Die Euphorie seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist verflogen. Nun droht mitten im Zoll-Chaos der Regierungsstillstand, wenn die Demokraten nicht ihre Zustimmung zu einem Übergangshaushalt geben. Was bedeutet das für Wirtschaft und Wall Street?

Die Entscheidung, ob die Demokraten in den USA für oder gegen einen Shutdown stimmen, entwickelt sich in den letzten Stunden bis zur Abstimmung zu einem Drama. Kurz sah es so aus, als würde es nicht zum befürchteten Regierungsstillstand kommen. Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, hatte am Nachmittag seinen erbitterten Widerstand gegen das Haushaltsgesetz der Trump-Regierung aufgegeben. Damit schien es wahrscheinlich, dass es den Republikanern gelingen würde, sechs Demokraten auf ihre Seite zu ziehen, um die nötige Mehrheit von 60 Stimmen im Senat für ihren Übergangshaushalt zu erreichen. Wie der US-Sender CNN wenige Stunden später berichtet, löste Schumer damit jedoch einen heftigen Streit in seiner Partei aus. Angeblich soll es nun Bestrebungen geben, ihn abzusetzen.

Selbst wenn die Demokraten sich noch auf einen Kurs einigen und der Shutdown in letzter Minute abgewendet wird, bleibt fraglich, ob das Ergebnis als Erfolg gewertet werden kann. Jubel darf wohl nicht erwartet werden. Für die Demokraten ist die Abstimmung nicht weniger als eine Wahl "zwischen Pest und Cholera", wie die Finanzexpertin und Amerika-Kennerin Sandra Navidi im Gespräch mit ntv.de sagt: Stimmen sie gegen den Übergangshaushalt der Republikaner, bedeutet das, dass der Regierungsapparat möglicherweise für lange Zeit geschlossen bleibt und in einer Form wiedereröffnet wird, in der er nicht wiederzuerkennen ist.

Wie das US-Magazin "Wired" schreibt, würde Trumps oberster Schock-Sparer Elon Musk einen Shutdown befürworten. Vermutlich würde er das Chaos nutzen, um weitere Massenentlassungen im Regierungsapparat zu veranlassen und ganze Behörden zu schließen, heißt es. Es gehe um nicht weniger als den Fortbestand der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, warnt die Wahl-New-Yorkerin Navidi. "Sollten diese privatisiert, zusammengestrichen oder zweckentfremdet werden, würde das dramatische Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft haben."

Nicht minder riskant ist es, den Übergangshaushalt der Republikaner zu akzeptieren. Damit hätten Trump und Musk noch mehr Spielraum bei der Verwendung von Bundesmitteln und bei Kürzungen, als sie ohnehin schon haben. "Die Demokraten müssen also die Risiken abwägen", sagt Navidi, Gründerin und Chefin der Beratungsfirma BeyondGlobal.

"Börsianer würden im Trüben fischen"

Die Folgen für die US-Wirtschaft durch einen Shutdown sind dabei nicht das größte Problem. Sie seien verkraftbar, wie Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege von Capitell Vermögens-Management, im Gespräch mit ntv.de sagt. Eine Woche Stillstand reduziere das US-Wirtschaftswachstum um etwa 0,1 Prozent. Das sei zwar ein "durchaus nennenswerter Faktor". Da ein Shutdown aber im Schnitt maximal zwei Wochen dauert, könnten 80 bis 85 Prozent der negativen Effekte schnell wieder aufgeholt werden. Schlimmer sei, dass den Investoren durch die Behördenschließungen "die Wasserstandsmeldungen aus der Wirtschaft" fehlten. Denn ohne die entsprechenden Beamten gebe es auch keine offiziellen Konjunkturdaten. "Börsianer würden dann deutlich länger im Trüben fischen", sagt Schickentanz.

