Der Winter nähert sich dem Ende. Für viele Haushalte endet damit erneut eine Heizperiode, in der sie falsch geheizt haben - unverschuldet. "80 Prozent der Heizungsanlagen in Mehrfamilienhäusern befinden sich nach 30 Jahren immer noch in den Werkseinstellungen", sagt Green-Fusion-Chef Paul Hock im "Klima-Labor" von ntv. "Die können gar nicht richtig laufen." Das Ergebnis? Die Wärmeleistung vieler Heizungen ist viel zu hoch. Sie verschwenden Energie, CO2, vor allem aber Geld. Das trifft Hock zufolge auch auf die anderen 20 Prozent der Heizungen zu: "Die wurden wahrscheinlich einmal voll aufgedreht und laufen anschließend mit maximaler Leistung durch." Was tun? Wenn der Heizkörper so warm wird, dass er glüht, informiert man am besten den Vermieter. "Dann gehen wir in den Heizungskeller und fangen mit dem Optimieren an", sagt Hock.
ntv.de: Wie viele Leute in Deutschland benutzen ihre Heizung eigentlich richtig oder optimal?
Paul Hock: Nicht viele. Eine Statistik der Hersteller besagt, dass sich 80 Prozent der Heizungsanlagen nach 30 Jahren immer noch in der Werkseinstellung befinden. Die können also gar nicht richtig laufen. Darauf haben die Mieter aber keinen Einfluss, denn in Mehrfamilienhäusern steht die Heizungsanlage normalerweise im Keller. Da kommen sie nicht ran.
Die allermeisten heizen falsch, können aber nichts dafür?
Beim Heizen sind zwei Faktoren entscheidend: Die Mieterinnen und Mieter sollten in ihren Wohnungen nicht an den Heizungen herumspielen, sondern konstant heizen lassen. Dazu kommt der Gaskessel oder was auch immer im Heizungskeller. Der muss so eingestellt sein, dass er nur so viel Wärme in die Wohnungen schickt, wie tatsächlich benötigt wird.
Herumspielen?
Die meisten Menschen drehen ihre Heizung auf, wenn sie nach Hause kommen, und wieder runter, sobald der Heizkörper anfängt zu glühen und das Wohnzimmer warm wird. Richtig wäre es, die Heizung konstant mit gleichbleibender Temperatur laufen zu lassen. Eigentlich sollte man eine Raumtemperatur von 21 bis 22 Grad auch erst dann erreichen, wenn das Thermostat auf 3 oder 4 steht. Bei 2 sollte sich kein Wohnzimmer komplett aufwärmen.
Wenn die Heizung auf 5 anfängt zu glühen, läuft etwas falsch?
Dann wurde wahrscheinlich die Vorlauftemperatur der zentralen Heizungsanlage zu hoch eingestellt.
Man stellt die Heizung also auf 3, lässt sie den ganzen Winter so und schaltet sie auch nicht aus, wenn man mal einen Tag nicht in der Wohnung ist?
Doch. Man sollte sie nur nicht tagsüber hoch- und herunterfahren. Natürlich muss man auch beachten, wie gut oder schlecht das Gebäude Wärme hält. Allein deshalb wäre es wichtig, zu beobachten, wie die Heizungsanlage funktioniert. Aber wenn man einen Tag lang nicht zu Hause ist, kann man das Thermostat komplett herunterdrehen.
Was genau läuft denn falsch, wenn die Anlage mit den Werkseinstellungen läuft?
Wenn ein Gaskessel in ein Mehrfamilienhaus eingebaut wurde, hat ein Planungsbüro vorher den Bedarf berechnet. Anschließend wurde aber nie geprüft, ob das Gebäude verändert wurde. Auch die Zahl der anwesenden Mieter beeinflusst den Heizbedarf: Wie viele Wohnungen müssen erwärmt werden? Die Wetterprognose spielt ebenfalls eine Rolle. Eine Heizungsanlage orientiert sich normalerweise an der Außentemperatur und geht bei 20 Grad aus. Davon hängt auch die Vorlauftemperatur ab. Ist es tagsüber sehr warm, nachts aber noch kalt, kann man das berücksichtigen und eine gewisse Intelligenz ins Heizungssystem bringen.
