Franziska Brantner ist seit November 2024 Parteivorsitzende der Grünen. Sie ist aktuell noch Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
WELT: Frau Brantner, laut aktuellen Umfragen liegt nur noch ein kleiner Abstand von zwei Prozentpunkten zwischen der CDU und der AfD. Was macht die AfD aktuell immer stärker?
Franziska Brantner: Wir sehen, dass eine Politik von Friedrich Merz, die sich vor den Wahlen geweigert hat, die Realitäten anzuerkennen, die nicht bereit war, die Probleme unseres Landes anzugehen, nun offenbar die Folgen zeigt. Stattdessen wurden Luftschlösser aufgebaut, und am Tag der Wahl wurden diese Politik mit der Realität konfrontiert. Das führt natürlich zu Enttäuschung und Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern, die den Eindruck haben, dass die Debatte keine ehrliche war. Das ist tragisch. Wir haben immer gefordert, die Probleme realistisch zu benennen und gemeinsam gute Lösungen für das Land zu entwickeln.
WELT: Die vermeintlich guten Lösungen, vor allem die der Grünen, scheinen jedoch auch nicht gerade dazu beigetragen zu haben, die AfD zu schwächen. Das Heizungsgesetz zum Beispiel hat viele Punkte gekostet. Was sagen Sie dazu?
Brantner: Herr Merz hat gesagt, er halbiert die AfD. Jetzt hat er sie gerade nach oben „geboomt“. Auch wir werden natürlich gemeinsam in der Partei reflektieren, was unser Anteil daran ist. Die Ampel hat sich viel zu viel gestritten. Das hat sicherlich zum Frust beigetragen über die Politik.
WELT: Lassen Sie uns nun auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Donald Trump hat kürzlich gesagt, dass er die „Befreiung Amerikas“ vorantreiben will und Zölle verhängt hat. Wie können wir als Europa darauf reagieren?
Brantner: Donald Trump versteht Stärke. Deswegen geht es darum, jetzt die Europäische Union zu stärken. Wir müssen einerseits den Binnenmarkt weiter vorantreiben, andererseits aber auch zu zeigen, was wir können. Wir müssen in unsere Technologien und unser Know-how investieren, um den Weg freizumachen für die guten Ideen und für die Innovationskraft. Damit wir der Anziehungspool sein können für Menschen, die jetzt in den USA sagen: Mit so einem Gesundheitsminister, mit so einer Abschaffung von freien Denkräumen will ich nicht weiterarbeiten und leben. Europa sollte der Magnet für Innovation und freies Denken, der Hort der Aufklärung, werden. Das wäre jetzt die Rolle, die die Europäische Union einnehmen könnte. Und dann kann man natürlich auch hart verhandeln. Elon Musk sagt, er mag nur noch Monopole, er mag keinen Wettbewerb. Dann kann man sagen: Wir mögen Wettbewerb. Im Zweifel gilt Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, unser Digitalrecht – das gehört auch angewendet mit Blick auf die Tech-Oligarchen. Das geht übrigens auch ohne Zölle. Wir sind da gut gewappnet, und am Ende geht es um Stärke, um hoffentlich diese Zölle wieder wegzubekommen. Denn: Keiner profitiert davon, übrigens auch nicht die Bürgerinnen und Bürger der USA.
WELT: Und was ist mit Trumps Angebot, jetzt doch zu verhandeln und die Zölle zu reduzieren? Sollte Europa sich darauf einlassen?
Brantner: Als Deutschland haben wir hier nur eine Option: europäisch aufzutreten. Wenn wir Donald Trump erlauben, die Länder gegeneinander auszuspielen, dann haben wir schon verloren. Wir müssen als Europäische Union gemeinsam verhandeln und eher noch breiter auftreten, zusammen mit Kanada, Mexiko und anderen Ländern dieser Welt, die auch auf einen freien und fairen Handel pochen.
WELT: Zur aktiven Erhebung des Online-Vergleichsportals Verivox: 55 Prozent der Befragten befürworten einen Wiedereinstieg in die Atomkraft. Ist das eine Option für Sie?
Brantner: Die Milliarden, die das kosten würde, die kann man wirklich besser in neue Technologien investieren, in Erneuerbare, in die Speicher, in Elektrolyseure, da entsteht so viel tolles Neues – und es wäre wirklich jetzt an der Zeit, hier unseren eigenen Weg zu gehen, auch hier stärker, unabhängiger zu werden von Importen. Die sind übrigens für Atomkraftwerke, bis jetzt, auch aus Russland nötig. Wir machen nicht den ganzen Kraftakt, um von dem Gas unabhängig zu werden, um dann für die Brennstoffe wiederum abhängig zu sein. Wir haben einen guten Weg. Den jetzt beharrlich zu gehen und nicht alle paar Wochen eine Kehrtwende zu machen, das wäre für unser Land und für unsere Wirtschaft gut.
Das Interview wurde redaktionell leicht bearbeitet und gekürzt.
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