungsergebnissen bestärkt: „Wir haben ein Sondierungspapier, in dem das ganz klar geregelt ist.“
Esken warnte davor, dass unabgestimmte Zurückweisungen an den Grenzen schweren Schaden auf Ebene der europäischen Zusammenarbeit anrichten könnten. „Ich will sehr klar sagen, dass wir gerade in diesen Zeiten mit Putin auf der einen und Trump auf der anderen Seite es dringend notwendig haben, dass die europäische Union geeint bleibt und geeint agiert“, sagte die SPD-Vorsitzende.
Ihre Partei werde in der Migrationspolitik „weiter ihren Grundätzen folgen“, sagte sie. „Da geht es darum, dass wir Humanität und Ordnung in der Fluchtmigration wahren.“
Union pocht auf Zurückweisungen
Neben Spahn hatte sich auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, zu den Zurückweisungen ausgesprochen. „Zwischen CDU/CSU und SPD ist vereinbart worden, dass es Zurückweisungen an den deutschen Grenzen auch bei einem Asylgesuch geben wird“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Dabei werde ein Weg „im Konsens mit unseren europäischen Nachbarn“ gesucht.
Der Stopp der illegalen Migration sei nicht allein ein innen-, sondern auch ein vorrangiges außenpolitisches Ziel, sagte Frei weiter. „Wir wollen in Europa keine unnötigen Konflikte heraufbeschwören und zu gemeinsamen Lösungen kommen. Klar ist dabei aber auch: Die Sicherheit unseres Landes steht für uns an erster Stelle. Sie zu garantieren ist oberste Pflicht des Staates.“ Nach „Bild“-Informationen kündigte CDU-Chef Friedrich Merz intern an, er werde noch vor Amtsantritt mit den Nachbarländern sprechen.
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Sondierungsgespräche am Samstag ist eine schwarz-rote Regierung wahrscheinlicher geworden. Die Parteivorstände von CSU und SPD gaben am Sonntag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen, bei der CDU soll am Montag darüber befunden werden. In schwierigen Fragen etwa in der Migrationspolitik und dem Bürgergeld bewegten sich Union und SPD aufeinander zu.
Vereinbart haben CDU/CSU und SPD unter anderem die Zurückweisung auch von Asylsuchenden an Deutschlands Grenzen. Dies soll „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ geschehen, heißt es in der Sondierungsvereinbarung. CDU-Chef Friedrich Merz schloss deutsche Alleingänge dennoch nicht aus. „An erster Stelle steht für mich die Sicherheit unseres eigenen Landes“, sagte er am Sonntag.
Österreichs Regierung machte bereits deutlich, dass sie die deutschen Pläne zur Rückweisung von Asylbewerbern an der Grenze ablehnt – trotz grundsätzlicher Zustimmung zu einer restriktiveren Zuwanderungspolitik. Österreich werde solche Personen nicht annehmen, teilte das Innenministerium in Wien mit.
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