Vorlauftemperatur?
Soll die Anlage optimal laufen, muss man überprüfen, wie warm das Wasser in den Heizkreislauf hineingeht und wie warm es wieder herauskommt. Viele Anlagen sind häufig überdimensioniert. Die wurden vor 10 oder 20 Jahren eingebaut, als die Winter kälter waren und das Planungsbüro sicher sein wollte, dass das Haus auch am kältesten aller Tage komplett warm wird.
Schön, wenn das immer noch sicher wäre.
Ist es auch. Dafür muss man bei der Anlage aber keinen Puffer von 20 oder 30 Prozent einplanen. Erst recht nicht, wenn das Gebäude gedämmt oder die Fenster ausgetauscht wurden und es jetzt mehr Wärme hält als früher: Geht das Wasser mit einer Vorlauftemperatur von 60 Grad in den Kreislauf hinein und kommt mit einer Rücklauftemperatur von 55 Grad wieder heraus, wurde kaum Wärme abgegeben.
Wenn der Heizkörper glühend heiß wird, bittet man die Hausverwaltung am besten um eine Überprüfung der Anlage?
Genau. Unsere Kunden sind Wohnungsgesellschaften, kommunale Genossenschaften, im Zweifel auch Hausverwaltungen. Das Problem liegt in deren Händen. Ich kann als Mieter nicht einfach in den Heizungskeller gehen und die Einstellungen verändern. Das sollte man auch nicht probieren. In der Vergangenheit war es aber häufig so, dass Mieter an kalten Tagen überzeugt waren: Die Heizung läuft auf 2 nicht so warm wie gewünscht. Also haben sie den Hausmeister angerufen, der ist in den Keller gegangen und hat die Heizleistung maximal aufgedreht, damit sich niemand mehr beschwert. Viele Anlagen verschwenden deswegen Energie, somit auch CO2, vor allem aber Geld. Die Gaskosten haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt und verdreifacht, das tut richtig weh.
Die Anlagen werden aufgedreht und nie wieder angefasst?
Das ist unsere Erfahrung, ja. 80 Prozent der Anlagen befinden sich nach 30 Jahren nach wie vor in den Werkseinstellungen. Die anderen 20 Prozent wurden vielleicht früher mal überprüft, aber in der Regel laufen sie mit maximaler Leistung durch. Bei diesen Anlagen hat das Wasser oftmals sogar eine Vorlauftemperatur von 80 Grad. Das ist auch der Grund, warum nur wenige Mehrfamilienhäuser eine Wärmepumpe erhalten.
Weil man glaubt, eine Heizung müsste diese Vorlauftemperaturen erreichen?
Genau. Wir haben 1500 Anlagen in Mehrfamilienhäusern optimiert und bei den Betriebskosten 14 bis 18 Prozent eingespart - ohne großen Aufwand. Man geht einfach in den Heizungskeller und fängt an, die Anlage zu optimieren. Klar, es macht einen Unterschied, ob 10 oder 50 Parteien in einem Haus leben, aber das rechnet sich schnell für die Mieter. Das spart mehrere Tausend Euro im Jahr.
Und damit sind alle einverstanden?
Unser Ziel ist Komfort und Hygiene, dabei soll es keine Einschränkungen geben. Wir haben auch Vorgaben, welche Solltemperatur in einer Wohnung erreicht werden muss. Aber natürlich ist speziell Komfort etwas Subjektives. Das heißt aber nicht, dass der Heizkörper so heiß werden muss, dass man ein Spiegelei darauf braten kann. Wir haben 1500 Anlagen optimiert und eine kleine zweistellige Zahl an Rückmeldungen erhalten, wo etwas korrigiert werden musste.
