Es geht um Klimaschutz, die Hoheit über den eigenen Keller und die Freiheit zu heizen, wie man will – um das mit Noch-Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) verbundene sogenannte Heizungsgesetz. CDU und CSU hatten im Bundestagswahlkampf und danach versprochen, das Gesetz zu kippen. Als eine der ersten Maßnahmen einer neuen Bundesregierung. Aber nun sind Zweifel aufgekommen, ob die Union auch bei diesem zentralen Wahlversprechen umfällt.

Der scheidende CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann hat in dieser Woche ein Gutachten vorgestellt, in dem die verbindlichen rechtlichen Vorgaben für die Klimapolitik Deutschlands analysiert werden. Titel: „Rote Linien des Rechts im Klimaschutz“. In Auftrag gegeben hatte es die CDU/CSU-nahe Klimaunion, deren Vorsitzender Heilmann ist. Einer der beiden Verfasser ist der renommierte Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof. Das Ergebnis des Gutachtens fasst Heilmann gegenüber WELT so zusammen: „Man wird Änderungen am sogenannten Heizungsgesetz machen können, aber die gesamte darin enthaltene Systematik über Bord werfen – das wird nicht gehen.“

Genau das aber hatte Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt. Heilmann kontert: „Es gibt einschlägige Urteile des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts, des EU-Menschenrechtsgerichtshofs, die Rückschritte beim Klimaschutz ausschließen. Das gilt auch für einzelne Gesetze.“

Muss Merz nun nach dem großen Schuldendeal bei einem zweiten, zentralen Wahlversprechen zurückrudern? Nach dem von Heilmann vorgestellten Gutachten, das vom Portal „klimareporter.de“ online veröffentlicht wurde, müsste es so kommen.

Eine Absenkung des Klimaschutzniveaus ist demnach problematisch, wobei die Reichweite dieses Grundsatzes von Fachleuten diskutiert werde. Ein Ausgleich an anderer Stelle, um dort mehr für den Klimaschutz zu tun, sei denkbar. Der letzte Satz des fast 90-seitigen Gutachtens lautet: „Für die Gegenwart bedeutet dies, dass Deutschland jetzt zu einem effektiven Klimaschutz verpflichtet ist und handeln muss.“

Heilmann interpretiert das Gutachten so: „Niemand muss seine alte Heizung rausreißen, aber wir werden den Leuten nicht versprechen können, dass sie nun wieder in ihrem Keller tun können, wozu sie Lust haben.“

Der ehemalige Justizsenator des Landes Berlin und frühere Chef der Berliner Landesgruppe im Bundestag hatte sich als Abgeordneter in der Opposition intensiv und kritisch mit der Novelle des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) beschäftigt, wie das Heizungsgesetz offiziell heißt. 2023 wollte er dessen Verabschiedung stoppen, weil die Abgeordneten nicht genug Zeit gehabt hätten, sich mit der komplexen Materie zu beschäftigen.

2024 trat das GEG dennoch in Kraft. Es sieht – vereinfacht wiedergegeben – vor, dass jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Das und weitere Bestimmungen stieß bei vielen Bürgern auf gewaltigen Widerstand. Daher formulierte die Union in ihrem Wahlprogramm folgende Passage: „Wir schaffen das Heizungsgesetz der Ampel ab. Mit dem bürokratischen Reinregieren in den Heizungskeller muss Schluss sein. Wir fördern technologieoffen emissionsarme Wärmelösungen.“

Das Thema wurde im Beraterstab von Merz als Priorität angesehen, als fast so wichtig wie die Begrenzung der Migration oder eine Reform des Bürgergelds. Deshalb wurde die Abschaffung des Heizungsgesetzes in das Sofortprogramm der CDU aufgenommen, darin werden besonders wichtige Maßnahmen definiert, die am besten in den ersten 100 Tagen der Regierungsübernahme unter einem Kanzler Merz umgesetzt werden sollen. Die Abschaffung des Heizungsgesetzes findet sich dort – fast wortgleich wie im Wahlprogramm – unter Punkt 8 von 15.

