Transformatoren sind riesige Kisten aus Kupfer und Stahl - und unverzichtbar für die Energiewende. Denn die 150 Jahre alte Technologie sorgt dafür, dass Strom vom Kraftwerk zu Abnehmern wie der Deutschen Bahn oder zur Steckdose transportiert werden kann. "Sie ist der Kern unserer Stromnetze", sagt Andreas Schierenbeck im "Klima-Labor" von ntv. Schierenbeck steuert Hitachi Energy und hat aktuell ein Luxusproblem: Nach Jahren der Unterauslastung boomt das Geschäft inzwischen weltweit. "Wenn Sie nichts reserviert haben, kann es drei oder vier Jahre dauern, bis Sie Ihren Transformator bekommen", sagt Schierenbeck. Denn die Stahlkisten sind trotz ihrer Größe handgefertigte Unikate. Milliardenschwere Investitionen, Tausende neue Mitarbeiter und ein berühmtes Zitat von Henry Ford sollen Abhilfe schaffen.

ntv.de: Siemens Energy und GE Vernova teilen ihren Kunden mit: Unsere Transformatoren sind bis mindestens 2028 ausverkauft. Sie auch?

Andreas Schierenbeck: Wir stellen viele Transformatoren her und wenn Sie einen Rahmenvertrag mit uns abgeschlossen haben, bekommen Sie die auch. Wenn Sie nichts reserviert haben und in fünf oder sechs Monaten einen Transformator benötigen, kommt es darauf an, was genau Sie brauchen. Das kann drei oder vier Jahre dauern.

Das muss für ein Unternehmen eine komfortable Position sein.

Zumindest, wenn man überlegt, dass wir fast 20 Jahre mit Unterauslastung gekämpft und Fabriken geschlossen haben, weil der Energieverbrauch nicht zugenommen hat und speziell während der Corona-Pandemie zurückging. Einige Kunden haben den heutigen Engpass aber schon vor Jahren vorausgesehen und bei uns Produktionsslots reserviert. Die haben gesagt: Ich benötige in zwei, drei Jahren zehn Transformatoren. Andere sind davon ausgegangen, dass es nicht so schlimm wird. Die müssen jetzt warten.

Woher kommt der steigende Bedarf?

Das ist vielfältig. Ein Grund ist die Energiekrise durch den Ukraine-Krieg. Kohle, Gas oder Erdöl waren oder sind auf einmal an unterschiedlichen Stellen knapp. Viele Kunden elektrifizieren deshalb ihre Prozesse. Andere haben auf Strom umgestellt, weil es nachhaltiger ist. Dazu kommt der steigende Strombedarf für E-Autos und Batteriespeicher. Der neueste Treiber sind Rechenzentren. Den KI-Trend hat niemand vorhergesehen.

Das Produkt - der Transformator - ist bei all diesen Anwendungsfällen dasselbe? Hauptsache, es fließt Strom?

Es gab sicherlich Innovationen, aber im Grunde macht der Transformator heute dasselbe wie vor 150 Jahren, als er erfunden wurde. Er ist der Kern unserer Stromnetze.

Das klingt nicht besonders kompliziert.

Ein Transformator baut ein Magnetfeld auf, das elektrische Felder erzeugt - wie beim Klingeltrafo: Das ist dieser kleine schwarze Kasten, den man in eine Steckdose steckt und der die Klingel betreibt, wenn jemand den Knopf drückt. Das ist für Ingenieure keine Herausforderung, auch wenn ein Transformator für eine Überlandleitung deutlich komplexer ist. Das ist eine 450 Tonnen schwere Stahlkiste - plus Flüssigkeit zum Isolieren. Beim Bau ist die einzige Grenze: Kann ich ihn anschließend transportieren?

Was genau macht er denn?

Es steckt im Namen: Der Transformator wandelt elektrische Energie mit hoher Spannung und niedrigem Strom in Energie mit niedriger Spannung und hohem Strom um. Ohne ihn können wir Energie nicht transportieren. Überlandleitungen haben eine Spannung von zum Teil 380.000 Volt (380 Kilovolt). Die ist perfekt, um elektrische Energie über lange Strecken zu transportieren. Wenn Sie Ihr iPhone aufladen wollen, benötigen Sie fünf Volt.

Transformatoren stecken aber auch in den grauen Stromkästen, die überall stehen? Und auch im Netzteil von Ladegeräten?

Ja, wir stellen aber nur die Großen her. Das ist der Übertragungsbereich von 380 bis 110 Kilovolt und die Verteilebene mit 6 bis 12 Kilovolt. Transformatoren, die in Zügen stecken, bauen wir auch.

Was kostet ein großer Transformator?

Zwischen 15 und 60 Millionen Euro. Das hängt davon ab, wann Sie ihn bestellt haben, denn es stecken Unmengen Kupfer und Stahl drin. Die Preise dafür steigen aktuell stark. Für die Isolierung benötigen wir auch große Mengen Papier. Transformatoren werden auch manuell gefertigt. Deswegen dauert der Bau so lange.

Ein Transformator ist Handarbeit?