Sinkende Betriebskosten sind für die Wohnungsgesellschaft kein Grund, das Problem anzugehen.
Vermieter sind verpflichtet, die Heizungen zu optimieren. Sie müssen auch CO2 einsparen. Unsere Kunden haben verstanden, dass die Optimierung der Heizungsanlage die schnellste und einfachste Maßnahme ist. Das verursacht ihnen keinen Aufwand und kaum Ausgaben. Und die dürfen sie anschließend sogar auf die Betriebskosten umlegen - die Mieter sparen trotzdem.
Was genau machen sie eigentlich im Heizungskeller? Überprüfen Sie die Anlage persönlich?
Nein, wir arbeiten mit Daten. Wenn bereits eine Wärmepumpe installiert wurde, erhalten wir sie direkt vom Hersteller. Wenn dort ein Gaskessel steht, schrauben wir eine Box an die Wand und stecken Temperaturfühler in das Vor- und Rücklaufsystem. Darüber kann man sekündlich aus der Ferne nachverfolgen, mit welcher Temperatur das Wasser reingeht und zurückkommt, um das System zu optimieren. Wir können die Wohnungsgesellschaften auch informieren, wenn ein Gaskessel ein Problem hat.
Sie können einen Heizungsausfall vorhersagen?
Das ist neben der Optimierung das zweite wichtige Thema: Müssen erst 16 Mieter die Hausverwaltung anrufen, wenn die Heizung ausfällt? Unser System erkennt, dass die Temperatur in den Heizungsrohren sinkt. Dann kann man bereits ein Wartungsunternehmen hinschicken und den Fehler beheben. Im besten Fall bemerkt gar keiner, dass es ein Problem gab.
Erkennt das System in einem warmen Winter auch einen extrem kalten Tag rechtzeitig?
Ja, das arbeitet intelligent und orientiert sich an der Außentemperatur. Fällt das Thermometer auf minus 12 Grad, wird die Vorlauftemperatur entsprechend erhöht. Das Gebäude kühlt auch nicht direkt nach ein oder zwei sehr kalten Tagen aus, das ist träge. Diese Spitzen kann man abfangen. Perspektivisch wird das für Wärmepumpen ein größeres Problem. Wenn sie gut laufen, sind sie die sauberste und beste Heizlösung. Aber alle, die damit in einem Einfamilienhaus heizen, wissen wahrscheinlich, wie komplex eine Wärmepumpe sein kann - speziell im Vergleich zum Gaskessel.
Man kann mehr falsch machen?
Ja. Einen Gaskessel kann man notfalls überdimensionieren, also einen zu großen einbauen. Dann läuft er mit einer höheren Temperatur und verbraucht mehr Energie - das ist eben so. Eine Wärmepumpe ist deutlich teurer im Einkauf und auch sensibler. Die arbeitet ineffizient, taktet häufig und geht schnell kaputt, wenn sie nicht richtig betrieben wird. Und speziell, wenn zusätzlich eine Photovoltaikanlage aufs Dach kommt, die Mieter den Strom abnehmen oder damit einen Speicher oder ihr Elektroauto laden wollen, muss das richtig gemanagt werden. Das ist in einem Mehrfamilienhaus komplizierter als in einem Einfamilienhaus, und wie erwähnt: Speziell für Mehrfamilienhäuser fehlen uns bisher Erfahrungswerte.
Trauen sich Ihre Kunden trotzdem an Wärmepumpen ran?
Im Neubau sehr stark, bei Sanierungen inzwischen auch. Bei Bestandsgebäuden hakt es noch. Gaskessel raus, Wärmepumpe rein? Das haben alle auf dem Schirm, passiert bisher aber selten. Das wird der nächste Schritt.
Mit Paul Hock sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.
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