Laura von Daniels leitet die Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Politikwissenschaftlerin ist Expertin für Handels- und Wirtschaftspolitik sowie das internationale Finanzsystem.
WELT: Frau von Daniels, die US-Regierung hat Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU erhoben, weitere sind bereits angekündigt. Welches Ziel verfolgt Donald Trump damit?
Laura von Daniels: Für Trump erfüllen die Zölle mehrere Zwecke. Der eine ist, Druck auf andere Länder aufzubauen, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Zum Beispiel die wiederholte Forderung an die Europäer, die Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen, oder die Drohung gegenüber Dänemark, Grönland den USA einzuverleiben. Trump will also eine Veränderung in der Außenpolitik dieser Länder – und Zölle sind das Mittel der Wahl für ihn. Der andere Zweck ist, dass er darin neuerdings auch eine zusätzliche Einnahmequelle sieht. Das hat in seiner zweiten Amtszeit eine neue Qualität erreicht.
WELT: Wie wirken sich die Zölle auf die Weltwirtschaft aus?
von Daniels: Die Zölle werden mit großer Wahrscheinlichkeit negative Folgen haben – für die betroffenen Länder, auf deren Waren Zölle erhoben werden, aber auch für die US-Wirtschaft. Zölle führen in der Regel zu Preissteigerungen, damit entsteht ein zusätzlicher Inflationsdruck in den USA. Hinzu kommt, dass einige US-Industrien nun damit rechnen müssen, dass ihre Exportwaren mit Gegenzöllen belegt werden und sie damit weniger wettbewerbsfähig werden. Auch das Hin und Her von Trump – heute einen Zoll erheben, morgen zurückziehen – führt zu weiterer Verunsicherung und Unruhen an den Finanzmärkten.
WELT: Schadet Trump damit am Ende nicht vor allem der Arbeiterschaft, die große Hoffnungen in ihn gesetzt hat?
von Daniels: Ja, das kann sehr gut passieren. Trump hat immer betont, dass er die US-Arbeitnehmer mit seiner Politik unterstützen möchte, dass er der Anwalt der kleinen Leute sei. Das ist die Erzählung, für die er gewählt wurde. Es mag einzelne Sektoren der Wirtschaft geben, die jetzt Vorteile erfahren durch diese Zölle, etwa die Stahlarbeiter. Aber diese Gruppe ist im Vergleich zu all den anderen Industrien, die mit negativen Folgen rechnen müssen, sehr klein – da reden wir von etwa 80.000 Jobs. Deswegen kann ihm das tatsächlich auf die Füße fallen.
WELT: Welche Rolle spielen die Wirtschaftsvertreter? Können sie Einfluss auf Trump nehmen, wie es etwa die Autoindustrie versucht hat?
von Daniels: Es gab schon im Vorfeld der Wahl die Vermutung, dass es wenig Möglichkeiten geben wird, Trump aus dem US-Kongress oder der eigenen Partei heraus aufzuhalten. Aber die Hoffnung war da, dass die Wirtschaft als eine Art Machtkontrolle funktionieren würde. Es gab durchaus Versuche, Druck auf ihn auszuüben – wie weit er dafür empfänglich ist, ist aber eine offene Frage. Als US-Präsident hat er damit etwas sehr Risikoreiches getan: Er ist Konflikte mit vielen verschiedenen Gruppierungen in den USA gleichzeitig eingegangen. Das kann ihm politisch zur Gefahr werden.
WELT: Was bedeutet der Vertrauensverlust für das transatlantische Verhältnis?
von Daniels: Es ist eine gravierende Verschlechterung, die nicht mehr zu übersehen ist. Die Rede von J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, das Verhalten der USA bei den Vereinten Nationen und die Szenen mit Selenskyj im Weißen Haus haben diese Veränderung unterstrichen und in der EU das Bewusstsein geschaffen, dass die gemeinsame Wertebasis unter Trump sehr stark infrage steht. Das ist in der Qualität anders als während seiner ersten Präsidentschaft.
