Markus Lanz hätte für seine gleichnamige Sendung im ZDF am Mittwochabend auch schon Schlussworte finden können, doch ein Thema brannte dem Moderator offenbar noch unter den Fingern: Annalena Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden.
Und so ging er zehn Minuten vor Ende noch auf die Personalie eine, die in den vergangenen Tagen nicht nur auf Verwunderung, sondern auch auf Kritik stieß. Denn: Der Posten war bereits seit Sommer vergangenen Jahres für die erfahrene Diplomatin Helga Schmid vorgesehen. Selbst das Bundeskabinett hatte ihre Nominierung bereits beschlossen. Dann entschied sich Baerbock, nach New York zu gehen.
Noch recht unverfänglich fragte Lanz die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, wie sehr sie Baerbock vermissen werde, wenn diese in die USA gehe. „Frau Baerbock hat für unser Land einen sehr guten Job gemacht“, entgegnete sie. „Ich bin mir sicher, dass sie auch im Auftrag Deutschlands einen sehr guten Job bei den Vereinten Nationen machen wird.“
„Wie sehr werden Sie Baerbock vermissen?“, fragt Lanz
Lanz: „Und jetzt die undiplomatische, normale Antwort: Wie sehr werden Sie sie vermissen?“
Brantner: „Persönlich werde ich sie vermissen. Aber sie wird ja nicht weg sein. Sie wird in New York sein und sie wird dort in diesen schwierigen Zeiten (...) gute Dienste leisten.“
Und dann kam Lanz zu dem Punkt, um den es ihm eigentlich ging: Die Art, wie die Noch-Außenministerin zu ihrem Posten kam. Er holte aus: „Ganz grundsätzlich: Wie finden Sie diesen Vorgang, dass da jemand ist, der demnächst nicht mehr als Außenministerin tätig sein wird, dann versucht, an den Fraktionsvorsitz zu kommen, was irgendwie über Medien kommuniziert wird. Frau Haßelmann (Co-Fraktionschefin der Grünen; die Red.) sagt, nö, das geht so eigentlich nicht. Dann versucht Frau Baerbock, Landesverbände zu organisieren und stellt fest: Ach so, so viel Unterstützung gibt es da eigentlich gar nicht. Dann schreibt man einen Brief und sagt, ich ziehe mich jetzt zurück, weil: Ich möchte jetzt mehr Zeit für die Familie haben. Und wenig später bootet man dann eine Diplomatin aus.“
Über alle Parteigrenzen hinweg sei man sich einig, dass Helga Schmid das Geschäft wie kaum eine andere beherrsche. „Und dann kommt eine andere Frau, die sich feministische Außenpolitik auf die Fahne geschrieben hat, und sagt: Mach‘ ich jetzt. Du bist raus! Wie finden Sie so einen Vorgang?“
„Schauen Sie“, versuchte Brantner beschwichtigend zu antworten. „Wir haben in den Vereinten Nationen eine gerade sehr herausfordernde, schwierige Situation. Putin, Trump, Xi Jinping ...“
„Ja“, unterbrach Lanz sie an dieser Stelle. „Deshalb brauchen wir ja eine gute Frau da: Helga Schmid.“
Brantner ließ sich nicht beirren und redete weiter: „Annalena Baerbock hat sich nicht nur in ihrer Zeit als Außenministerin, aber auch gerade da, stark für die Vereinten Nationen eingesetzt.“ Es sei nicht unüblich, dass ehemalige Außenminister diesen Posten bekämen. Sie habe sich zudem gerade im Globalen Süden ein Netzwerk und Partnerschaften mit Ländern aufgebaut.