Die Großen, ja. Der Stahltank wird zusammengeschweißt. Das Innenleben besteht aus zwei zentralen Dingen: einem Eisenkern, der aus Spezialstahlfolien geschichtet wird. Die sind teilweise 0,2 Millimeter dick und müssen aufeinandergelegt werden, bis sie einen Durchmesser von ein bis drei Metern haben. Darauf kommen Kupferspulen. Ein Kupferkabel ist ungefähr daumendick und wird von Hand zusammengelegt. Dazu kommt die Abstandshalterung mit Isolierung. Die muss von Hand gepresst werden. Das kann man nicht automatisieren. Man muss zwei Jahre in die Ausbildung, bevor man das selbstständig schafft.

Jeder große Transformator ist ein Einzelstück für diesen oder jenen Kunden?

So ist es. Früher war die Nachfrage nicht so groß, deswegen waren die Wünsche manchmal sehr speziell: diese Farbe, diese Form, diese Spezifikationen und so weiter.

Das klingt wie der Autokauf …

Ja (lacht). Diese Wünsche verlängern den Bau natürlich, weil wir erst anfangen können, wenn das Design abgesegnet ist. Momentan reden wir mit unseren Kunden darüber, ob wir das nicht standardisieren können. Dann geht es schneller und günstiger. Denn ein Transformator für ein Stromnetz unterscheidet sich kaum von einem für ein Rechenzentrum. Die sind universell einsetzbar. Henry Ford hat mal gesagt: Sie können ihr Auto in jeder Farbe haben, solange es schwarz ist. Dort müssen wir hinkommen.

Ist das ein globales Problem oder sind es einzelne Regionen, in denen es besonders gut oder schlecht läuft? Deutschland zum Beispiel?

Das Bild ist gemischt. In Deutschland betreiben vier verschiedene Netzbetreiber die Höchstspannungsebene mit 380 Kilovolt. Auf dieser Ebene kann man Transformatoren problemlos tauschen. Das ist standardisiert. Auf der tieferen Ebene mit 100 bis 220 Kilovolt gibt es wesentlich mehr Betreiber. Dort können Sie den Transformator keine 50 Kilometer bewegen: Er ist anderswo schlicht nicht mehr zugelassen, obwohl es technisch kaum Unterschiede gibt. Wenn man das zumindest auf nationaler Ebene standardisieren würde, wäre uns enorm geholfen, schneller zu werden.

Wie gut können Sie Ihre Produktion denn erweitern? Gibt es Flaschenhälse beim Geld, Personal oder den Rohstoffen?

Es ist ein wenig von allem, aber nicht das Geld: Wir investieren weltweit 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau unserer Transformatorfabriken. Eine Hürde ist die Bautätigkeit selbst, denn die Bauindustrie ist auch nicht super flexibel. Eine andere sind die Maschinen für die Trafowicklung: Die wurden das letzte Mal vor 20 Jahren bestellt. Die Hersteller müssen ihre Produktion also auch hochfahren. Dann müssen wir Mitarbeiter ausbilden. Aktuell stellen wir jedes Jahr 5000 neue Kolleginnen und Kollegen ein. Weltweit. Das wird einige Jahre so weitergehen. Durch diese Kombination wird der Hochlauf mindestens zwei bis zweieinhalb Jahre dauern, aber selbst dann sind alle Kapazitäten bereits versprochen und reserviert. Das wird neuen Kunden nicht helfen.

Wächst der Bedarf weltweit?

Ja, extrem. Wir sind weltweit ausgelastet, das ist kein deutscher Trend. Die drei großen Märkte sind Asien, Europa und Nordamerika.

Wie lange hält dieser Trend an? Wann sind wir durch den Flaschenhals der Elektrifizierung durch?

Das ist keine fünfjährige Bonanza, wir befinden uns in einem Superzyklus der Elektroenergie. Der wird 10, 15 oder sogar 20 Jahre anhalten, denn wir elektrifizieren sehr viel. Dafür benötigen wir Energie. Das sehen wir auch an den Ausgaben unserer Kunden: Die steigen massiv - zum Beispiel, weil deutsche Windparks im Norden sind und die Industrie im Süden. Dieser Strom muss transportiert werden, dafür benötige ich Netze mit Kabeln oder Hochspannungsleitungen. Und Transformatoren.

Und anschließend wird daraus ein Wartungsgeschäft?

Transformatoren sind wartungsarm. Leider (lacht). Die nimmt man nach 30 bis 40 Jahren vom Kunden zurück, schraubt sie auf und tauscht ein paar Teile aus. Dann laufen sie wieder 20 bis 40 Jahre. Ein Transformator, der vor 100 Jahren gebaut wurde, hat garantiert ein neues Leben in einem moderneren Transformator gefunden.

Ein Paradebeispiel für die Kreislaufwirtschaft?

Das stimmt, Elektrotechnik ist ein einfaches Feld: Sechs Gleichungen definieren, wie es funktioniert. Die haben sich in der Vergangenheit nicht verändert und werden sich auch in Zukunft nicht ändern. Und Kupfer ist zu 99 Prozent recycelbar. Der wird nicht schlecht, der verdunstet nicht. Den kann man jederzeit aufbereiten. Die Kupfermenge, die wir als Menschheit produziert haben, ist fast überall noch im Einsatz. Man liest in der Presse nicht umsonst, dass Kupferkabel gerne gestohlen werden.

Mit Andreas Schierenbeck sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

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