Im Fall von Francesca Albanese dürfte das Attribut „umstritten“ wohl als Tatsache gelten. Erst vor wenigen Wochen gab es Streit über die italienische Juristin an der Freien Universität Berlin. Die Studentenvertretung wollte die 48-Jährige auftreten lassen, was die Uni-Leitung nach Intervention des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) verhinderte. Der Vorwurf gegen Albanese lautet, sie sei antisemitisch und einseitig gegen Israel.
Seit 2022 ist sie Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (UN) für die besetzten palästinensischen Gebiete. Mit dem 1. April endet an diesem Dienstag ihr Mandat. Sie will allerdings weitermachen. Ihre Vortragstour durch mehrere Länder, darunter Deutschland, diente wohl auch der Werbung in eigener Sache.
Allerdings gibt es Widerstand gegen eine weitere Amtszeit Albaneses – international und auch in Deutschland. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, die voraussichtlich den nächsten Bundeskanzler stellt, lehnt die Fortführung des UN-Mandats entschieden ab. „Unter Francesca Albanese wurde ihr Amt zum Hindernis für den Friedensprozess“, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt WELT. „Dieses Versagen darf Israel und die Palästinenser nicht noch eine Amtszeit lang belasten.“ Albanese fehle es an „fachlicher Tiefe“ und Empathie.
Die Unions-Fraktionsbeauftragte für Israel-Beziehungen, Daniela Ludwig (CSU), sagte WELT: „Wer den islamistischen Terror durch die Hamas verharmlost und den tausendfachen Mord an Jüdinnen und Juden als demokratischen Widerstand legitimieren will, ist nicht mehr länger tragbar.“ Sie forderte die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf, Stellung zu beziehen.
Die hält sich zurück – wie auch sämtliche andere Fraktionen des Bundestags. SPD, Grüne und Linke teilten mit, sie wollten aus Zeitgründen nichts zu Albanese sagen. Die AfD reagierte auf eine WELT-Anfrage nicht.
Aus Baerbocks Außenministerium verlautete: „Die Bundesregierung respektiert die Unabhängigkeit der Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats.“ Einzelne Äußerungen Albaneses seien inakzeptabel gewesen, man habe diese zurückgewiesen.
Albaneses lange Geschichte des Israel-Hasses
Albanese hat sich vor allem nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 teils drastisch geäußert. Nur eine Woche nach dem Massaker schrieb sie beim Kurznachrichtendienst X: „Gerade Italiener und Deutsche sollten wegen ihrer Geschichte an der Spitze der Opposition gegen den von Netanjahu betriebenen Überfall auf Gaza stehen.“
In demselben Post zog sie eine Parallele zwischen Israel und Nazideutschland und warf Israel Völkermord sowie Rassenpolitik vor. Da hatte die Hamas gerade erst Tausende Familien in deren Häusern überfallen, ein Musikfestival in der Negev-Wüste angegriffen, Frauen vergewaltigt, weit mehr als 1000 Menschen, unter ihnen auch Kinder, teils bestialisch getötet und 250 in den Gaza-Streifen entführt. Bis heute sollen noch lebende Geiseln von der Hamas in Gaza festgehalten werden. Außerdem sollen noch zahlreiche Leichen von Israelis dort sein.
Albanese nannte Gaza im vergangenen Sommer auf X das „größte und beschämendste Konzentrationslager des 21. Jahrhunderts“, in dem Israel einen Völkermord an den Palästinensern verübe.
Zum Weltfrauentag im vergangenen Jahr postete Albanese, ihre Gedanken seien „bei den Frauen und jungen Mädchen von Gaza“, aber auch „bei den israelischen Frauen, speziell den Soldatinnen“. An deren Adresse richtete sie die zynische Frage: „Was habt ihr getan, was ist aus euch geworden? Ihr Lieben, wenn euch das klar wird, wird euch das für immer heimsuchen.“
Wie Albanese denkt, war auch schon vor ihrer Berufung zur UN-Sonderberichterstatterin klar. 2014 schrieb sie auf Facebook, wie das Portal „NGO Monitor“ dokumentiert: „Amerika und Europa, die einen unterdrückt von der jüdischen Lobby, die anderen vom Schuldgefühl wegen des Holocaust, bleiben außen vor und verurteilen weiterhin die Unterdrückten – die Palästinenser –, die sich mit den einzigen Mitteln verteidigen, die ihnen zur Verfügung stehen.“
Dass Albanese gleichwohl auf den Posten der UN-Sonderberichterstatterin rücken konnte, verdankt sie ihrem Netzwerk in den UN-Gremien, vor allem beim Flüchtlingshilfswerk UNHCR und beim Palästinenserhilfswerk UNRWA. Dort gehört sie zu einer Szene von Völkerrechtlern, die das Palästinenser-Thema seit Jahrzehnten von der politischen auf eine völkerrechtliche Ebene verschiebt. Das schreibt sie so auch in ihrem Buch „Palästinensische Flüchtlinge in internationalem Recht“.
Den Startschuss habe ihr Mentor und Co-Autor Lex Takkenberg gesetzt, ebenfalls mit einem Buch im Jahr 1998, schreibt sie in ihrem Vorwort. Takkenberg ist ebenfalls Völkerrechtler, stammt aus den Niederlanden und arbeitete unter anderem als „Chef des Ethik-Büros“ der UNRWA. Für ihre Recherche habe sie extensiv Dokumente von UNO-Organisationen auswerten können, vor allem Unterlagen von UNHCR und UNRWA. Außerdem habe sie Interviews mit Offiziellen und Experten in Jordanien, dem Libanon und „der West Bank, einschließlich Ost-Jerusalem“ führen können.
Ihr Buch zeichnet die Geschichte des modernen Staates Israel als die Geschichte von willkürlicher Vertreibung und Diebstahl arabischen Eigentums. Israel habe sich Häuser, Felder, Geld und persönliche Habe der vertriebenen Araber angeeignet. „Die Kontrolle über das Eigentum der Flüchtlinge erlaubte es Israel und der Jüdischen Agentur, Hunderttausende jüdische Einwanderer so billig wie möglich anzusiedeln“, behauptet Albanese über die Zeit nach der israelischen Staatsgründung.
Am Wochenende war die Personalentscheidung Thema im Plenum des UN-Menschenrechtsrats. Dabei äußerte der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation UN Watch, Hillel Neuer, massive Bedenken gegen Albanese. „Hass auf Juden ist wie ein mutierendes Virus“, sagte er und warf ihr vor, im Namen der Menschenrechte Judenhass zu verbreiten
Viel Eindruck schien das nicht zu machen. Kritik möge bitte nur in vorgegebenem Rahmen ausgesprochen werden, mahnte Sitzungsleiter und Menschenrechtsrats-Vizepräsident Paul Empole Efambe. Und: „Keine persönlichen Angriffe gegen Sonderberichterstatter.“ Efambes Gremium will diese Woche über die weitere Amtszeit für Albanese entscheiden.
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