Eigentlich ist das Nato-Land und EU-Mitglied Rumänien aufgrund seiner Erfahrungen als Sowjetrepublik klar prowestlich, demokratisch und antirussisch eingestellt. Aber seit einiger Zeit gewinnt ein rechtsextremer Politiker, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die rumänischen Faschisten bewundert, immer mehr an Unterstützung – und bekommt nun auch noch Rückendeckung aus Washington.
Rumänien steht plötzlich im Zentrum eines transatlantischen Streits zwischen den Verbündeten von US-Präsident Donald Trump und jenen in Europa, die befürchten, dass eine entscheidende Wahl in einem Schlüsselstaat der Nato von Moskau manipuliert werden könnte. In der Auseinandersetzung mischen sich Fakten, Anschuldigungen, Spekulationen und Verschwörungstheorien.
Die Verfassungskrise in Rumänien war im November ausgebrochen, als der ultranationalistische, prorussische Kandidat Calin Georgescu aus dem Stand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewann. Nach einem allgemeinen Schockzustand in Bukarest und dem Rest Europas begannen die Behörden, Georgescus Wahlkampf genauer unter die Lupe zu nehmen.
Sie deckten angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten und Verbindungen zu zwielichtigen Personen auf. Es gab auch Berichte, dass Georgescu von ausländischer Einmischung profitiert haben soll, einschließlich starker Einflussnahme durch TikTok-Kanäle. Der Verdacht richtete sich gegen Russland.
Im Dezember, wenige Tage vor der Stichwahl zwischen Georgescu, der auch die Nato kritisiert, und einem EU-freundlichen Kandidaten, entschied das rumänische Verfassungsgericht, dass die gesamte Wahl manipuliert worden sei und annulliert werden müsse. Eine Wiederholung ist für den 4. Mai geplant, die Ermittler setzen derweil ihre Arbeit fort.
Am Sonntag nun untersagte die zentrale Wahlkommission Georgescu die Teilnahme an der Wahl. Eine offizielle Erklärung legte sie nicht vor, laut Medienberichten begründete sie ihre Entscheidung mit unvollständig eingereichten Unterlagen. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Georgescu spielten demnach keine Rolle. Er kann bis Mittwoch dieser Woche Berufung einlegen, doch es ist unwahrscheinlich, dass er damit Erfolg haben wird.
In dem Strafverfahren gegen Georgescu, das die rumänische Staatsanwaltschaft Ende Februar eingeleitet hat, werden ihm unter anderem Anstiftung zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, falsche Angaben zur Wahlkampffinanzierung und die Gründung einer faschistischen und antisemitischen Organisation vorgeworfen. Vergangene Woche hatte Rumänien zwei russische Diplomaten ausgewiesen, wegen mutmaßlicher Einmischung zugunsten von Georgescu.
„Beweis“ für eine Verschwörung
Für Zyniker und Regierungskritiker – darunter Trumps mächtiger Berater Elon Musk – ist die Entscheidung der Wahlkommission ein weiterer Beweis für eine Verschwörung des europäischen Establishments, da sich die alten Parteien mit dem sogenannten „Deep State“ verbünden, also einem Staat im Staate, der die eigentliche Macht hat und die Geschicke des Landes lenkt.
Ein Problem für die rumänische Demokratie ist, dass viele Menschen im Land und auch neutrale Beobachter in dieser Sichtweise durchaus ein Körnchen Wahrheit finden. Die Ernüchterung über das politische Establishment ist weitverbreitet. Und Georgescu hatte einen radikalen Wandel angeboten. Auf der anderen Seite stehen jene im proeuropäischen Zentrum in Bukarest, Brüssel und anderswo, die befürchten, dass hier eine klassische russische Einmischung in die Wahlen eines anderen Landes stattgefunden hat.
Die Reaktion auf die Entscheidung der Wahlkommission folgte am Sonntag auf dem Fuße. Georgescu-Anhänger protestierten vor dem Gebäude, einige durchbrachen die Absperrgitter der Polizei, warfen mit Pflastersteinen und Feuerwerkskörpern, steckten das Mobiliar von Straßencafés in Brand. Die Polizei setzte Tränengas ein.
In den Sozialen Medien machten die Unterstützer Georgescus ihre Empörung öffentlich. Georgescu selbst griff das Verschwörungsnarrativ auf und beschloss, die Entwicklung als Problem von internationaler Tragweite darzustellen. „Ein direkter Schlag ins Herz der Weltdemokratie“, schrieb er auf Musks Plattform X. „Wenn die Demokratie in Rumänien fällt, fällt die ganze demokratische Welt! Das ist erst der Anfang. So einfach ist das! Europa ist jetzt eine Diktatur, Rumänien ist eine Tyrannei!“
Georgescus Geschichte macht ihn zu einem attraktiven Fall für Trumps MAGA-Anhänger. Als Unabhängiger setzte er sich gegen LGBTQ+-Rechte ein, kritisierte die EU und ihre Unterstützung für die Ukraine und drückte seine Bewunderung für Putin, die ehemalige faschistische Führung Rumäniens und Dracula aus. Die TikTok-Videos des 62-Jährigen zeigten ihn unter anderem beim Training auf einer Pferderennbahn und beim Reiten in traditioneller rumänischer Tracht.
Sowohl Musk als auch US-Vizepräsident J.D. Vance hatten bereits im vergangenen Jahr die Annullierung der Wahl als Beweis dafür kritisiert, dass die europäische Politik von Eliten korrumpiert werde, die das Ergebnis nicht akzeptieren könnten. Am Sonntag retweetete Musk Beiträge auf X, in denen die Entscheidung der Wahlkommission, Georgescus Kandidatur zu verbieten, verurteilt wurden und als „verrückt“ bezeichnet. Solche Kommentare könnten die Unzufriedenheit in Rumänien weiter anheizen.
„Wenn diese Aussagen noch einmal von Vance und Musk oder wem auch immer kommen, werden die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Beschwerden von der Trump-Regierung bestätigt werden“, sagt Oana Popescu-Zamfir, Direktorin des GlobalFocus Center, einem Thinktank für Außenpolitik und Sicherheit in Bukarest. Dies sei nicht nur eine russische Einmischung, sondern eine doppelte Einmischung – aus Moskau und Washington.
Die neue Allianz zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus löst in Bukarest Kopfschütteln aus. Während des Kalten Krieges war Rumänien unter kommunistischer Herrschaft eines der prowestlichsten Länder Europas, das Verbindungen zu den USA unterhielt und Moskau misstrauisch gegenüberstand.
Die meisten Politiker und viele Wähler des Landes betrachten die Nato-Mitgliedschaft und die prowestliche Ausrichtung Rumäniens als nicht verhandelbar. Rumänien beherbergt ein US-Raketenabwehrsystem und einen großen Nato-Stützpunkt, der zur größten Basis des Bündnisses in Europa ausgebaut wird. Das Land spielte auch eine wichtige Rolle als Verkehrsknotenpunkt für die Ukraine, seinen Nachbarn im Norden.
Doch in der zweiten Ära Trump hat sich alles verändert – und die vorherrschende proeuropäische und proamerikanische politische Kultur Rumäniens ist in Gefahr. Sich Washington zuzuwenden, bedeutet heute nicht mehr automatisch, Moskau den Rücken zu kehren.
„Letztlich profitiert der Kreml davon“, so Popescu-Zamfir. „In den letzten Tagen hat es so viele Enthüllungen zwischen Georgescu und seinen Wählern, Anhängern und dem Kreml gegeben. Normalerweise würde man in einem Land wie Rumänien mit einer starken antirussischen Stimmung erwarten, dass die Menschen davon abgeschreckt werden.“ Aber das Gegenteil sei vermutlich der Fall, sagt Popescu-Zamfir.
„Ich denke, das ist das eigentliche Ziel des Kremls: kurzfristig Chaos und Verwirrung zu stiften – das haben sie bereits erreicht – und langfristig Einfluss zu gewinnen und sichtbar präsent zu sein“, sagte Popescu-Zamfir. „Moskau will sich nicht beliebt machen, sondern gefürchtet werden. Und ich glaube, das wird bald erreicht sein.“
Dieser Artikel erschien zuerst in der WELT-Partnerpublikation „Politico“. Übersetzt, ergänzt und redaktionell bearbeitet von Jens Wiegmann.
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