Riesige Menschenmassen sind ins Zentrum der serbischen Hauptstadt Belgrad zur wahrscheinlich größten Demonstration in der Geschichte des Balkanlandes geströmt. Hunderttausende folgten dem Demonstrationsaufruf der studentischen Protestbewegung unter dem Motto „Am 15. für die 15“, berichtete der Nachrichtensender N1. Drohnenaufnahmen, die mehrere serbische Medien anfertigten, zeigten lang gezogene Straßenzüge der Belgrader Innenstadt voller Menschen.

Beobachter bezeichneten die Kundgebung am Samstag, dem 15. März, als die größte Demonstration in der Geschichte des Balkanlandes. Ihr Motto spielt auf das Unglück in der nordserbischen Stadt Novi Sad am 1. November an, bei dem ein Bahnhofsvordach einstürzte und 15 Menschen ums Leben kamen. Die Katastrophe löste eine große Protestwelle aus, die von den Studenten des Landes getragen wird.

Die Teilnehmer der Proteste machen die Korruption der Regierung und der Behörden unter dem teils autoritär herrschenden Präsidenten Aleksandar Vučić für das Unglück in Novi Sad verantwortlich. Der Bahnhof war kurz davor umgebaut worden. Sie fordern aber nicht den Rücktritt von Politikern, sondern die konsequente Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Bestrafung von korrupten Akteuren.

Kritiker werfen Vučić vor, seine Macht auf korrupte Netzwerke, eingeschränkte Medienfreiheit und manipulierte Wahlen zu stützen. Die Kontrolle über die Justiz ermögliche es ihm, Zustände aufrechtzuerhalten, die im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit stehen.

Studenten marschieren mehrere Tage nach Belgrad

Zu der Kundgebung am Samstag kamen Menschen aus ganz Serbien nach Belgrad. Studenten waren aus verschiedenen Landesteilen zu Fuß in die Hauptstadt marschiert. WELT-Journalistin Tatjana Ohm berichtet, dass die Sorge vor Gewalt groß ist. Die Studenten rufen zu Besonnenheit auf. Veteranen wollten die Demonstranten schützen.

Den Studenten hatten Belgrads Bürger in der Nacht zuvor einen euphorischen Empfang beschert. Sie beklatschten und bejubelten die jungen Leute, die zum Teil mehrtägige Fußmärsche über Distanzen von 200 Kilometer oder mehr zurückgelegt hatten.

Zentrum der Kundgebung war am späten Nachmittag der Slavija-Platz, auf dem die Organisatoren eine Bühne errichtet hatten. „Seht, wo wir sind. Seht, wie viele wir sind. Eure Stimme zählt. (...) Lasst uns Serbien gemeinsam erwecken. Die Nacht ist am dunkelsten vor der Morgendämmerung“, rief eine Studentin als erste Rednerin in die Menge. Um 11.52 Uhr, dem Zeitpunkt des Unglücks von Novi Sad, hielten Tausende Menschen, die da schon in Belgrad waren, eine 15 Minuten lange Schweigeandacht für die Opfer ab. Eine unwirkliche Stille legte sich über die Stadt.

Autofahrer fährt in marschierende Menschen

Vučić hatte im Vorfeld gemeint, dass die Studenten einen gewaltsamen Umsturz planten und öffentliche Gebäude stürmten. Aber das Großereignis verlief friedlich.

In einem südlichen Vorort von Belgrad fuhr ein Autofahrer absichtlich in eine Menge marschierender Menschen. Drei junge Leute erlitten Verletzungen, wie die Polizei mitteilte. Der Fahrer des Fahrzeugs wurde festgenommen.

Auch in der Vergangenheit war es immer wieder zu Angriffen auf Demonstranten gekommen, sei es durch Regierungsanhänger mit ihren Autos oder durch Schläger aus dem Umfeld der Regierungspartei von Vučić.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke