Die deutschen Strompreise sind zu hoch, das wissen Wirtschaft, Politik und Verbraucher. Im Wahlkampf versprechen deshalb alle Parteien Besserung, Stromsteuern und Netzengelte sollen sinken. Doch damit nicht genug, auch der teure Umbau unseres Energiesystems rentiert sich allmählich.
Die deutschen Strompreise sind zu hoch, in diesem Punkt sind sich alle Deutschen einig. Ob Alice Weidel, Robert Habeck oder Friedrich Merz, im Wahlkampf kündigten alle Parteien Besserung an, denn die hohen Energiekosten haben großen Anteil am Frust der deutschen Bevölkerung und den Problemen der deutschen Wirtschaft. Sie müssen sinken, und zwar dauerhaft. Die entscheidende Frage aber ist: Wie? Und wann kommt das bei Industrie und Haushalten an?
2024 lagen die deutschen Strompreise an der Strombörse im Schnitt bei 7,95 Cent je Kilowattstunde. Das war knapp 17 Prozent günstiger als 2023 und lag sogar unter dem Preis von 2021 (9,66 Ct/kWh), als noch sechs Atomkraftwerke in Betrieb waren. Es geht nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise demzufolge in die richtige Richtung, es bleiben aber drei Probleme:
Steuern und Netzentgelte belasten
Erstens: 2021 war Corona-Zeit. Weite Teile der deutschen Wirtschaft standen still, der Strom war deswegen so günstig. Den fairen Vergleich offenbart ein Blick auf die Preise von 2019: Damals kostete eine Kilowattstunde an der Strombörse 3,8 Cent, war demnach halb so teuer wie im vergangenen Jahr. Die Wahrheit ist, dass Strom bis 2023 zehn Jahre in Folge jedes Jahr teurer wurde, weil über Netzentgelte und Erneuerbare-Energien-Umlage die Energiewende bezahlt wurde.
Zweitens: Deutsche Strompreise liegen über denen anderer europäischer Länder. Auch in Frankreich ist Strom nach wie vor teurer als vor der Corona-Pandemie. Nichtsdestotrotz kostete die französische Kilowattstunde im vergangenen Jahr 5,8 Cent und war damit deutlich günstiger als die deutsche. In Norwegen wurden vergangenes Jahr im Schnitt sogar nur 3,9 Cent fällig - für norwegische Verhältnisse bereits ein enorm hoher Preis!
Drittens: 7,95 Cent je Kilowattstunde sind nur der Einkaufspreis an der Börse, es kommen Steuern, Abgaben und die Netzentgelte dazu. Diese machen zusammen inzwischen 57 Prozent des Preises aus. Auf der Stromrechnung stehen bei den meisten Verbrauchern aktuell Strompreise zwischen 30 und 40 Ct/kWh.
Selbst Energieanbieter drängen daher mit Blick auf eine funktionierende Energiewende auf Steuersenkungen, etwa der Chef von Octopus Energy. "Die hohen Steuersätze im Vergleich mit anderen europäischen Ländern und die hohe Mehrwertsteuer - ich wünsche mir den Willen, dass man beim Strom die Mehrfachbesteuerung abschafft", sagte Bastian Gierull jüngst im "Klima-Labor" von ntv. "Man kann an vielen Stellen schnell etwas machen, um den Strompreis für jeden Einzelnen deutlich zu senken. Das hilft allen Leuten, egal wo und wie sie leben."
Pläne von Union und SPD
Die gute Nachricht ist: Die Politik möchte an dieser Stelle ansetzen. Union und SPD haben in ihren Sondierungsgesprächen vereinbart, die Stromsteuer zu senken. Außerdem sollen die Netzentgelte halbiert werden. Das soll zu Entlastungen von mindestens fünf Cent je Kilowattstunde führen.
Allerdings belasten diese Pläne den Bundeshaushalt. Schätzungen zufolge verschwinden damit Einnahmen von mehr als fünf Milliarden Euro. Veronika Grimm drängt deshalb auf Effizienzmaßnahmen, die Strompreise senken, ohne den Haushalt zu belasten: Ebenfalls im "Klima-Labor" legte die Wirtschaftsweise der kommenden Bundesregierung nahe, dringend über die Einführung von Strompreiszonen nachzudenken, wie sie etwa in Norwegen und Schweden bereits üblich sind.
