Deutschland diskutiert seit Jahren, wie man die Altersvorsorge verbessern könnte und mehr Menschen an den Gewinnen des Aktienmarkts beteiligen kann. Doch bis zur Umsetzung kamen sie bisher nicht. Im Gegenteil: Gerade erst sind mit dem Scheitern der Ampelkoalition zwei vielversprechende Reformideen wieder ad acta gelegt worden: die Einführung des Altersvorsorgedepots und des Generationenkapitals. Stattessen fordert die SPD in den laufenden Koalitionsverhandlungen, die Abgeltungsteuer auf Aktiengewinne hochzusetzen – statt 25 auf 30 Prozent.
Würde sich das durchsetzen, wären Millionen Bürger betroffen, die mit Fondssparplänen, ETFs und Einzelaktien selbständig fürs Alter sparen. Es würde wohl auch genau das Gegenteil von dem bewirken, was Politiker, Ökonomen und Vorsorgeexperten seit Jahren fordern und erhoffen: dass Bürger mehr Eigenvorsorge betreiben und weniger auf den Staat angewiesen sind, besonders im Alter.
Schweden zeigt, wie Aktiensparen in der breiten Bevölkerung gehen kann. "Schweden ist ein Land der Aktionäre", sagte Matthias Voelkel von der Börse Stuttgart bei einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Dort seien Bürger über alle drei Säulen der Vorsorge viel stärker am Aktienmarkt investiert, sowohl bei der gesetzlichen Rente, als auch der betrieblichen Altersvorsorge und beim privaten Sparen. "In jeder dieser drei Säulen setzt Deutschland schwächer auf Aktien, was es in Summe dramatisch macht." Während schwedische Sparer im Durchschnitt auf ein Geldvermögen von 172.900 Euro pro Kopf kämen, sei es hierzulande nur die Hälfte.
Der Kapitalmarkt steigert die Wettbewerbsfähigkeit
Es beginne schon damit, dass in Schweden viel mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) börsennotiert seien, besagt die gemeinsame Auswertung von DAI und Börse Stuttgart. Ein Drittel der dortigen KMU habe nur eine Marktkapitalisierung unter 5 Millionen Euro. Zudem seien ihre Aktien in niedrige Nominalwerte gestückelt, wodurch sie entsprechend erschwinglich seien. So beschaffen sich die Unternehmen Fremdkapital für neue Geschäftsideen und für künftiges Wachstum von Großinvestoren und Privatsparern. "Der Kapitalmarkt ist kein Luxus, sondern wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes", sagte Peucker.

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Und die Anleger würden durch die Aktien direkt an den Unternehmensgewinnen und dem volkswirtschaftlichen Erfolg beteiligt. "Jeder fünfte Schwede hält Aktien an schwedischen Unternehmen, so stärken die Bürger die eigene Wirtschaft", sagte Voelkel. Hierzulande sei der Großteil der Dax-Unternehmen in der Hand ausländischer Großinvestoren, ergänzte DAI-Chefin Henriette Peucker.
Wie funktioniert Schwedens Aktienrente
Bereits in der ersten Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, setzt Schweden auf den Kapitalmarkt. Diese sogenannte Prämienrente gilt weltweit als Vorzeigemodell: Dort fließen 2,5 Prozent des Bruttolohns jedes Angestellten in Kapitalanlageprodukte, dafür stehen insgesamt rund 450 Aktien-, Anleihen- und Mischfonds zur Auswahl. Besonders beliebt ist dabei der bekannte Standardfonds AP7 Safa, der bisher jährlich eine Rendite von 6,4 Prozent real und nach Abzug der Inflation erwirtschaftet habe, betonte Voelkel.
Dazu käme in der zweiten Säule – also bei der betrieblichen Altersvorsorge – ein rund 40-prozentiger Aktienanteil. Viele deutsche Betriebsrenten setzen hier überwiegend auf Versicherungslösungen mit winzigen Renditen.
Altersvorsorgedepot
Zum freien Sparen nutzen viele Schweden das Anlegersparkonto. Das gibt es seit 2012 und "es ist einfach und schnell eingerichtet, es gibt keinen riesigen Behördenwasserkopf", präzisierte Voelkel. In Deutschland sei das anders: "Die hohen Eintrittsbarrieren sind ja auch ein Problem in Deutschland." In Schweden häufen mit dem Anlegersparkonto rund 3,8 Millionen Menschen bereits 134 Milliarden Euro über Aktien und Fonds an. Das deutsche Pendant dazu sollte das Altersvorsorgedepot werden, das jedoch durch das Ende der Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP nicht mehr umgesetzt worden ist.

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Von der kommenden Bundesregierung erwartet das DAI nun dringend einen neuen Vorstoß in diese Richtung: "Wir brauchen mehr Aktien in allen Säulen der Altersvorsorge", betont Peucker. "Die Lehre aus Schweden ist, dass man nur die richtigen Voraussetzungen schaffen muss, und damit eine hohe Aktionärsquote erreichen kann." An der deutschen Debatte stört die DAI-Chefin: "Es geht nur um staatliches Geld. Aber wir brauchen auch hierzulande eine, Agenda Kapitalmarkt', damit es zu den Investitionen in die Wirtschaft und Infrastruktur kommen kann, die dieses Land braucht."
Niedrige Steuern motivieren Anleger
Aus Privatsparersicht würde es sich ebenfalls auszahlen, den Aktienbesitz in allen drei Vorsorgesäulen zu erhöhen, "denn das DAI-Renditedreieck zeigt ja, wie gut es läuft". Laut Renditestatistik gab es zwar immer wieder Jahre, in denen die Renditen in den roten Bereich sanken, doch schon bei einer Haltedauer von wenigen Jahren stiegen die Erträge bisher wieder in den grünen Bereich, also ins Positive. "Aktieninvestments lohnen sich, sie sind gut für alle. Aber wir machen es in Deutschland trotzdem nicht", so Voelkel.
Stattdessen jetzt über eine höhere Abgeltungsteuer von 30 Prozent zu diskutieren, wie es die SPD tut, wirke kontraproduktiv: "Das sind problematische Forderungen, die dazu führen würden, dass wir uns hierzulande weiterhin in die falsche Richtung bewegen", so Voelkel. "Schweden hat gezeigt, dass die steuerliche Attraktivität der zentrale Hebel beim privaten Anlegersparkonto ist." Dessen Erträge werden pauschal nur zu einem Prozent besteuert. Das trieb Millionen Privatsparer dazu, dort Geld anzuhäufen. Umgerechnet rund 35.000 Euro pro Kopf. In Deutschland hingegen müssten Anleger durch die SPD-Pläne knapp ein Drittel ihrer Erträge künftig an den Staat abgeben.
Auch Frankreich habe "in wenigen Jahren 10 Millionen Aktionäre geschaffen mit einer einfachen Form der Altersvorsorge, die auf Aktien basiert", sagte Voelkel. Die dürfen sie steuerfrei handeln. "Es geht auch dort, nur wir machen es nicht."
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