Kurz vor der entscheidenden Abstimmung des alten Bundestages über das milliardenschwere Schuldenpaket von Union und SPD gibt es neue Unsicherheiten. Zum einen berichteten mehrere Medien über zahlreiche Abweichler bei Union, SPD und Grünen bei der am Dienstag geplanten Abstimmung über Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben und eine 500 Milliarden Euro umfassende neue Kreditlinie für Investitionen in die Infrastruktur. Zum anderen haben sowohl FDP- als auch AfD-Politiker neue Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Abstimmung eingereicht.
Da eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat benötigt wird, ist zudem unklar, ob in der Länderkammer am Freitag eine ausreichende Mehrheit zustande kommen wird. Zumindest im Bundestag müsste es nach der Einigung zwischen Union, SPD und Grünen am vergangenen Freitag rechnerisch die nötige Mehrheit geben.
Der scheidende Bundestag hat 733 Abgeordnete, eine Zweidrittelmehrheit wäre damit bei 489 Stimmen erreicht. SPD (207 Abgeordnete), CDU/CSU (196 Abgeordnete) und Grüne (117 Abgeordnete) kämen zusammen auf 520 Stimmen. Dies sind damit 31 Stimmen mehr als nötig.
Allerdings hatte etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Partei-Generalsekretär Mario Czaja seine Ablehnung öffentlich gemacht. Es wird bei zahlreichen anderen Unionsparlamentariern spekuliert, dass auch sie mit Nein stimmen könnten.
Bei der SPD gibt man sich hingegen entspannt. „Es ist, glaube ich, bei der CDU noch ein weiterer Weg als bei uns“, sagte SPD-Co-Chefin Saskia Esken in Anspielung auf eine größere Zahl an vermuteten Abweichlern bei der Union. Sie rechnete dagegen mit wenig Widerstand bei der SPD. Bei den Grünen war von „zwei, drei Abweichlern“ die Rede. Es habe zwar in der Fraktionssitzung am Montag noch keine Probeabstimmung gegeben, Schwierigkeiten zeichneten sich jedoch nicht ab, sagte Co-Parteichefin Franziska Brantner in Berlin. Die Grünen sehen die Verhandlungsergebnisse mit Union und SPD als großen Erfolg für Haushaltsdisziplin und Klimaschutz.
„Das BSW würde es tun, wenn es das könnte“, sagt Wagenknecht
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte derweil die Linke dafür, dass sie nicht sofort die Einberufung des neuen Bundestages fordere, um die Sondersitzung des alten Bundestages zu verhindern. „Dass die Linke noch nicht einmal versucht, die Sondersitzung zu stoppen, ist ein historisches Versagen. Mit einem Einberufungsschreiben der Linken an die Bundestagspräsidentin gäbe es eine reelle Chance, den Wählerbetrug zu verhindern“, sagte Wagenknecht gegenüber WELT. „Niemand hindert die Linke, die Einberufung des neuen Bundestages einzufordern. Das BSW würde es tun, wenn es das könnte. Oder will die Linke lieber eine bequeme Opposition im neuen Bundestag sein, die nur da widerspricht, wo es nicht weh tut?“
Neben der Frage, ob im Bundestag eine ausreichende Mehrheit zustande kommt, stellen die in Karlsruhe anhängigen Klagen eine weitere Unsicherheit dar. So kommen aus den Reihen der FDP-Fraktion neue Eilanträge. Auch Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion hatten erneut einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das milliardenschwere Finanzpaket gestellt. Ein AfD-Sprecher begründete den Schritt seiner Partei damit, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages keine Expertenanhörung zugelassen habe.
Sollte das geplante Paket den Bundestag passieren, muss am Freitag der Bundesrat zustimmen. Auch dort ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Es gibt aber etliche Landesregierungen mit Beteiligung von Linken, FDP, BSW und Freien Wählern, bei denen die Zustimmung zumindest unsicher scheint.
Hubert Aiwanger, dessen Freie Wähler in Bayern gemeinsam mit der CSU regieren, erklärte zuletzt, seine Partei werde die bayerische Zustimmung nicht verhindern können – selbst wenn sie es wollte. Man habe „eh keine Chance“, dieses endgültig aufzuhalten, räumte Aiwanger ein. „Auch wenn das völliger Wahnsinn ist: Die CSU kann auch ohne uns im Bundesrat zustimmen.“
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