Am Sonntag hatte sich die Spitzenrunde von CDU, CSU und SPD eine Pause von den Koalitionsverhandlungen gegönnt. An diesem Montag geht es weiter. Die Parteien biegen auf die Zielgerade ein – und die kann noch anstrengend werden, denn es gibt noch viele Knackpunkte. Die Gespräche finden seit Freitag auf der Führungsebene statt, um sich in den noch strittigen Fragen zu einigen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) zog am Freitag in der ARD einen Sportvergleich: Auf der Zielgeraden müssten die letzten Kräfte mobilisiert werden. Rehlinger gehört zur „19er-Gruppe“. Das sind die Hauptverhandler von CDU, CSU und SPD. Sie beraten über die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen – dabei gab es zwar viele Übereinstimmungen, aber auch viele offene Punkte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach nach Verhandlungen am Samstag in der SPD-Zentrale von der „Clearing-Phase“.
Heute soll die Spitzenrunde nun erneut zusammenkommen, dieses Mal in der CDU-Zentrale. Dobrindt sagte, bevor die große Runde am Montagabend zusammenkomme, gebe es noch kleinere Runden, die als „Problemlösungsrunden“ eingesetzt worden seien.
Finanzen
Zu den größten Knackpunkten zählen die Finanzen. Im Bundeshaushalt 2025 sowie der Finanzplanung der kommenden Jahre klaffen ohnehin bereits Milliardenlöcher – obwohl die Lockerung der Spielräume bei der Verteidigung neue Spielräume eröffnet. Bei dem 50-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz soll es sich um zusätzliche Investitionen handeln.
„Wir werden umfassend sparen müssen“, sagte Friedrich Merz (CDU). Als Schwerpunkte der möglichen neuen Regierung nannte er neben der Finanzplanung für den Bundesetat die Eindämmung der irregulären Migration und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die Wirtschaft steckt nach zwei Rezessionsjahren in einer Krise. Verbände machen Druck und fordern umfassende Reformen.
In den Koalitionsverhandlungen gibt es bereits Pläne für neue Milliardenausgaben. So wurde im Sondierungspapier eine Ausweitung der Mütterrente beschlossen, darauf pocht die CSU. Zudem wurden milliardenschwere Entlastungen bei den Strompreisen sowie etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale versprochen. Viel kosten würde auch eine Senkung der Unternehmenssteuern.
Das ist allerdings noch umstritten, genauso wie Entlastungen bei der Einkommensteuer – die SPD will im Gegenzug den Spitzensteuersatz erhöhen, die Union stellt sich quer. Dazu kommen strittige Vorschläge aus den Arbeitsgruppen. Beispiel: In der Familien-AG trat die SPD für ein kostenloses Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen ein – Kostenpunkt laut Papier pro Jahr: 11 Milliarden Euro. Die Union lehnt das ab.
Merz sagte am Freitag, er habe das Gefühl, dass bei manchen Arbeitsgruppen die Überschrift laute: „Wünsch Dir was“. Und weiter: „Das wird jetzt unsere Aufgabe sein, das auf das mögliche Maß zu reduzieren.“ Dabei gibt es auch große Einsparpotenziale. So würde ein Wechsel beim Stromnetzausbau weg von Erdkabeln hin zu Freilandleitungen Milliarden an Kosten einsparen, wie es in einem Papier heißt. Zudem könnte etwa eine Reform des Bürgergelds aus Sicht der Union für milliardenschwere Einsparungen sorgen.
Migration
In der Migrationspolitik ist die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen ein Hauptstreitpunkt. Im Sondierungspapier heißt es, dies solle „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ möglich sein. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD aber auseinander.
Zuletzt forderte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), die SPD zu Zugeständnissen in der Migrationspolitik auf. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir wissen, warum so viele Menschen bei der Bundestagswahl AfD gewählt haben. Sie haben das Gefühl, dass mit dem Flüchtlingszustrom nicht rechtskonform umgegangen wird.“ Es gehe künftig darum, an den Grenzen diejenigen zurückzuweisen, die keinen Schutz beanspruchen könnten, und andererseits dafür zu sorgen, dass die Menschen, die abschließend hierbleiben dürften, zügig und gut integriert werden.
„Wir haben momentan im Osten keine Mehrheit mehr in der Mitte“, erklärte Haseloff weiter. „Deswegen muss sich die SPD inhaltlich auf diese Menschen zubewegen, auch aus eigenem Interesse heraus. Ich schätze, auch eine Mehrheit der SPD-Wähler will eine Wende in der Migrationspolitik und einen Staat, der besser funktioniert als unter der Ampel.“
Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet mahnte hingegen am Wochenende eine europäische Lösung an. „Wenn jedes Land einfach nur zurückweist, kommen wir nicht weiter“, sagte Laschet den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Die von seiner Partei geforderten Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hält Laschet allenfalls für eine vorübergehende Lösung.
Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, warnte die SPD davor, in den Koalitionsverhandlungen einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik zu blockieren. Er erwarte, dass sich insbesondere die SPD einen Ruck gebe und den von der Union vorgeschlagenen dringend notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration zustimme, sagte Teggatz dem „Handelsblatt“. Es seien „konsequente und harte Einschnitte notwendig, um tatsächlich eine Kehrtwende zu erreichen“.
Zeitplan für die Kanzlerwahl
Unklar ist noch, wann eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung die Geschäfte übernehmen könnte. „Bild“ berichtete am Sonntag, dass bei den Verhandlern noch keine Einigkeit über den Zeitplan herrscht. Für die Kanzlerwahl sei im Ältestenrat des Bundestages der 7. Mai angedacht gewesen. Auf diesen Zeitplan hätten sich die womöglich baldigen Koalitionäre aber nicht einigen können.
Bevor Union und SPD regieren können, steht bei den Sozialdemokraten ohnehin noch eine Mitgliederabstimmung über den möglichen Koalitionsvertrag aus. Generalsekretär Miersch sagte dazu den RND-Zeitungen vom Samstag: Eine Große Koalition sei für die Parteibasis „immer eine Herausforderung“. „Und auch ein Mitgliedervotum der SPD ist immer eine Herausforderung.“
Sollte der Koalitionsvertrag nicht wie angestrebt bis Ostern fertig sein, könne die Mitgliederbefragung auch über die Ferien laufen, sagte Miersch weiter. „Im Zweifel können wir die Osterferien einbeziehen. Wir brauchen mindestens zehn Tage.“ Es sei im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, dass sich Union und SPD die nötige Zeit nähmen, auch wenn die Regierung dann erst im Mai stehe. Friedrich Merz hatte ursprünglich angepeilt, bis spätestens Ostern eine neue Regierung zu bilden.
Zu weiteren Knackpunkten zwischen den Parteien zählen: Soll es eine neue Kaufprämie für E-Autos geben? Soll die Aussetzung der Wehrpflicht aufgehoben werden? Wie konkret soll das Rentenniveau gesichert werden? Um zügig eine Regierung zu bilden, müssen CDU, CSU und SPD noch viele offene Fragen lösen.
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