Der US-Präsident will durch seine Zölle Deals mit Brüssel erzwingen. Trump hat es auf vieles abgesehen: wirtschaftliche Vorteile, weniger Regeln für Tech-Unternehmen, mehr europäisches Geld in der Nato-Kasse. Mit ihren Gegenzöllen würden die Europäer ein Signal senden, sagt Bernd Lange, Vorsitzender des EU-Handelsausschusses.
ntv.de: Die EU reagiert entschieden auf die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. In einem ersten Schritt sollen von April an EU-Extragebühren auf die Einfuhr amerikanischer Produkte wie Bourbon-Whiskey, Jeans, Motorräder, Boote und Erdnussbutter fällig werden. Was will die EU damit bewirken?
Bernd Lange: Wir haben Gegenzölle erhoben, um eines klarzumachen: Die Zölle, die US-Präsident Donald Trump gegen die EU erhoben hat, sind illegal, weil sie mit keinen Regeln der Welthandelsorganisation WTO in Übereinstimmung sind. Wir haben gegen Trumps Zölle ein Sicherheitsnetz mit Gegenmaßnahmen geknüpft. Das entspricht unseren Gesetzgebungen, aber auch dem Recht der WTO. Wir haben versucht, zu verhandeln, um diesen Konflikt zu vermeiden. Aber Trump wollte keinen Aufschub und keine Verhandlungen. Das kennen wir aus seiner ersten Amtszeit: dass er erst anfängt zu verhandeln, wenn das Kind schon im Bade ist.
Ist die Situation die gleiche wie in Trumps erster Amtszeit?
Es gibt Unterschiede. Trump hat seine Zölle im Vergleich zum ersten Mal ausgeweitet. Er hat nicht nur 25 Prozent auf Stahl erhoben, sondern auf eine ganze Reihe von Stahlprodukten und Pumpen, bis hin zu Fitnessgeräten oder Angelzubehör. Die Zölle für Aluminium hat er von 10 auf 25 Prozent hochgesetzt. Bei den Zöllen in seiner ersten Amtszeit traf es Exporte der EU im Gesamtwert von 8,5 Milliarden Euro, jetzt sind es 26 Milliarden.
Damals hatte die EU ähnliche Maßnahmen ergriffen. Was hat Brüssel damit erreicht?
Mit dem Setzen der Gegenzölle haben wir damals erreicht, dass die Verhandlungsbereitschaft gewachsen ist. Außerdem haben wir Trump den zollfreien Import von amerikanischem Hummer in die Europäische Union zugestanden, was wirtschaftlich nicht so bedeutend ist, aber deeskalierend gewirkt hat. Und wir haben vereinbart, mehr amerikanische Sojabohnen zu kaufen. Mit unseren Gegenzöllen werden wir darauf hinwirken, dass jetzt eine Verhandlungslösung möglich wird auf Augenhöhe. Wir lassen uns von Trump keine Erpressungsversuche gefallen.
Trump droht der EU außerdem mit Zöllen von 25 Prozent auf alle Einfuhren von Waren in die USA. Wie ernst nehmen Sie die Drohung?
Zum einen begründet Trump die Zölle auf Stahl und Aluminium durch eine Gesetzgebung zum Schutz der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten. Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar, weil Stahl in der Rüstungsproduktion eingesetzt wird – es gibt eine Verbindung zur nationalen Sicherheit. Wir haben in der EU zwar eine andere Rechtsauffassung, die durch die WTO bestätigt wurde. Aber da ist noch eine gewisse Rationalität in der ganzen Operation. Zum anderen hat Trump aber eine uralte Gesetzgebung aus der Mottenkiste geholt, die den Präsidenten ermächtigt, gegen unfaire Handelspraktiken und unfaires Behandeln amerikanischer Unternehmen im Ausland vorzugehen. Das macht uns Sorgen.
Warum?
In dem Kontext hat Trump gesagt, bestimmte europäische Abgaben wie die Mehrwertsteuer seien unfair, obwohl auch heimische Unternehmen sie bezahlen. Der Konzern Meta muss der EU 800 Millionen Euro Strafe zahlen wegen Kartellrechtsverstößen, was Trump missfällt. Er hat angedroht, deshalb Zölle gegen die EU zu erheben, etwa gegen Autos, die Pharmaindustrie und im Maschinenbau. Am 2. April läuft die Frist ab für die Untersuchung, die Trump diesbezüglich durchführt. Dann können wir Verhandlungen führen, aber einer Veränderung unserer Gesetzgebung zur Regulierung von Tech-Konzernen werden wir nicht zustimmen. Da lassen wir uns von Trump nicht durch Zölle erpressen. Das Recht der Gesetzgebung, gerade zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern im digitalen Bereich, ist ein international akzeptiertes Recht. Da hat Trump nichts zu suchen mit seinen Veränderungswünschen.
