Es ist gar nicht lange her, dass Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, mal wieder richtig vom Leder gezogen hat gegen Bremen, das kleinste und seit seiner Gründung stets SPD-regierte Bundesland. „Der letzte geistig kulturelle Beitrag Bremens zur intellektuellen Entwicklung Deutschlands“, so tönte der CSU-Chef gewohnt polemisch beim Politischen Aschermittwoch seiner Partei in Passau, „waren die Bremer Stadtmusikanten. Seitdem nichts mehr gehört von Bremen, liebe Freunde.“

Genau das soll sich jetzt ändern. Die Hansestadt, das ist jedenfalls der Plan des sozialdemokratischen Bremer Bürgermeisters und Söder-Antipoden Andreas Bovenschulte, soll zu einem wichtigen Zentrum der intellektuellen Entwicklung Deutschlands werden. Dabei wird es allerdings nicht um eine Fortsetzung des Grimm‘schen Märchens gehen, auch nicht um eine noch originellere Variante des Politischen Aschermittwochs, sondern um die Erforschung und Anwendung einer sehr viel zeitgemäßeren Form von Geisteskraft.

Bremen, sagt Bovenschulte, soll in den kommenden Jahren „zu einem Zentrum der Künstlichen Intelligenz“ ausgebaut werden. „Vor allem bei der KI-basierten Robotik“ sei die Hansestadt ohnehin führend, findet der Bürgermeister. Der Senat fördert bereits seit 20 Jahren den dortigen Ableger des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dort insbesondere das dazugehörige Robotics Innovation Center. Dessen wichtigstes Projekt derzeit: Die Entwicklung eines KI-gestützten Unterwasser-Roboters, der dazu in der Lage sein soll, die kritische maritime Infrastruktur zu schützen.

Eine Art intelligenter Unterwasser-Drohne also, die unter anderem dazu dienen könnte, Attacken auf am Meeresboden verlegte Strom- und Datenleitungen oder auch auf Unterwasser-Pipelines frühzeitig zu erkennen und womöglich abzuwehren. Angesichts der angespannten internationalen Lage und immer zahlreicherer Sabotage-Akte auf dem Grund von Nord- und Ostsee ein Projekt, von dem, so Bovenschulte, „ganz Deutschland profitieren würde“. Innerhalb eines Jahres, so der geschäftsführende Direktor des DFKI, Frank Kirchner, könnte der Prototyp eines solchen Unterwasser-Roboters zur Verfügung stehen – und dann in Serie gehen.

Vorstoß für eine „Nationale Allianz KI“

Ein Problem: Ein solches Anwendungsprojekt für Künstliche Intelligenz lässt sich nicht aus dem notorisch klammen Bremer Haushalt finanzieren. Der Senat hatte auch deshalb bei der jüngsten Ministerpräsidenten-Konferenz im Berliner Bode-Museum eine Beschlussvorlage eingebracht, in dem die Hansestadt sich zusammen mit Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für die Gründung einer „Nationalen Allianz KI“ starkmacht. In ihr sollen sich der Bund, die Länder, Unternehmen und Hochschulen zusammenschließen, um Erforschung und Nutzung der Künstlichen Intelligenz am Standort Deutschland zu optimieren.

In dem Beschluss, dem bei der Ministerpräsidenten-Konferenz auch alle anderen Bundesländer zugestimmt haben, fordern die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die künftige Bundesregierung auf, die Nationale Strategie des Bundes für Künstliche Intelligenz zu überarbeiten und für deren Umsetzung deutlich erhöhte Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die Regierungschefs weisen die künftige schwarz-rote Koalition zudem darauf hin, dass Deutschland und Europa sich nicht länger von Rechner-Kapazitäten abhängig machen dürfen, die zum Beispiel in den USA stationiert sind. Berlin müsse deshalb die Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb von Rechenzentren und weiterer KI-Infrastruktur gezielt verbessern.

Deutschland, erläutert Bovenschulte seinen Vorstoß, werde in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld in die „digitale Souveränität unseres Landes“ investieren müssen. „Es ist höchste Zeit für eine Künstliche Intelligenz ,made in Europe‘, für neue, leistungsfähige Rechenzentren, innovative Anwendungen und kluge Regulierungen“, so der Senatschef. Ohne eine solche Anstrengung drohe die Bundesrepublik auf diesem für die wirtschaftliche, aber auch militärische Widerstandsfähigkeit des Landes zentralen Feld den Anschluss zu verlieren. „Das wäre dann nicht nur ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, das wäre auch ein Problem der nationalen Sicherheit.“

Um die „digitale Souveränität“ Europas bei der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von KI zu wahren, müssten ausreichende Rechenleistungskapazitäten in der EU vorgehalten werden. Dazu müsse die künftige Bundesregierung die Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb von Rechenzentren und weiterer KI-Infrastruktur gezielt verbessern, und dabei müssten europäische Anbieter angemessen berücksichtigt und gefördert werden. Die Länder fordern die Bundesregierung daher auf, „gezielte Anreize für private Investitionen in KI-Startups und innovative Unternehmen zu schaffen“.

Die Unterwasser-Roboter sind übrigens nicht die einzige KI-Anwendung, mit dem sich die Bremer KI-Forscher derzeit befassen. Geforscht wird hier auch an KI-gesteuerten Robotern für die Raumfahrt, unter anderem für die von der Nasa geplante Erkundung des Südpols des Mondes.

Partner bei diesem Projekt der Bremer KI-Forscher ist unter anderem das Institut für Robotik und Mechatronik mit Sitz in Oberpfaffenhofen – gelegen rund 30 Kilometer westlich der bayerischen Staatskanzlei in München.

Korrespondent Ulrich Exner berichtet vor allem aus den norddeutschen Bundesländern, schaut aber auch gerne mal in Bayern vorbei.

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