Faith Ndlovu steht vor einem heruntergekommenen Wohnblock im Zentrum von Johannesburg. Der Ort gilt als gefährlich, selbst tagsüber. Am Eingang stapelt sich Müll, ein beissender Geruch liegt in der Luft. Durch die zerbrochenen Fenster sieht man dunkle, verlassene Flure. Kein Strom, kein Wasser, keine Kontrolle.
Ndlovu öffnet ein Video auf ihrem Handy. «Es ist hier nichts sicher», sagt sie. Auf dem Bildschirm ist ihr Zuhause zu sehen: Sperrholzplatten als Wände, zwei Matratzen auf dem Boden. Ein schwarzer Ofen mit offenem Feuer steht in einer Ecke. Die Tür klemmt, ein Schloss gibt es nicht. Die Toilette? Eine Plastikschüssel.

Als Faith Ndlovu vor 14 Jahren aus Simbabwe nach Südafrika kam, glaubte sie an einen Neuanfang. Doch die Stadt gab ihr nichts – keine Arbeit, keine Wohnung, keine Chance.

Irgendwann hörte sie auf, zu suchen. Stattdessen zog sie in ein besetztes Gebäude, zahlte ein paar Franken an einen Mann, der keine Bewilligung für das Gebäude hatte, aber das Sagen. «Ich hatte keine Wahl», sagt Faith Ndlovu.
Wo keine Regeln mehr gelten
Nach dem Ende der Apartheid 1994 boomte Johannesburg. Doch mit dem Wachstum stieg die Kriminalität. Unternehmen und wohlhabende Bürger zogen weg, ganze Strassenzüge wurden aufgegeben. Kriminelle Gruppen übernahmen die verlassenen Gebäude, verdrängten die Eigentümer und begannen, die Räume illegal zu vermieten. Heute gibt es in Johannesburg rund 220 sogenannte «Hijacked Buildings».

Orte, an denen keine Regeln mehr gelten. Strom wird illegal abgezapft, Wasserleitungen sind versiegt, Feuerlöscher gibt es keine. «Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas Schreckliches passiert», sagt Faith Ndlovu.
Faith Ndlovu hat es selbst erlebt. Am 31. August 2023 bricht in ihrem damaligen Zuhause ein Feuer aus – fünf Stockwerke, keine Notausgänge. Die Flammen greifen rasend schnell um sich. Ndlovu reisst der eigene Husten aus dem Schlaf: «Ich habe meine kleine Tochter geschnappt. Mein älterer Sohn rannte einfach los. Ich schrie nur: ‹Lauf! Da ist Feuer!›» Menschen stolpern in den engen Fluren, stürzen, springen aus den Fenstern.

«Es war zu voll. Menschen fielen auf den Boden, andere sprangen aus den Fenstern. Manche starben, manche schafften es», sagt Ndlovu. 77 Menschen sterben in jener Nacht. Es ist die schlimmste Brandkatastrophe in der Geschichte Südafrikas.
Eine Stadt ohne Lösungen
Anwalt und Aktivist Mametlwe Sebei sitzt in seinem Büro und blättert durch einen dicken Aktenordner. Darin: die Geschichten der Überlebenden des Brandes. Er vertritt einige der Betroffenen und will die Stadt zur Verantwortung ziehen.

«Johannesburg hat einen massiven Wohnungsmangel», sagt Sebei. «500'000 Wohneinheiten fehlen. Aber 2022 hat die Stadt gerade einmal 2500 neue Wohnungen gebaut. In diesem Tempo dauert es 200 Jahre, den Rückstand aufzuholen.»
Sebei ist überzeugt, dass die Politik die Krise bewusst eskalieren liess. Statt sozialen Wohnraum zu schaffen, wurde spekuliert. «Als das Feuer ausbrach, hat niemand über Verantwortung gesprochen. Stattdessen hat man die Opfer beschuldigt – und Migranten als Sündenböcke hingestellt.»

Johannesburg versinkt in Korruption und Chaos – sieben Bürgermeister in zwei Jahren, keine echten Lösungen. Nach dem Brand versprach die Stadt schnelle Hilfe. «Sie sagten, sie würden uns ein neues Zuhause geben. Aber wir warten noch immer», sagt Faith Ndlovu.
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