Nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters versucht die türkische Regierung, Proteste zu unterdrücken. Es gilt ein mehrtägiges Demonstrationsverbot. Doch davon lassen sich Erdogans Gegner in Istanbul und anderen Städten nicht abhalten.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnt Anhänger seines inhaftierten Gegenspielers und Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu vor Kundgebungen am Wochenende. Er werde Störungen der öffentlichen Ordnung nicht hinnehmen, sagte der 71-Jährige. "So wie wir dem Terrorismus nie nachgegeben haben, werden wir auch dem Vandalismus nicht weichen." Mit Blick auf die gegen Imamoglu erhobenen Vorwürfe und die Aufrufe zu Protesten sagte er weiter: "Es ist zutiefst unverantwortlich, zur Verteidigung von Diebstahl, Plünderung, Illegalität und Betrug auf die Straße zu verweisen, anstatt vor Gericht zu gehen."

An den letzten beiden Tagen hatten Tausende Menschen in Istanbul, Ankara und anderen Städten gegen die Festnahme Imamoglus protestiert, der am Wochenende von seiner Partei CHP zum Herausforderer von Erdogan bei der kommenden Präsidentenwahl gekürt werden sollte. Es sind die größten Oppositionsproteste in der Türkei seit mehr als einem Jahrzehnt. Auch am Freitag gingen trotz Verbots Hunderttausende Menschen in mehreren Städten auf die Straßen. Zu den Großkundgebungen hatte die Republikanische Volkspartei (CHP) von Imamoglu aufgerufen. Erdogan sprach von "Straßenterror".

In einer Ansprache sagte der CHP-Vorsitzende Özgur Özel, dass sich etwa 300.000 Menschen in Istanbul versammelt hätten - wegen Straßen- und Brückensperrungen an verschiedenen Orten. "Das ist keine Demonstration der CHP, die Menschen hier kommen von allen Parteien und sind gekommen, um Solidarität mit Bürgermeister Imamoglu zu zeigen und für die Demokratie einzustehen." Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen wichtigster politischer Rivale Imamoglu ist, wolle die Justiz als "Waffe" gegen den Bürgermeister einsetzen, sagte Özel.

Polizei geht gewaltsam gegen Demonstrierende vor

Während Özels Rede setzte die Polizei Pfefferspray und Wasserwerfer ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Die Demonstranten stürmten die Polizeibarrikaden und warfen Wurfgeschosse. In Izmir, Ankara und anderen Städten kam es ebenfalls zu Zusammenstößen mit der Bereitschaftspolizei, die Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen die Menschenmenge einsetzte. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte auf X, dass bei den Demonstrationen in der gesamten Türkei 97 Personen festgenommen worden seien.

Am Wochenende könnte sich die Lage zuspitzen, falls ein Gericht nach Ablauf der Frist für U-Haft die formelle Verhaftung Imamoglus anordnet. Der 54-Jährige ist Erdogans wichtigster politischer Rivale und liegt in manchen Umfragen vor ihm. Der Bürgermeister war am Mittwoch nach einer morgendlichen Razzia in seinem Haus festgenommen worden. Außer ihm wurden mehr als hundert weitere Menschen festgenommen, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und CHP-Mitglieder. Am Sonntag soll Imamoglu trotz seiner Festnahme offiziell zum Kandidaten seiner Partei für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 gekürt werden.

Opposition spricht von "Putsch"

Der 53-Jährige wird laut Staatsanwaltschaft unter anderem der Korruption und Erpressung beschuldigt. Ihm wird vorgeworfen, Anführer einer "kriminellen Organisation" zu sein. Nach Angaben des Justizministeriums lautet ein weiterer Vorwurf "Unterstützung von Terrorismus". Dabei gehe es um mutmaßliche Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Opposition bezeichnet die Vorwürfe als politisch motiviert und spricht von einem "Putsch" gegen Imamoglu. Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP gab es bislang in mindestens 40 der 81 türkischen Provinzen Demonstrationen gegen die Festnahme des Politikers.

Justizminister Yilmaz Tunc warnte auf X davor, Erdogan mit Imamoglus Festnahme in Verbindung zu bringen. Er rief zur Ruhe auf und mahnte, die "unabhängige und unparteiische Justiz" bewerte den Fall. Beobachter gehen dagegen davon aus, dass bei Entscheidungen der Justiz der Standpunkt Erdogans eine Rolle spielt. Reguläre Präsidentschaftswahlen in der Türkei sind für 2028 angesetzt. Erdogan könnte sie jedoch vorziehen, um eine Begrenzung auf zwei Amtszeiten zu umgehen, falls er wieder antreten will. Imamoglus Festnahme ist der vorläufige Höhepunkt einer monatelangen juristischen Kampagne gegen Oppositionelle, die als Versuch kritisiert wird, deren Wahlchancen zu schmälern und abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen.

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