Die Bevölkerung wächst, die Haushalte aber werden kleinteiliger: Deutschland muss bis 2030 jährlich mehr als 320.000 neue Wohnungen bauen und damit mehr als zuvor prognostiziert. Von der Wohnraumnot sind nicht nur Großstädte betroffen, wie eine interaktive Karte zeigt.

Die kommende Bundesregierung hat im Bereich des Wohnungsneubaus immense Aufgaben vor der Brust. Der Bedarf an Neubauten bleibt nicht nur hoch, sondern steigt sogar leicht. Im Zeitraum von 2023 bis 2030 werden rund 320.000 neue Wohnungen jährlich benötigt, wie aus einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervorgeht. Damit liegt der Bedarf höher als die Anzahl der zuletzt pro Jahr fertiggestellten Wohnungen - im Jahr 2023 waren es demnach 294.000.

Die scheidende Bundesregierung hatte sich angesichts des dringenden Wohnungsmangels zum Ziel gesetzt, pro Jahr rund 400.000 Wohnungen neu zu bauen, dies aber in keinem einzigen Jahr erreicht. 2024 wurden lediglich rund 172.100 Neubauwohnungen genehmigt und damit fast ein Fünftel weniger als im Jahr zuvor.

Der Neubaubedarf unterscheidet sich je nach Region deutlich, wie die grafische Aufbereitung der BBSR-Zahlen zeigt. Die kreisfreien Großstädte und ihre angrenzenden Landkreise liegen demnach bei den benötigten Wohnungen vorn, Regionen in der Peripherie brauchen deutlich weniger neuen Wohnraum. Allein die Nachfrage in den größten deutschen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln und Düsseldorf macht laut Prognose mit jährlich 60.000 benötigten neuen Wohnungen ein Fünftel des gesamten Bedarfs aus.

"Die Zahl der Haushalte wird unserer Prognose zufolge bis 2030 um 1,3 Prozent auf 42,6 Millionen wachsen. Das treibt die Nachfrage nach Wohnraum weiter an", gab BBSR-Wohnungsmarktexpertin Anna Maria Müther an. Danach wird die Bevölkerungsgröße voraussichtlich leicht zurückgehen, der Bedarf nach mehr Wohnungen dennoch zunehmen. Diese zunehmende Zahl der Haushalte begründet das BBSR mit dem "anhaltenden Trend der Singularisierung und Alterung". Das heißt: Es gibt immer mehr Singles und Rentner, die zwar weniger Platz brauchen, dafür aber insgesamt mehr Wohnungen.

Das müssen nicht alles Neubauten sein, sondern schließt auch die Ertüchtigung alter Immobilien, den Ausbau von Dachgeschossen und die Umwandlung von Gewerbeimmobilien mit ein. Von den rund 320.000 Wohnungen, die es braucht, entfallen laut BBSR etwa 70 Prozent auf Geschosswohnungen und die übrigen 30 Prozent auf Ein- und Zweifamilienhäuser.

Zudem weist das BBSR darauf hin, dass beispielsweise eine bessere Verkehrsanbindung schwächer nachgefragter Landkreise die Wohnungsnachfrage in besonders überrannten Regionen entlasten kann. Solche Entwicklungen kann die Prognose eingeschränkt abbilden. Das Gleiche gilt für unvorhersehbare Ereignisse wie plötzliche Bevölkerungszunahmen, etwa durch eine große Zahl an Geflüchteten. Ferner sind die Zahlen nicht nur Ausdruck sich entwickelnder Nachfrage, sondern bilden auch den Nachholbedarf ab, weil in den vergangenen Jahren schon zu wenig gebaut wurde und Menschen in Wohnverhältnissen ausharren, aus denen sie eigentlich rauswollen.

Nicht den Leerstand von morgen schaffen

Den größten "einwohnerbezogenen Bedarf" sieht die Prognose in kreisfreien Städten und Landkreisen in Süddeutschland. Spitzenreiter ist dabei die Stadt Landshut mit einem Bedarf von jährlich 87 Wohnungen je 10.000 Einwohner, gefolgt von den Landkreisen Regensburg (83) und Kempten im Allgäu (77). Am wenigsten Bedarf gibt es den Berechnungen zufolge im Landkreis Weimarer Land mit fünf benötigten neuen Wohnungen je 10.000 Einwohner.

"Vor allem in den großen Zentren bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bleibt auch mit dieser Prognose einer der großen sozialen und wohnungspolitischen Aufgaben aller am Bauprozess beteiligten Institutionen", erklärte das BBSR. "Neue Wohnungen müssen vor allem in den wachstumsstarken Großstädten und ihrem Umland entstehen", führte Müther aus. "Moderat" sei der Bedarf an Neubau hingegen in vielen ländlichen Gegenden. "Gerade in Landkreisen mit abnehmender Bevölkerungszahl kommt es darauf an, nicht den Leerstand von morgen zu schaffen und vor allem den Bestand zu entwickeln", erklärte sie.

Baubranche und Verbände machen Druck auf Schwarz-Rot

Das Thema Wohnen beschäftigt auch CDU, CSU und SPD in ihren laufenden Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition. Die Bau- und Wohnbranche vermisst aber das Thema bezahlbares Wohnen in den dem Koalitionsgesprächen zugrundeliegenden Sondierungspapier der potenziellen Regierungsparteien - und pocht auf eine Korrektur. "Die wirtschaftliche Bedeutung, die der Wohnungsbau als Motor für die Binnenkonjunktur hat, muss sich im Koalitionsvertrag widerspiegeln", heißt es in einem vergangene Woche öffentlich gewordenen Appell von sieben Branchenverbänden an die Verhandlungsteams von Union und SPD. "Es ist höchste Zeit, dass wieder mehr Wohnungen gebaut werden - dass die Zahl der begonnenen Neubauten wieder signifikant nach oben gehen."

Ziel müsse sein, pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen mit einer maximalen Kaltmiete von 8,50 pro Quadratmeter und 60.000 grundsätzlich bezahlbare Wohnungen mit einer Mietspanne zwischen 10 und 12,50 Euro pro Quadratmeter neu zu bauen. Die Branchenverbände veranschlagen hierfür eine staatliche Förderung von Bund und Ländern in Höhe von 15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, weitere 8 Milliarden Euro für den Bau bezahlbarer Wohnungen. "

An dem Aufruf beteiligten sich die Bau-Gewerkschaft IG BAU, der Deutsche Mieterbund, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel.

Zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DB) wandte sich der Deutsche Mieterbund erneut an die Verhandler und forderte, dem Thema Wohnen Priorität einzuräumen. "Das Thema Wohnen muss ganz oben auf die politische Agenda gesetzt werden", zitierten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland aus einem Brief an die Verhandlungsspitzen. "Wir fordern im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD entschlossene Maßnahmen für eine soziale und gerechte Wohnungspolitik", schreiben DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell und Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten. Sie erneuerten die Forderung nach unter anderem 100.000 Sozialwohnungen jährlich.

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