Grund zur Schwarzmalerei sieht Schickentanz dennoch nicht. Die Tatsache, dass rund 100.000 Staatsbedienstete Musks Job-Axt zum Opfer fielen, habe die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosengeld bisher nicht in die Höhe schnellen lassen. Grund dafür könnten Freistellungen und Lohnfortzahlungen sein. Hinzu kämen eine Reihe von Gerichtsurteilen, die die US-Verwaltung zwingen würden, Entlassene wieder einzustellen. Auch gebe der Staat unter Trump bisher "mindestens genauso viel, wenn nicht sogar etwas mehr aus als unter seinem Vorgänger Biden", sagt Schickentanz. Das liege daran, dass die Gehälter letztlich nur einen winzigen Bruchteil des Gesamtbudgets ausmachten. Musk könne gar nicht so viele Einsparungen vornehmen, wie er sich vorgenommen habe.

Dass ein Ausgabenstopp in den USA eine Rezession auslösen könnte, hält Schickentanz für eher unwahrscheinlich. Wichtiger für die Wirtschaft sei, dass die Unternehmen weiter investierten und die privaten Haushalte weiter konsumierten. "Erst ein Shutdown von sechs oder acht Wochen könnte so negative Auswirkungen haben, dass die USA in eine Rezession rutschen."

Die Zahlungsunfähigkeit ist nicht vom Tisch

Entwarnung gibt es aus seiner Sicht auch aus einem anderen Grund: Bei diesem Shutdown geht es nur um fehlende Haushaltsmittel und nicht um das Problem, dass die Schuldenobergrenze erreicht ist. Das bedeutet, dass im Falle eines Shutdowns nicht alle Beamten in den Zwangsurlaub geschickt werden, sondern nur diejenigen, die an unkritischen Stellen in der Verwaltung sitzen. Bei einem Shutdown light - ohne Zahlungsunfähigkeit - kann auch der Rentenmarkt aufatmen, da die USA weiterhin Zinsen auf ihre Staatsanleihen zahlen können.

Die schlechte Nachricht: Das Thema Shutdown ist damit nicht vom Tisch. Denn im September dürfte die Schuldenobergrenze erreicht sein. Im Sommer werde man deshalb "wahrscheinlich eine ähnliche Diskussion erleben", so Schickentanz. Und das könne durchaus "nervöse Wochen" bedeuten.

Letztlich ist aus Sicht der Experten nicht ein Shutdown an sich das Problem - davon gab es in der Vergangenheit viele. Es ist das Chaos, das Trump in wirtschaftspolitischen Fragen anrichtet: Strafzölle ankündigen, in Kraft setzen und dann in letzter Minute wieder aussetzen. "Die Wirtschaft ist kein Lichtschalter. Man kann Unternehmen nicht nach Belieben ein- und ausschalten. Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Wenn sie sich nicht darauf einstellen können, ob sie ihre Lieferketten wieder anpassen und Preise neu gestalten müssen, dann ist das Gift." Mit Zöllen könne die Wirtschaft im Zweifel gut leben, "aber nicht mit diesem Hickhack", so Schickentanz weiter.

Maximale Ungewissheit

"Die Wall Street auf Talfahrt, Unternehmenschefs in Panik und ein Rechtssystem, das am seidenen Faden hängt. Wenn zu all dem Chaos jetzt auch noch ein Shutdown kommt, würde er die ohnehin bereits maximale Ungewissheit verschlimmern", sagt auch die Finanzexpertin Navidi.

Auch ohne Shutdown sind die Risiken nicht kontrollierbar: "Das Schlimmste wäre, wenn wir in einen unkontrollierten Handelskrieg abrutschen", so Schickentanz. Wenn bei Zöllen das rechte Maß verloren ginge und nur noch Abschreckung zähle, "wenn wir uns in diesem ständigen Hin und Her auf nichts mehr verlassen könnten, wäre das der Super-GAU im Vergleich zum jetzigen GAU." Objektiv, wenn man sich die harten Fakten anschaue, "sind wir hier auf einer Skala von 1 bis 10 bei einer 3. Gefühlsmäßig aber eher schon bei 7 oder 7,5."

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke