Die politische Krise nach der Festnahme des Erdogan-Gegners Imamoglu lässt auch den türkischen Finanzmarkt beben. Die Zentralbank und die Börsenaufsicht schreiten ein. Auch wenn der Crash vorerst gestoppt ist, bleiben die Investoren ängstlich.
Mit drastischen Schritten stemmt sich die Türkei gegen den Crash an der Börse. So erließ die Börsenaufsicht in Istanbul am vergangenen Abend vor Börsenstart am Montag ein generelles Verbot von Leerverkäufen. Das sind Aktiengeschäfte, mit denen Investoren auf fallende Kurse wetten. Zugleich lockerte die Aufsichtsbehörde Beschränkungen für Aktienrückkäufe und Anforderungen an die Eigenkapitalquote. Rückkäufe sind eine Möglichkeit für Unternehmen, den eigenen Aktienkurs zu unterstützen. Zuvor hatte auch die Zentralbank interveniert und unter anderem mit der Rekordsumme von zwölf Milliarden Euro versucht, den Absturz der türkischen Währung Lira zu bremsen.
Die Maßnahmen sind Reaktionen auf die Krise am türkischen Finanzmarkt. Diese war in der vergangenen Woche nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu ausgebrochen. Der populäre Istanbuler Bürgermeister ist der schärfste Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er war am Mittwoch festgenommen worden, wenige Tage vor seiner Nominierung zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die nächste Präsidentschaftswahl. Imamoglu werden zahlreiche Vergehen vorgeworfen, unter anderem im Zusammenhang mit Korruption und Unterstützung einer Terrorgruppe. Am Wochenende erließ die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Haftbefehl. Beobachter werten die Verhaftung als politisch motiviert.
Die Festnahme führte zu den größten Protesten in der Türkei seit rund zehn Jahren und auch zu Verwerfungen am Finanzmarkt. Die Börse in Istanbul sackte am Freitag in der Spitze um fast acht Prozent ab. Zeitweise wurde der Handel wegen zu hoher Verluste unterbrochen. Der Bankenindex gab mehr als neun Prozent nach. Seit der Verhaftung Imamoglus hat die Istanbuler Börse rund 16 Prozent an Wert verloren. Trotz einer leichten Erholung zu Beginn der neuen Woche notiert der Istanbuler Leitindex immer noch rund 15 Prozent unter dem Niveau von vor dem Crash.
Nach Kontrollverlust bleibe eine "Narbe"
Investoren stießen auch türkische Staatsanleihen ab. Im Gegenzug ging es mit den Renditen stark nach oben. Darin spiegelt sich das gestiegene Risiko wider, das die Investoren in den türkischen Staatsschulden sehen und für das sie eine entsprechend höhere Prämie verlangen. In der Laufzeit von zehn Jahren sprang die Rendite zeitweise um vier Prozentpunkte bis auf knapp 31 Prozent. Zum Vergleich: Deutsche Bundesanleihen werden aktuell mit einer Rendite von 2,76 Prozent gehandelt.
Die Landeswährung war zeitweise um elf Prozent auf ein Rekordtief abgestürzt. Ein Dollar kostete 42 Lira. Durch das Eingreifen der Notenbank stabilisierte sich der Kurs bei etwa 38 Lira Die Zentralbank beschloss nicht nur auf einem außerplanmäßigen Krisentreffen, den Zins für kurzfristige Kredite um zwei Prozentpunkte auf 46 Prozent anzuheben. Um den Lira-Verfall aufzuhalten, kaufte sie laut einem Bericht der "Financial Times" selbst für die Rekordsumme von fast zwölf Milliarden Dollar Lira am Devisenmarkt.
Die Zentralbank habe am Devisenmarkt zeitweise "die Kontrolle verloren", sagte ein türkischer Banker der FT. Davon werde eine "Narbe zurückbleiben" beim Vertrauen der Investoren. Bloomberg zitiert den Analysten Kyle Rodda mit der Warnung, dass die Behörden zwar vorerst die volatilen Märkte beruhigt hätten, "die grundlegenden Sorgen der Investoren sind aber geblieben".
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