Wirtschaftsweise für Strompreiszonen
Der große Vorteil wäre der Ökonomin zufolge, dass Deutschland mit zwei, drei oder weiteren Preiszonen Angebot und Nachfrage bei Stromimporten aus Skandinavien endlich sinnvoll zusammenbringen würde. "Im Norden haben wir mit sehr viel Windstrom ganz andere Rahmenbedingungen für die Energieerzeugung als im Süden", erklärte Grimm im Podcast. "Ohne Preiszonen erhält man aber nur einen gemittelten Preis. Der ist ein schlechtes Signal für den Stromhandel. Denn er signalisiert den skandinavischen Staaten, dass wir Importe benötigen, obwohl es im Norden ein Überangebot an Windstrom gibt und der importierte Strom gar nicht nach Süden durchgeleitet werden kann."
"Das ist ineffizient", sagte die Wirtschaftsweise weiter. "Wir regeln im Norden unseren eigenen Windstrom ab, um importierten Strom, den man extra eingekauft hat, nach Süden zu leiten, und treiben gleichzeitig den Strompreis in den skandinavischen Ländern in die Höhe."
"Sehen, dass die Preise sinken"
Für eine erfolgreiche Energiewende und eine starke deutsche Wirtschaft sind sinkende Strompreise auf jeden Fall von zentraler Bedeutung. Viele Unternehmen müssen oder möchten ihre Produktion von Erdgas auf Strom umstellen. Das klappt nur dann, wenn der elektrifizierte Betrieb das Endprodukt auf dem Weltmarkt nicht teurer macht und man an der eigenen Wettbewerbsfähigkeit sägt.
Auch für Privatverbraucher ist günstiger Strom von enormer Wichtigkeit. E-Autos werden attraktiver, wenn Strom günstig ist. Die Gasheizung ersetzt man eher mit einer Wärmepumpe, wenn man weiß: Heizen wird anschließend günstiger, nicht teurer.
Erfreulicherweise ist inzwischen aber auch ohne sinkende Stromsteuern und Netzentgelte Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Denn an den Strombörsen können Energieanbieter bereits Lieferungen für die kommenden Jahre einkaufen, die weitere Entwicklung der Strompreise lässt sich dort also erahnen. Der Trend ist eindeutig: "Wir sehen, dass die Preise über das Jahrzehnt hinweg sinken", erklärt Helen Senior von der Preisberichtsagentur Argus Media auf Nachfrage von ntv.de. 2029 war eine Megawattstunde demnach 13 Euro günstiger als 2026 - das sind 1,3 Cent je Kilowattstunde.
Teurer Umbau rentiert endlich
Andere Analysten sehen es ähnlich. Seit Ende 2023 ist deutscher Strom an der Strombörse durchweg teurer als französischer. Anfang des Jahres war die Differenz mit 28 Euro je Megawattstunde so groß wie nie, weil die französischen Kernkraftwerke wieder zuverlässig laufen und der Jahresstart in Deutschland ungewöhnlich windstill war.
An diesem Preisaufschlag wird sich dieses Jahr wenig ändern. Im Wirtschaftsportal Bloomberg erklärt der Analyst Jason Ying von der französischen Bank BNP Paribas jedoch, dass sich die Lücke im weiteren Verlauf schließen und Ende 2026 im einstelligen Bereich landen wird. Denn der Ausbau der Erneuerbaren geht in Deutschland deutlich schneller voran als in Frankreich, wie Ying erläutert.
Es ist bekannt, dass Solar und Wind den Strom teils deutlich günstiger erzeugen als andere Energiequellen. Noch wird die günstige Erzeugung jedoch vom milliardenschweren Umbau des neuen Energiesystems aufgefressen. Allein der Ausbau des Stromnetzes kostet womöglich 651 Milliarden Euro. Doch allmählich rentieren sich die Investitionen und kommen bei den Verbrauchern an - laut Helen Senior "insbesondere gegen Ende des Jahrzehnts", wenn bereits 80 Prozent des deutschen Stroms erneuerbar sein sollen.
Die Analystin von Argus Media hat nur eine Einschränkung: Letztlich hängt die Entwicklung der Strompreise von der Politik ab. Die künftige Bundesregierung steht in der Pflicht.
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