Der Bundestag hat das von Union und SPD eingebrachte Schuldenpaket beschlossen. Mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedete das Parlament am Dienstag in Berlin eine Grundgesetzänderung, nach der Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit ab einer bestimmten Höhe von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Beschlossen wurde auch ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastrukturausgaben. Zudem wird die bislang strenge Schuldenregel für die Bundesländer gelockert.

Für die Änderungen stimmten 512 Abgeordnete, 206 votierten dagegen. Das geht aus einer nach der namentlichen Abstimmung vom Bundestag veröffentlichten Liste hervor. Es gab keine Enthaltungen. Für die Zwei-Drittel-Mehrheit waren 489 Ja-Stimmen erforderlich. Innerhalb von Union, SPD und Grünen gab es lediglich drei Abweichler.

So lief der Schulden-Showdown im Bundestag: Der Liveticker im Protokoll.

Das Paket wurde noch vom Bundestag in alter Besetzung beraten und abgestimmt. Der am 23. Februar neu gewählte Bundestag kommt in der nächsten Woche zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Union und SPD wollten das Finanzpaket früher durchbringen, auch weil AfD und Linke im neuen Parlament mit zusammen mehr als einem Drittel der Stimmen eine Sperrminorität haben.

Die Grünen hatten ihre Zustimmung zu neuer Schuldenregel und Sondervermögen signalisiert, nachdem sie in der vergangenen Woche mit Union und SPD wesentliche Änderungen am Paket verhandelt hatten. Die Grundgesetzänderungen bedürfen noch der Zustimmung des Bundesrats. Auch in der Länderkammer ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

AfD, Linke und BSW versuchten mit mehreren Klagen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vergeblich, die Sondersitzung des alten Bundestags und die Abstimmung noch zu verhindern. Zu Sitzungsbeginn scheiterten Geschäftsordnungsanträge von AfD und FDP zur Absetzung der Aussprache.

Bundestagssitzung gerät zu hitziger Grundsatzdiskussion

Diese geriet anschließend in der letzten Sitzung des alten Parlaments zu einer kontroversen Grundsatzdiskussion. Merz verteidigte die Pläne vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der Bedrohung von Europas Sicherheit. Das Finanzpaket eröffne „eine Perspektive für unser Land, die in der Zeit, in der wir heute leben, dringend geboten ist.“

Deutschlands Stärkung im Verteidigungsbereich sei dabei „der erste große Schritt hin zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft“, sagte Merz. Auch wenn viele mit einem so weitreichenden Schritt ringen würden, könne seine Fraktion die nötigen Grundgesetzänderungen „mit gutem Gewissen beschließen“.

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, das Finanzpaket sei ein „historischer Kompromiss“ zwischen SPD, CDU/CSU und Grünen. Er verteidigte dabei die massive Schuldenaufnahme. Nicht diese belaste aber die Bürgerinnen und Bürger, sondern die massiven Defizite bei Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung, wenn nicht gehandelt werde. Dabei sei Eile geboten: „Die Welt wird gerade neu vermessen, niemand wartet auf Deutschland und niemand wartet auf Europa.“

„Die Entscheidung heute ist das unmissverständliche Signal einer deutschen Verantwortungsübernahme für ein sicheres Europa und ein wirtschaftlich stabiles Deutschland“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann rechtfertigte die Billigung des Pakets mit den ausgehandelten Zugeständnissen. Hier haben die Grünen unter anderem erreicht, dass aus dem Sondervermögen 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen. Haßelmann betonte, ihre Partei habe auch durchgesetzt, dass die Investitionen in Infrastruktur zusätzlich erfolgen müssten.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf dem voraussichtlichen künftigen Kanzler Merz vor, er führe „die erste Schuldenkoalition der Bundesrepublik Deutschland“. Merz wolle an die Spitze einer Regierung treten, „die den Wohlstand von morgen für kurzfristige Wahlgeschenke bereit ist zu opfern“.

Merz sei „jedes Mittel recht“, um Bundeskanzler zu werden, sagte AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla. Statt Schulden in nie dagewesener Höhe aufzunehmen, brauche es einen „ehrlichen Kassensturz“.

Die Linke warf Merz eine „unsoziale und verlogene“ Politik vor. Gruppenchef Sören Pellmann sprach von einer „gigantischen Aufrüstungsverschuldung“. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht brandmarkte die Finanzpläne als „Kriegskredite mit Klimasiegel“ – und spielte darauf an, dass über das Sondervermögen auch Klimaneutralität bis 2045 in die Verfassung geschrieben wird.

Finanzieller Spielraum für die neue Regierung

Das Paket soll der künftigen Regierung erheblichen finanziellen Spielraum geben. Geplant ist erstens die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Zudem sollen die Länder wie bisher schon der Bund jährlich Kredite von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen können. Und schließlich sollen 500 Milliarden Euro in ein neues Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz fließen.

Seine letzte Hürde soll das Finanzpaket am Freitag im Bundesrat nehmen. Die von Union, SPD und Grünen regierten Länder kommen dort zusammen zwar nicht auf zwei Drittel der Stimmen. CSU und Freie Wähler kündigten am Montagabend aber an, dass das von ihnen regierte Bayern ebenfalls zustimmen wird. Damit würde die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.

Kritik aus der Wirtschaft

„Es ist schon eine seltsame Verhandlungsführung der Union, der SPD Hunderte Milliarden an Schulden zu versprechen, bevor ernsthaft über Inhalte gesprochen wird“, sagte Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands der Familienunternehmen. Es brauche jetzt einen Plan für mehr Wirtschaftswachstum. „Ohne selbsttragendes Wirtschaftswachstum lassen sich die hohen Zinszahlungen für den Schuldenberg nicht bezahlen.“

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