Ist das Trumps Hauptziel?
Das Problem: Wir wissen nicht, was er zuerst erreichen will, eher die Veränderungen digitaler Gesetze oder vielleicht auch eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von europäischen Ländern. Außerdem hat er häufig gesagt, er will das Handelsbilanzdefizit mit der EU bei Gütern reduzieren. Das ist objektiv da. Wir verkaufen mehr Güter in die USA als andersherum, aber auf einer fairen Grundlage. Also wir haben keine illegalen Subventionen und treiben keine Spielchen. Zudem ignoriert Trump, dass die EU im Gegenzug bei Dienstleistungen ein Handelsbilanzdefizit mit den USA hat.
Neben Gegenzöllen will die EU Trump mit anderen Maßnahmen milde stimmen, indem sie ihm etwa anbietet, mehr Agrargüter, Waffen und Gas zu kaufen. Aber Gas und Agrargüter werden von Unternehmen gekauft. Wie stellt Brüssel sich das vor?
Das Handelsbilanzdefizit kann man etwas ausgleichen, indem man europäische Unternehmen motiviert, mehr in den USA zu kaufen. Aber klar: Wir leben in einem sozialen Marktwirtschaftssystem. Da kann man eben nicht per ordre de mufti Unternehmen verpflichten, bestimmte Sachen zu machen. Militärtechnik kaufen hingegen Staaten ein. Aber wenn die Europäer jetzt mehr Militärtechnik in den USA kaufen, begeben sie sich in eine bestimmte Abhängigkeit. Wir wissen, dass die Software für US-Kampfjets von außen gesteuert werden kann oder die britischen Atom-U-Boote in den USA gewartet werden. Insofern sollte man das überdenken.
Trump wettert immer wieder über die europäische Autoindustrie, vor allem die deutsche. Die EU erhebt Zölle von 10 Prozent auf alle Pkw aus den USA, umgekehrt verlangen die Vereinigten Staaten nur 2,5 Prozent beim Import europäischer Autos - nur Lastwagen werden höher bezollt. Könnte Brüssel die Abgaben nicht einfach auf US-Niveau absenken?
Das sind beidseitig bei der WTO hinterlegte Zölle von 1994 und alle Staaten haben zugestimmt. Wir wollen kein WTO-Recht brechen, sind aber diesbezüglich gesprächsbereit. Zur Fairness gehört aber auch dazu, dass die USA nicht nur bei Lastwagen Zölle von 25 Prozent erheben, sondern auch bei Pickups. Als die Amerikaner und die Europäer damals die Zölle hinterlegten, führte das zum Beispiel dazu, dass Volkswagen keinen VW Bus mehr in die USA exportiert hat. Mercedes hat den Sprinter in Düsseldorf auseinander- und in Boston wieder zusammengebaut, um die Zölle zu vermeiden.
Trump will europäische Unternehmen, vor allem Autohersteller, durch seine Einfuhrbeschränkungen in die USA locken. Was halten Sie davon?
Diese Strategie verfolgen die USA seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, wo diese doch sehr offene Volkswirtschaft umgeschwenkt ist. Je nach wirtschaftlicher Lage gibt es dort die Tendenz, mit lauteren und unlauteren Mitteln Investitionen in die USA zu locken. Da gibt es keinen großen Unterschied zwischen den Demokraten und Republikanern. Das Risiko, dass Unternehmen abwandern, gibt es auch aufgrund der niedrigen Energiepreise dort. Neben der chemischen und der pharmazeutischen Industrie haben die meisten deutschen Autohersteller in den USA inzwischen Produktionsstätten. Dieser Trend kann sich fortsetzen.
Was tut die EU dafür, um die Arbeitsplätze zu erhalten?
Für die Stärkung der europäischen Wirtschaft gibt es die Strategie des Clean Industrial Deals - ein Programm, das die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in den Vordergrund stellt. Dazu gehört neben dem Problem der hohen Energiepreise auch die Frage, wie man Forschung und Innovation sinnvoll fördert, Markteinführungen begleitet und den Zugang zu Investitionen vor allem in der Tech-Branche erleichtert. Durch die Gegenzölle sichern wir uns einerseits wirtschaftlich ab, durch Programme wie den Clean Industrial Deal stärken wir die industrielle Basis.
Mit Bernd Lange sprach Lea Verstl
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