Ähnlich scharf sind weitere Schritte in den Programmen der Union formuliert. Das Bürgergeld soll „abgeschafft werden“, das Cannabis-Gesetz soll ebenfalls „abgeschafft werden“. Dass das zum Beispiel im Fall des Bürgergelds unrealistisch ist, weil man ein System der Grundsicherung in Deutschland nicht aushebeln kann und die Bezüge richterlichen Entscheidungen unterliegen, weiß man in der Union natürlich. Es ging darum, mit plakativen Formulierungen zu unterstreichen, dass man es ernst meint mit dem angekündigten Politikwechsel.

Doch auch beim Heizungsgesetz war schnell klar: Einfach streichen ist nicht ohne Weiteres möglich. „Ich halte die Formulierung dazu in unserem Sofortprogramm für unpräzise“, sagt Heilmann. Das Wort Reform wäre treffender. Doch damit lindert man nicht die Unsicherheit vieler Bürger im Land, die sich fragen, ob und wie lange sie ihre aktuelle Heizung noch nutzen können und welches System sie in Zukunft einbauen dürfen oder müssen.

SPD war nie besonders angetan vom GEG

Die Unsicherheit rührt von der jahrelangen Debatte um das Heizungsgesetz her. Die Grünen hatten die Novelle vorangetrieben, die FDP hatte versucht, sie zu torpedieren. Und die SPD stellte sich schließlich an die Seite der Grünen, aber eher halbherzig. Experten und Wirtschaft kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär, Heizung, Klima (ZVSHK), Helmut Bramann, hatte etwa Ende vergangenen Jahres festgestellt: „Das Heizungsgesetz abschaffen? Bürgerinnen und Bürger sollten sich von solchen pauschalen Wahlkampfaussagen nicht irritieren lassen.“ Das Heizungsgesetz könne gar nicht abgeschafft werden, es basiere in wesentlichen Teilen auf EU-Vorgaben und müsse 2026 sogar von einer künftigen Bundesregierung wieder überarbeitet werden, um weitere europäische Vorgaben aufzunehmen.

Nun beraten Union und SPD derzeit im Zuge der Koalitionsverhandlungen über die Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik. Und damit auch über die Zukunft des Heizungsgesetzes. Zuständig dafür ist die Arbeitsgruppe (AG) Klima und Energie, an deren Spitze der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung, CSU-Generalsekretär Martin Huber und der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) stehen. Das Heizungsgesetz steht dort auf der Agenda. „Die Verhandlungen dazu laufen aktuell“, sagt ein AG-Mitglied WELT am Mittwochnachmittag.

Und wirft das Heilmann-Gutachten nun die Position der Union über den Haufen? „Thomas Heilmann ist raus aus der Politik und spricht nicht für die CDU. Wir haben uns im Wahlprogramm klar positioniert und alle Verhandler sind sich einig, dass das Heizungsgesetz so keine Zukunft hat“, sagt CDU-Bundestagsabgeordneter und AG-Mitglied Tilman Kuban WELT. Auch ein anderes AG-Mitglied unterstreicht: „Heilmann gibt nicht die Position von CDU und CSU wieder.“

Nun liegt es an der SPD, inwieweit Änderungen am Heizungsgesetz möglich sind. Die Sozialdemokraten zeigten sich „inhaltlich verhandlungsbereit“, heißt es bei den Unionsmitgliedern der AG. Für die SPD war das Gesetz, anders als das Bürgergeld, nie eine Herzensangelegenheit.

Der damalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte 2023 in der Beratungsphase sogar harsche Kritik daran geübt: Das Gesetz setze zu sehr „zu einseitig auf die Wärmepumpe“. Ein entsprechendes Gesetz zum Heizungstausch solle zwar schnell beschlossen, die Austauschpflichten aber erst verzögert in Kraft gesetzt werden, fordert er damals. Richtig warm werde die SPD mit dem Heizungsgesetz nie.

Nikolaus Doll berichtet seit mehreren Jahren für WELT über die Unionsparteien CDU und CSU.

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