WELT: Die EU hat nur eine Stunde nach Inkrafttreten der Zölle mit Gegenzöllen reagiert. Ist sie dieses Mal besser drauf vorbereitet?
von Daniels: Europa hat sich lange darauf vorbereitet und zeigt jetzt ein sehr besonnenes und strategisches Vorgehen. Es wurden unmittelbar Gegenzölle bekannt gemacht, aber auch gesagt: Wir machen das in mehreren Schritten und halten nach wie vor die Hand ausgestreckt für Verhandlungen. Es gibt einige Überlegungen, was man Trump anbieten könnte – das reicht von gegenseitigen Zollsenkungen über das Angebot, mehr Energie in Form von LNG in die EU zu importieren bis zu anderen Bereichen wie der Verteidigung.
WELT: Wie sollte die EU jetzt weiter vorgehen?
von Daniels: Das Wichtige wird sein, sich von Trumps Provokationen nicht spalten zu lassen. Er hat in der Vergangenheit immer wieder gedroht, Sicherheitsgarantien zurückzuziehen, wenn Europa sein Handelsdefizit nicht abbaut. Das sind Druckmittel, die leicht dazu führen können, dass es innerhalb der EU zu Lagerbildungen kommt – zwischen den Ländern, die sehr nah dran sind am Krieg und verwundbarer durch diese Druckausübung, und denen, die ihre Sicherheitslage anders definieren. Darum ist es wichtig, immer wieder nach gemeinsamen Nennern zu suchen und keine nationalen Alleingänge zu machen. Das wäre mit großer Wahrscheinlichkeit weniger erfolgreich, als wenn wir im Verbund der EU handeln.
WELT: Gegenüber anderen Ländern wie etwa Kolumbien konnte sich Trump mit seiner Strategie durchsetzen. Gibt ihm das ein Stück weit recht?
von Daniels: Es ist eine machtpolitische Herangehensweise an Verhandlungen, und die USA sitzen häufig am längeren Hebel. Aber mittel- und langfristig wird dieses Vorgehen den USA mit großer Wahrscheinlichkeit schaden. Vor allem, wenn sie die über viele Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen auf diese Art unterwandern und zunichtemachen. Wenn die US-Regierung die schärfsten wirtschaftlichen Schwerter, die sie hat, im Übermaß nutzt, um gegen die eigenen Verbündeten vorzugehen, dann drohen diese sich langfristig umzuorientieren und andere Koalitionen einzugehen – zum Beispiel mit China, dem größten Rivalen der USA. Das kann nicht in Trumps Interesse sein.
WELT: Sollte sich Europa schon jetzt stärker nach neuen Partnern umschauen?
von Daniels: Die EU arbeitet seit Jahren daran, ihre Handelsbeziehungen auf ein breites Fundament zu stellen. Das Thema Diversifizierung von Lieferketten ist spätestens seit der Pandemie ein zentraler Punkt geworden. Wovor ich aber warnen würde, ist von einer Abhängigkeit von den USA kopflos in eine neue Abhängigkeit von China hineinzustolpern. Zumal China für uns ein wirklich schwieriger Partner ist.
WELT: Wie geht es jetzt weiter? Droht eine Abwärtsspirale?
von Daniels: Ja, eine Eskalationsspirale ist wahrscheinlich. Trump hat schon an seinem ersten Amtstag ein Memorandum veröffentlicht, wo zahlreiche Zollschritte angekündigt sind. Wenn diese so eintreten, zündelt er an vielen Stellen des Welthandels. Die EU kann in dieser Situation nicht einfach die Hände in den Schoß legen – es ist richtig, Trump zu zeigen, dass wir als gemeinsamer Markt und politische Gemeinschaft in Europa das nicht einfach wortlos mit uns machen lassen. Wichtig bleibt aber, immer eine Tür offenzulassen für Verhandlungen, um weitere Eskalationen vielleicht noch zu verhindern.
Lara Jäkel ist Redakteurin im Ressort Außenpolitik. Für WELT berichtet sie unter anderem über Nordeuropa und die USA.
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