Doch Lanz blieb kritisch: „Gibt es auch Länder, die sie reihenweise beleidigt hat? Und ist das ein Problem, wenn man vor den Vereinten Nationen steht, wenn man zum Beispiel Xi Jinping einen Diktator genannt hat? Und auch anderen ständig mit der moralischen Keule kommt und erklärt, wie sie gefälligst zu sein hat?“
Sie habe die Werte der Vereinten Nationen vertreten und natürlich eine Klarheit gehabt, sagte Brantner. Sie habe Partnerschaften in Länder gepflegt, die vorher nicht im Fokus der deutschen Außenpolitik standen. Im Rahmen der UN habe Baerbock zudem bei den Ukraine-Resolutionen zu Mehrheiten beigetragen. „Das war ein starkes Stück.“
Deutlich kritischer meldete sich Journalist Michael Bröcker zu Wort. „Ich finde es schade, Frau Brantner. Sie hätten jetzt die Chance gehabt, das Thema Glaubwürdigkeit auch in eigener Sache mal anders zu konnotieren. Das, was Sie gesagt haben, hab‘ ich wörtlich jetzt so von Annalena Baerbock gehört.“ Zudem seien zuvor nur wenige Außenminister in diesem Amt gewesen. Bröcker betonte außerdem, wie geeignet Schmid für den Posten sei. „Das ist schon ein Vorgang, den man nicht anders als anmaßend und übergriffig bezeichnen kann.“
„Ich habe gesagt, was ich zu sagen habe“, bricht Brantner das Schweigen
Ein weiterer Vorwurf: „Sie hat diese Frau selbst vorgeschlagen, sie hat sie Journalisten vorgestellt, sie hat sie der UN vorgestellt.“ Und dann werde sie in letzter Minute ausgebootet. „Weil Annalena Baerbock festgestellt hat, dass sie immer schon mal nach New York wollte?“ Es sei anmaßend zu sagen, dass nur sie als ehemalige Außenministerin das nötige diplomatische Gewicht zur UN mitbringe. Da gebe es durchaus Zweifel. „Das ist für mich Teil von Hybris, den man dann auch so aus der grünen Partei benennen könnte“, fügte Bröcker an. Nicht nur Männer aus der Sicherheitsszene hätten „diesen Move“ unmöglich gefunden. „Und das kann man dann ehrlicherweise auch mal so benennen.“
Schweigen.
„Ich habe gesagt, was ich zu sagen habe“, entgegnete Brantner und wiederholte Teile ihrer vorherigen Argumente.
„Ich dachte“, versuchte es Lanz trotzdem erneut, „es läuft bei Politikerinnen anders. Frau Baerbock ist doch diejenige, die gerne männlichen Kollegen vorhält, wie machtversessen sie sind, wie sehr sie an ihren Stühlen kleben.“
Über Frauenrechte brauche man den Grünen nichts zu erzählen, entgegnete Brantner. Doch Lanz wollte das so nicht stehen lassen und unterbrach sie: „Das ist ein totaler harter Machtkampf, den man da besichtigen konnte!“
Brantner: „Wir sind die Partei, die dafür sorgt, dass Frauen mit da vorne sitzen können.“
Lanz: „Und dann spielt man das so? Auf dem Rücken einer Frau? Wenn man sagt, mein Thema ist feministische Außenpolitik?“
Brantner: „Ich bleibe dabei, dass es richtig ist (...), dass sie da die starke Stimme sein wird.“
Lanz, der Schmid wiederholt lobte und ihr ebenfalls die Fähigkeit, mit künftigen Krisen umgehen zu können, attestierte, fragte schließlich: „War die Geschichte Teil des Deals, den Sie mit Merz gemacht haben?“
Brantner: „Nein, aber natürlich wurde mit den zukünftig Regierenden auch darüber gesprochen.“
Lanz: „Also doch? Merz hat das für gut befunden?“
Brantner: „In die Details war ich nicht involviert.“
Lanz: „Also bitte, Sie sind die Parteichefin.“
Brantner: „Das ist aber nicht, was wir dort besprochen haben. Es war nicht Teil dieses Deals.“ Aber es sei normal, dass man solche Personalfragen mit den zukünftig Regierenden abspricht.
„Lassen wir das mal so stehen“, sagte Lanz und beendete damit nicht nur das Thema, sondern auch seine Sendung.
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